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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Neue Bismarckgespräche

Die Jugenderinnerungen brachten den Fürsten auf das Beten: "Ich er¬
innere mich, daß ich, als ich vierzehn Jahre alt war, das Beten für nutzlos und
irrelevant hielt.

So denke ich zwar heute noch, doch bin ich jetzt der Ansicht, daß der
Wert des Gebetes darin liegt, daß es die Unterwerfung unter eine höhere
Macht einschließt, und ich glaube überzeugt an diese Macht (ane! I am convinLocl
ol ello LXlsteriLe ok etat Power)."

Dies brachte Bismarck dann auf die Frage eines späteren zukünftigen Lebens:
"Ich zweifele keinen Augenblick daran" sagte er ernst. "Das irdische Leben ist
zu armselig, zu unvollendet, um unser höchstes Streben und Sehnen zu erfüllen.
Es ist nur als ein Kampf anzusehn, der uns veredeln soll. Kann dieser Kampf
vergeblich sein? Ich glaube, nein! Ich glaube an eine endliche Vollendung,
eine Vollendung, die Gott für uns bereit hält."

Den römischen Katholizismus (Kom-in LatKolieism) liebte Bismarck nach
den Angaben Nichmonds nicht und hielt ihn für sehr gefährlich sowohl für den
Staat, wie für jeden wirklichen Fortschritt, dagegen sprach er vom Papst (Leo
der Dreizehnte) mit großer Achtung. "Ich finde ihn sehr intelligent; seine
lateinischen Verse sind entzückend, und er ist ein Staatsmann. Seine Stellung
als Haupt der katholischen Kirche ist jetzt viel stärker, als zur Zeit weltlicher
päpstlicher Herrschaft. Die Kirchenstaaten find als natürliche Folge der Er¬
eignisse so klein geworden, daß sie des Streites um sie nicht wert sind."

Nach einigen Beispielen für die Liebe, die Bismarck den Tieren erwies,
bringt Richmond dann noch einige bedeutende Episoden, die ihm Bismarck
in seiner charakteristischen, eleganten, pointierter und kurzen Weise er¬
zählt hat.

"In der Schlacht bei Königgrätz," so sprach Bismarck, "hatte ich große
Mühe, meinen Herren aus der Feuerlinie herauszubringen. Die Geschosse
füllten die Lust mit ihrem Gesang. Ich machte Sr. Majestät darauf auf¬
merksam. ,OH/ sagte er, .das ist der Lärm der Geschosse, ich glaubte, er rühre
von den Sperlingen her'. Ich überredete ihn, aus dem gefährdeten Strich
herauszureiten. Nur widerwillig folgte er einen kurzen Galopp weit. Ich
wußte, daß die österreichischen Vorposten, nur 300 Meter entfernt, aus einem
Gehölz feuerten. Daher befand sich der König in ungeheuerer Gefahr. Ich
löste nun meinen rechten Fuß aus dem Steigbügel, brachte mein Pferd dicht
hinter das des Königs und versetzte letzterem einen Fußtritt. Der Zweck wurde
erreicht. Das Pferd ging im Galopp vorwärts. Mein Herr drehte sich zwar
um und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, doch hatte er den Wink
verstanden und ritt aus der Gefahr. Dieses Ereignis telegraphierte er an die
Königin August": ,Bismarck brachte mich etwas rauh aus dem Feld/ Bei
einer anderen Gelegenheit schlug während der gleichen Schlacht eine Granate
zehn Schritt vom König und von seinem Stäbe entfernt ein. Sie fühlten die
Erde sich heben, wie bei einem Erdbeben, aber niemand rührte sich. Zum


Neue Bismarckgespräche

Die Jugenderinnerungen brachten den Fürsten auf das Beten: „Ich er¬
innere mich, daß ich, als ich vierzehn Jahre alt war, das Beten für nutzlos und
irrelevant hielt.

So denke ich zwar heute noch, doch bin ich jetzt der Ansicht, daß der
Wert des Gebetes darin liegt, daß es die Unterwerfung unter eine höhere
Macht einschließt, und ich glaube überzeugt an diese Macht (ane! I am convinLocl
ol ello LXlsteriLe ok etat Power)."

Dies brachte Bismarck dann auf die Frage eines späteren zukünftigen Lebens:
„Ich zweifele keinen Augenblick daran" sagte er ernst. „Das irdische Leben ist
zu armselig, zu unvollendet, um unser höchstes Streben und Sehnen zu erfüllen.
Es ist nur als ein Kampf anzusehn, der uns veredeln soll. Kann dieser Kampf
vergeblich sein? Ich glaube, nein! Ich glaube an eine endliche Vollendung,
eine Vollendung, die Gott für uns bereit hält."

Den römischen Katholizismus (Kom-in LatKolieism) liebte Bismarck nach
den Angaben Nichmonds nicht und hielt ihn für sehr gefährlich sowohl für den
Staat, wie für jeden wirklichen Fortschritt, dagegen sprach er vom Papst (Leo
der Dreizehnte) mit großer Achtung. „Ich finde ihn sehr intelligent; seine
lateinischen Verse sind entzückend, und er ist ein Staatsmann. Seine Stellung
als Haupt der katholischen Kirche ist jetzt viel stärker, als zur Zeit weltlicher
päpstlicher Herrschaft. Die Kirchenstaaten find als natürliche Folge der Er¬
eignisse so klein geworden, daß sie des Streites um sie nicht wert sind."

Nach einigen Beispielen für die Liebe, die Bismarck den Tieren erwies,
bringt Richmond dann noch einige bedeutende Episoden, die ihm Bismarck
in seiner charakteristischen, eleganten, pointierter und kurzen Weise er¬
zählt hat.

„In der Schlacht bei Königgrätz," so sprach Bismarck, „hatte ich große
Mühe, meinen Herren aus der Feuerlinie herauszubringen. Die Geschosse
füllten die Lust mit ihrem Gesang. Ich machte Sr. Majestät darauf auf¬
merksam. ,OH/ sagte er, .das ist der Lärm der Geschosse, ich glaubte, er rühre
von den Sperlingen her'. Ich überredete ihn, aus dem gefährdeten Strich
herauszureiten. Nur widerwillig folgte er einen kurzen Galopp weit. Ich
wußte, daß die österreichischen Vorposten, nur 300 Meter entfernt, aus einem
Gehölz feuerten. Daher befand sich der König in ungeheuerer Gefahr. Ich
löste nun meinen rechten Fuß aus dem Steigbügel, brachte mein Pferd dicht
hinter das des Königs und versetzte letzterem einen Fußtritt. Der Zweck wurde
erreicht. Das Pferd ging im Galopp vorwärts. Mein Herr drehte sich zwar
um und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, doch hatte er den Wink
verstanden und ritt aus der Gefahr. Dieses Ereignis telegraphierte er an die
Königin August«: ,Bismarck brachte mich etwas rauh aus dem Feld/ Bei
einer anderen Gelegenheit schlug während der gleichen Schlacht eine Granate
zehn Schritt vom König und von seinem Stäbe entfernt ein. Sie fühlten die
Erde sich heben, wie bei einem Erdbeben, aber niemand rührte sich. Zum


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[0154] Neue Bismarckgespräche Die Jugenderinnerungen brachten den Fürsten auf das Beten: „Ich er¬ innere mich, daß ich, als ich vierzehn Jahre alt war, das Beten für nutzlos und irrelevant hielt. So denke ich zwar heute noch, doch bin ich jetzt der Ansicht, daß der Wert des Gebetes darin liegt, daß es die Unterwerfung unter eine höhere Macht einschließt, und ich glaube überzeugt an diese Macht (ane! I am convinLocl ol ello LXlsteriLe ok etat Power)." Dies brachte Bismarck dann auf die Frage eines späteren zukünftigen Lebens: „Ich zweifele keinen Augenblick daran" sagte er ernst. „Das irdische Leben ist zu armselig, zu unvollendet, um unser höchstes Streben und Sehnen zu erfüllen. Es ist nur als ein Kampf anzusehn, der uns veredeln soll. Kann dieser Kampf vergeblich sein? Ich glaube, nein! Ich glaube an eine endliche Vollendung, eine Vollendung, die Gott für uns bereit hält." Den römischen Katholizismus (Kom-in LatKolieism) liebte Bismarck nach den Angaben Nichmonds nicht und hielt ihn für sehr gefährlich sowohl für den Staat, wie für jeden wirklichen Fortschritt, dagegen sprach er vom Papst (Leo der Dreizehnte) mit großer Achtung. „Ich finde ihn sehr intelligent; seine lateinischen Verse sind entzückend, und er ist ein Staatsmann. Seine Stellung als Haupt der katholischen Kirche ist jetzt viel stärker, als zur Zeit weltlicher päpstlicher Herrschaft. Die Kirchenstaaten find als natürliche Folge der Er¬ eignisse so klein geworden, daß sie des Streites um sie nicht wert sind." Nach einigen Beispielen für die Liebe, die Bismarck den Tieren erwies, bringt Richmond dann noch einige bedeutende Episoden, die ihm Bismarck in seiner charakteristischen, eleganten, pointierter und kurzen Weise er¬ zählt hat. „In der Schlacht bei Königgrätz," so sprach Bismarck, „hatte ich große Mühe, meinen Herren aus der Feuerlinie herauszubringen. Die Geschosse füllten die Lust mit ihrem Gesang. Ich machte Sr. Majestät darauf auf¬ merksam. ,OH/ sagte er, .das ist der Lärm der Geschosse, ich glaubte, er rühre von den Sperlingen her'. Ich überredete ihn, aus dem gefährdeten Strich herauszureiten. Nur widerwillig folgte er einen kurzen Galopp weit. Ich wußte, daß die österreichischen Vorposten, nur 300 Meter entfernt, aus einem Gehölz feuerten. Daher befand sich der König in ungeheuerer Gefahr. Ich löste nun meinen rechten Fuß aus dem Steigbügel, brachte mein Pferd dicht hinter das des Königs und versetzte letzterem einen Fußtritt. Der Zweck wurde erreicht. Das Pferd ging im Galopp vorwärts. Mein Herr drehte sich zwar um und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, doch hatte er den Wink verstanden und ritt aus der Gefahr. Dieses Ereignis telegraphierte er an die Königin August«: ,Bismarck brachte mich etwas rauh aus dem Feld/ Bei einer anderen Gelegenheit schlug während der gleichen Schlacht eine Granate zehn Schritt vom König und von seinem Stäbe entfernt ein. Sie fühlten die Erde sich heben, wie bei einem Erdbeben, aber niemand rührte sich. Zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/154>, abgerufen am 02.07.2024.