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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Ist Rußland unbesiegbar?

man sie nicht in die vordersten Reihen als Kanonenfutter stellt, wie in Przemysl.
Vielleicht zeigt Sir Edward Gren jetzt schon daß er keine Gelegenheit versäumt;
sonst werden die Juden der neutralen Länder mit den deutschen Juden bei der
Ansicht beharren müssen, daß seine schwarzen Truppen nicht weißen -- wie Herr
Zangwill meint, -- sondern roten Zielen dienen: der Unterwerfung aller Kultur¬
länder unter das Blutregiment des niedrigsten und verderbtesten Systems, das die
letzten Jahrhunderte gesehen haben.

Und der Schatten Rußlands wird nicht nnr auf ihn, sondern auch auf
seine Helfershelfer mit der Feder fallen!

Glücklicherweise sind die amerikanischen Juden klüger und weniger vergeßlich
als Herr Zangwill, und so hat er denn auch bisher in Amerika nur Zurück¬
weisungen erfahren. Herr Zangwill schrieb von den Kindern des Ghetto ein
schönes Buch. Er hat sie nicht gekannt. Das ehrt die Intuition des Dichters,
aber es vernichtet den Politiker.

Die Juden Rußlands werden frei und erlöst sein, wenn die deutschen Waffen
siegen. Mit dem Erfolge Sir Edward Greys und derer, die er mit einem
Händedruck betören kann, werden sie Sklaven bleiben!




Ist Rußland unbesiegbar?

as Deutschtum in Rußland hat einen schweren Schlag erlitten:
auf Vortrag des öffentlich geohrfeigten Ministers für Volks¬
aufklärung Casso hat der Ministerrat beschlossen, die älteste
der in Rußland erscheinenden deutschen Zeitungen, die kürzlich in
Petrograder Zeitung umgetaufte Se. Petersburger Zeitung, mit dem
31. Dezember d. I. eingehen zu lassen. Gleich der Beschränkung des Bodenbe¬
sitzes für evangelische Deutsche ein neuer Versuch, die deutsche Kultur in Ru߬
land auszurotten und ihre Äußerungen im russischen Meer untergehen zu lassen.

Die Se. Petersburger Zeitung wurde zusammen mit der Se. Peterburgskija
Wjedomosti und der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1726
nach Bestimmungen Peters des Großen ins Leben gerufen, der anders wie
der zweite Nikolaus zu beurteilen wußte, welche staatsbildende und staatserhaltende
Bedeutung das Deutschtum für die Russen und den russischen Staat haben.
Bis zum Jahre 1875 wurde die Petersburger Zeitung von der Akademie der
Wissenschaften herausgegeben, dann aber dem Ministeriuni für Volksaufklärung
überlassen, das sie wieder an Paul von Kügelgen (gestorben 1904), den Vater
der bisherigen Leiter Paul und Karl verpachtete. Das Blatt ist durch Gesetz


Ist Rußland unbesiegbar?

man sie nicht in die vordersten Reihen als Kanonenfutter stellt, wie in Przemysl.
Vielleicht zeigt Sir Edward Gren jetzt schon daß er keine Gelegenheit versäumt;
sonst werden die Juden der neutralen Länder mit den deutschen Juden bei der
Ansicht beharren müssen, daß seine schwarzen Truppen nicht weißen — wie Herr
Zangwill meint, — sondern roten Zielen dienen: der Unterwerfung aller Kultur¬
länder unter das Blutregiment des niedrigsten und verderbtesten Systems, das die
letzten Jahrhunderte gesehen haben.

Und der Schatten Rußlands wird nicht nnr auf ihn, sondern auch auf
seine Helfershelfer mit der Feder fallen!

Glücklicherweise sind die amerikanischen Juden klüger und weniger vergeßlich
als Herr Zangwill, und so hat er denn auch bisher in Amerika nur Zurück¬
weisungen erfahren. Herr Zangwill schrieb von den Kindern des Ghetto ein
schönes Buch. Er hat sie nicht gekannt. Das ehrt die Intuition des Dichters,
aber es vernichtet den Politiker.

Die Juden Rußlands werden frei und erlöst sein, wenn die deutschen Waffen
siegen. Mit dem Erfolge Sir Edward Greys und derer, die er mit einem
Händedruck betören kann, werden sie Sklaven bleiben!




Ist Rußland unbesiegbar?

as Deutschtum in Rußland hat einen schweren Schlag erlitten:
auf Vortrag des öffentlich geohrfeigten Ministers für Volks¬
aufklärung Casso hat der Ministerrat beschlossen, die älteste
der in Rußland erscheinenden deutschen Zeitungen, die kürzlich in
Petrograder Zeitung umgetaufte Se. Petersburger Zeitung, mit dem
31. Dezember d. I. eingehen zu lassen. Gleich der Beschränkung des Bodenbe¬
sitzes für evangelische Deutsche ein neuer Versuch, die deutsche Kultur in Ru߬
land auszurotten und ihre Äußerungen im russischen Meer untergehen zu lassen.

Die Se. Petersburger Zeitung wurde zusammen mit der Se. Peterburgskija
Wjedomosti und der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1726
nach Bestimmungen Peters des Großen ins Leben gerufen, der anders wie
der zweite Nikolaus zu beurteilen wußte, welche staatsbildende und staatserhaltende
Bedeutung das Deutschtum für die Russen und den russischen Staat haben.
Bis zum Jahre 1875 wurde die Petersburger Zeitung von der Akademie der
Wissenschaften herausgegeben, dann aber dem Ministeriuni für Volksaufklärung
überlassen, das sie wieder an Paul von Kügelgen (gestorben 1904), den Vater
der bisherigen Leiter Paul und Karl verpachtete. Das Blatt ist durch Gesetz


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[0165] Ist Rußland unbesiegbar? man sie nicht in die vordersten Reihen als Kanonenfutter stellt, wie in Przemysl. Vielleicht zeigt Sir Edward Gren jetzt schon daß er keine Gelegenheit versäumt; sonst werden die Juden der neutralen Länder mit den deutschen Juden bei der Ansicht beharren müssen, daß seine schwarzen Truppen nicht weißen — wie Herr Zangwill meint, — sondern roten Zielen dienen: der Unterwerfung aller Kultur¬ länder unter das Blutregiment des niedrigsten und verderbtesten Systems, das die letzten Jahrhunderte gesehen haben. Und der Schatten Rußlands wird nicht nnr auf ihn, sondern auch auf seine Helfershelfer mit der Feder fallen! Glücklicherweise sind die amerikanischen Juden klüger und weniger vergeßlich als Herr Zangwill, und so hat er denn auch bisher in Amerika nur Zurück¬ weisungen erfahren. Herr Zangwill schrieb von den Kindern des Ghetto ein schönes Buch. Er hat sie nicht gekannt. Das ehrt die Intuition des Dichters, aber es vernichtet den Politiker. Die Juden Rußlands werden frei und erlöst sein, wenn die deutschen Waffen siegen. Mit dem Erfolge Sir Edward Greys und derer, die er mit einem Händedruck betören kann, werden sie Sklaven bleiben! Ist Rußland unbesiegbar? as Deutschtum in Rußland hat einen schweren Schlag erlitten: auf Vortrag des öffentlich geohrfeigten Ministers für Volks¬ aufklärung Casso hat der Ministerrat beschlossen, die älteste der in Rußland erscheinenden deutschen Zeitungen, die kürzlich in Petrograder Zeitung umgetaufte Se. Petersburger Zeitung, mit dem 31. Dezember d. I. eingehen zu lassen. Gleich der Beschränkung des Bodenbe¬ sitzes für evangelische Deutsche ein neuer Versuch, die deutsche Kultur in Ru߬ land auszurotten und ihre Äußerungen im russischen Meer untergehen zu lassen. Die Se. Petersburger Zeitung wurde zusammen mit der Se. Peterburgskija Wjedomosti und der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1726 nach Bestimmungen Peters des Großen ins Leben gerufen, der anders wie der zweite Nikolaus zu beurteilen wußte, welche staatsbildende und staatserhaltende Bedeutung das Deutschtum für die Russen und den russischen Staat haben. Bis zum Jahre 1875 wurde die Petersburger Zeitung von der Akademie der Wissenschaften herausgegeben, dann aber dem Ministeriuni für Volksaufklärung überlassen, das sie wieder an Paul von Kügelgen (gestorben 1904), den Vater der bisherigen Leiter Paul und Karl verpachtete. Das Blatt ist durch Gesetz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/165>, abgerufen am 02.07.2024.