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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Neue Bismarckgespräche

Von besonders aktuellen Interesse sind dann Bismarcks Äußerungen über
den Parlamentarismus. "Warum," so fragte er Richmond, "haben die Engländer
keinen ständigen Kriegsminister, der nicht mit jedem Ministerium wechselt?"
und fuhr daran anschließend fort: "Alle Dinge in England scheinen durch
Amateure und nicht durch Spezialisten geregelt zu sein, die mit jedem Regierungs¬
wechsel ihre Obliegenheiten von neuem lernen müssen. Die parlamentarische
Regierungsform ist eine ausgezeichnete, wenn alles gut geht, der Krieg aber ist
ein ernstes Ding. Alles, was sich organisatorisch auf ihn bezieht, kann
nur durch einen erfahrenen und dauernd an der Spitze stehenden Mann
befriedigend gehandhabt werden, nicht aber durch das Hin- und Herströmen der
Meinungen. Die ganze Leitung der Rüstungen muß unter einer ständigen und
verantwortlichen Spitze ruhen, die nur mit dem Finger auf den Knopf drückt
und augenblicklich alles in Schwingung versetzt". Darauf sprach der Fürst
von dem englischen Unvorbereitetsein auf den Krieg.*) "Krieg," sagte er zu
Richmond. "würde viele eurer internationalen Schwierigkeiten auflösen. Er
würde Klassen und Parteien zusammenbringen. England hat zu viele Kotcrien
und Fraktionen; es ist politisch und religiös zu zersplittert und in die Anarchie
hinabgetaucht. Der Krieg würde England lehren, um des europäischen Friedens
willen eine starke Militärmacht, und zwar nicht so sehr zur See, zu werden.
Die natürliche Allianz ist diejenige zwischen England, Deutschland und Italien.
Diese drei Mächte würden bei dauernder Kriegsbereitschaft den Frieden der Welt
gegen Frankreich und Rußland verbürgen. Im Falle des Krieges mit Frankreich
und Rußland könnten wir drei Millionen ins Feld stellen, eine Million gegen
die russische, eine Million gegen die französische Grenze und eine Million
Reserven. Wir könnten schließlich sogar vier Millionen an Reserven aufbringen;
und," fügte der Kanzler leise, in starker Bewegung hinzu, "ich glaube, daß,
wenn nicht Gott selbst die französischen Streitkräfte im nächsten Kriege befehligt,
Deutschland siegreich sein muß."

"Mein Urgroßvater wurde in den Franzosenkämpfen Friedrich des Großen
getötet, mein Großvater focht gegen die Franzosen 1792, mein Vater 1815 und
ich kämpfe gegen sie seit 1870."

Richmond teilt uns weiter mit. daß Bismarck für die französische Nation
Verachtung empfand, während er Napoleon für einen angenehmen und kourtoisie-
vollen Mann hielt, auf den jedoch die Kaiserin infolge ihrer katholischen
Neigungen einen schlechten und für den Staat gefährlichen Einfluß ausübe.
"Napoleon hat ein gutes Herz, aber er ließ sich zu leicht durch Frauen beein¬
flussen. Daß ist ein großer Fehler; Frauen und die ernsten Tatsachen des
Lebens werden niemals zu einander gelangen."

Indem der Fürst auf die russischen Pläne im Osten überging, sagte er zuver¬
sichtlich: "Rußlands Absichten gehen zum Persischen Golf. Es will Persien



*) Aus dem folgenden erhellt, daß der Fürst hier nur den Krieg gegen Frankreich bzw.
Rußland im Auge hatte.
Neue Bismarckgespräche

Von besonders aktuellen Interesse sind dann Bismarcks Äußerungen über
den Parlamentarismus. „Warum," so fragte er Richmond, „haben die Engländer
keinen ständigen Kriegsminister, der nicht mit jedem Ministerium wechselt?"
und fuhr daran anschließend fort: „Alle Dinge in England scheinen durch
Amateure und nicht durch Spezialisten geregelt zu sein, die mit jedem Regierungs¬
wechsel ihre Obliegenheiten von neuem lernen müssen. Die parlamentarische
Regierungsform ist eine ausgezeichnete, wenn alles gut geht, der Krieg aber ist
ein ernstes Ding. Alles, was sich organisatorisch auf ihn bezieht, kann
nur durch einen erfahrenen und dauernd an der Spitze stehenden Mann
befriedigend gehandhabt werden, nicht aber durch das Hin- und Herströmen der
Meinungen. Die ganze Leitung der Rüstungen muß unter einer ständigen und
verantwortlichen Spitze ruhen, die nur mit dem Finger auf den Knopf drückt
und augenblicklich alles in Schwingung versetzt". Darauf sprach der Fürst
von dem englischen Unvorbereitetsein auf den Krieg.*) „Krieg," sagte er zu
Richmond. „würde viele eurer internationalen Schwierigkeiten auflösen. Er
würde Klassen und Parteien zusammenbringen. England hat zu viele Kotcrien
und Fraktionen; es ist politisch und religiös zu zersplittert und in die Anarchie
hinabgetaucht. Der Krieg würde England lehren, um des europäischen Friedens
willen eine starke Militärmacht, und zwar nicht so sehr zur See, zu werden.
Die natürliche Allianz ist diejenige zwischen England, Deutschland und Italien.
Diese drei Mächte würden bei dauernder Kriegsbereitschaft den Frieden der Welt
gegen Frankreich und Rußland verbürgen. Im Falle des Krieges mit Frankreich
und Rußland könnten wir drei Millionen ins Feld stellen, eine Million gegen
die russische, eine Million gegen die französische Grenze und eine Million
Reserven. Wir könnten schließlich sogar vier Millionen an Reserven aufbringen;
und," fügte der Kanzler leise, in starker Bewegung hinzu, „ich glaube, daß,
wenn nicht Gott selbst die französischen Streitkräfte im nächsten Kriege befehligt,
Deutschland siegreich sein muß."

„Mein Urgroßvater wurde in den Franzosenkämpfen Friedrich des Großen
getötet, mein Großvater focht gegen die Franzosen 1792, mein Vater 1815 und
ich kämpfe gegen sie seit 1870."

Richmond teilt uns weiter mit. daß Bismarck für die französische Nation
Verachtung empfand, während er Napoleon für einen angenehmen und kourtoisie-
vollen Mann hielt, auf den jedoch die Kaiserin infolge ihrer katholischen
Neigungen einen schlechten und für den Staat gefährlichen Einfluß ausübe.
„Napoleon hat ein gutes Herz, aber er ließ sich zu leicht durch Frauen beein¬
flussen. Daß ist ein großer Fehler; Frauen und die ernsten Tatsachen des
Lebens werden niemals zu einander gelangen."

Indem der Fürst auf die russischen Pläne im Osten überging, sagte er zuver¬
sichtlich: „Rußlands Absichten gehen zum Persischen Golf. Es will Persien



*) Aus dem folgenden erhellt, daß der Fürst hier nur den Krieg gegen Frankreich bzw.
Rußland im Auge hatte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/152>, abgerufen am 02.07.2024.