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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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planen und Wallonen

es wirklich vertragsmäßig verpflichtet sein sollte, England seine Flotte und
Armee zu Hilfe zu schicken, sehr leicht machen, Angola recht billig los zu
werden! Wir hatten zwar im Sinn gehabt, diese westafrikanische Kolonie
anzukaufen, aber besser wäre es, wir hätten gar nichts dafür zu bezahlen und
ließen uns die Azoren, die Cap Verde-Jnseln und Madeira noch dazu geben.
Dagegen wollen wir in Europa hübsch vorsichtig sein und erst nach reiflichster
Überlegung neue Reichsländer schaffen, namentlich dort, wo widerstrebende
Elemente erst nach unendlich zäher Arbeit zu der Ansicht zu bekehren
wären, daß es sich unter deutschem Szepter, auch in einem Militärstaat,
so lautet ja unsere Aushängemarke, gut leben läßt. Gewiß darf keine
zu zartfühlende äußere Politik bei uns Platz greifen. Eine starke Zeit bedarf
auch einer derben Faust. Wir sahen, wie sie gegen Verlogenheit und Falschheit
schlagfertig aus der Tasche fuhr und aufräumte. Wir erwarten, daß sie auch
bei den kommenden diplomatischen Verhandlungen, wo die aalglatte Geschmeidigkeit
der fremdländischen Unterhändler, das Hervorkramen und Auftischen von ver¬
logenen Anklagen gegen unser Zugreifen sich nochmals in vollem Glänze zeigen
wird, bismarckisch auf den grünen Tisch niederfährt und die Tintenfässer tanzen
läßt, gibt man uns nicht, was uns zukommt, was uns, nach unserer Meinung,
für einen dauernden Frieden notwendig ist. Alles das ist selbstverständlich und
muß so sein. Dagegen sollte für eine Staatenneubildung der Grundsatz der
Gleichstellung ebenso in das Gewicht fallen wie der der Unterstellung, der der
Angliederung mehr wie der der Eingliederung. Das bundesstaatliche Prinzip,
trotzdem es sich schon vierundvierzig Jahre bei uns bewährt und in der Stunde
höchster Gefahr als zuverlässig erwiesen hat, ist vielen von uns trotzdem noch
zu neu; es war bisher noch nicht imstande, den immer wieder auftauchenden
chauvinistischen Gelüsten auf Länderzuwachs die Schärfe zu nehmen. Wir haben
diesmal das Glück, eine uns hoch interessierende Rassenfrage, die vlämische, schlichten,
politische mit geographischen Grenzen in natürlichen Einklang bringen zu können. Wir
kennen nun ungefähr die Elemente, die bei dieser Lösung mitzusprechen haben, und
werden sie im engeren Verkehr mit den Vlamen noch weiter erforschen können. Diese
sind im freundlichen Sinne von uns leicht zu leiten, sobald wir ihnen ihre politischen
Freiheiten und eine Hand in Hand mit uns arbeitende staatliche Selbständigkeit,
eine wirkliche, nicht nur eine scheinbare belassen, wenn wir ihnen den Schutz
des Starken im Austausche mit wirtschaftlichen und sozialen Konzessionen
gewähren werden. Sie sind dagegen störrisch und explosiver Natur, sobald wir
ihnen ihre politischen Freiheiten direkt beschneiden wollten. Der Kluge kann
auch die Welt regieren, ohne ihr Unterjocher zu sein. Diesen Grundsatz suchten
wir bereits auf wirtschaftlichem Gebiete mit Erfolg zu verwirklichen, der englische
Neid jedoch schob uns andere Beweggründe unter und stempelte uns zu beutelustigen,
gewissenlosen Eroberern. Wir wollen auch nach demKriege auf diesem Wege des guten
Gewissens und offenen Visiers weiter schreiten, müssen aber noch mehr wie zuvor der
nüchternen Überlegung unser Ohr leihen, ehe wir folgenschwere Entschlüsse fassen.




planen und Wallonen

es wirklich vertragsmäßig verpflichtet sein sollte, England seine Flotte und
Armee zu Hilfe zu schicken, sehr leicht machen, Angola recht billig los zu
werden! Wir hatten zwar im Sinn gehabt, diese westafrikanische Kolonie
anzukaufen, aber besser wäre es, wir hätten gar nichts dafür zu bezahlen und
ließen uns die Azoren, die Cap Verde-Jnseln und Madeira noch dazu geben.
Dagegen wollen wir in Europa hübsch vorsichtig sein und erst nach reiflichster
Überlegung neue Reichsländer schaffen, namentlich dort, wo widerstrebende
Elemente erst nach unendlich zäher Arbeit zu der Ansicht zu bekehren
wären, daß es sich unter deutschem Szepter, auch in einem Militärstaat,
so lautet ja unsere Aushängemarke, gut leben läßt. Gewiß darf keine
zu zartfühlende äußere Politik bei uns Platz greifen. Eine starke Zeit bedarf
auch einer derben Faust. Wir sahen, wie sie gegen Verlogenheit und Falschheit
schlagfertig aus der Tasche fuhr und aufräumte. Wir erwarten, daß sie auch
bei den kommenden diplomatischen Verhandlungen, wo die aalglatte Geschmeidigkeit
der fremdländischen Unterhändler, das Hervorkramen und Auftischen von ver¬
logenen Anklagen gegen unser Zugreifen sich nochmals in vollem Glänze zeigen
wird, bismarckisch auf den grünen Tisch niederfährt und die Tintenfässer tanzen
läßt, gibt man uns nicht, was uns zukommt, was uns, nach unserer Meinung,
für einen dauernden Frieden notwendig ist. Alles das ist selbstverständlich und
muß so sein. Dagegen sollte für eine Staatenneubildung der Grundsatz der
Gleichstellung ebenso in das Gewicht fallen wie der der Unterstellung, der der
Angliederung mehr wie der der Eingliederung. Das bundesstaatliche Prinzip,
trotzdem es sich schon vierundvierzig Jahre bei uns bewährt und in der Stunde
höchster Gefahr als zuverlässig erwiesen hat, ist vielen von uns trotzdem noch
zu neu; es war bisher noch nicht imstande, den immer wieder auftauchenden
chauvinistischen Gelüsten auf Länderzuwachs die Schärfe zu nehmen. Wir haben
diesmal das Glück, eine uns hoch interessierende Rassenfrage, die vlämische, schlichten,
politische mit geographischen Grenzen in natürlichen Einklang bringen zu können. Wir
kennen nun ungefähr die Elemente, die bei dieser Lösung mitzusprechen haben, und
werden sie im engeren Verkehr mit den Vlamen noch weiter erforschen können. Diese
sind im freundlichen Sinne von uns leicht zu leiten, sobald wir ihnen ihre politischen
Freiheiten und eine Hand in Hand mit uns arbeitende staatliche Selbständigkeit,
eine wirkliche, nicht nur eine scheinbare belassen, wenn wir ihnen den Schutz
des Starken im Austausche mit wirtschaftlichen und sozialen Konzessionen
gewähren werden. Sie sind dagegen störrisch und explosiver Natur, sobald wir
ihnen ihre politischen Freiheiten direkt beschneiden wollten. Der Kluge kann
auch die Welt regieren, ohne ihr Unterjocher zu sein. Diesen Grundsatz suchten
wir bereits auf wirtschaftlichem Gebiete mit Erfolg zu verwirklichen, der englische
Neid jedoch schob uns andere Beweggründe unter und stempelte uns zu beutelustigen,
gewissenlosen Eroberern. Wir wollen auch nach demKriege auf diesem Wege des guten
Gewissens und offenen Visiers weiter schreiten, müssen aber noch mehr wie zuvor der
nüchternen Überlegung unser Ohr leihen, ehe wir folgenschwere Entschlüsse fassen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/126>, abgerufen am 02.07.2024.