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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Weltwirtschaft und Weltkrieg

plumpe nordische Riese nicht mehr zurückzuhalten. Die Leidenschaft verdrängte
die kühlere Staatskunst, roh und täppisch schlug der Koloß los, seine Ver¬
bündeten mit sich reißend.

Vernichtungskampf gegen eine friedliebende blühende Nation. Gegen das
Mutterland einer Rasse, gegen das Volk, das der Welt Kulturgüter geschenkt
hat wie kein zweites.

Aber da kam das unvergleichlich große erhebende weltgeschichtliche Schauspiel,
daß dies Volk, das ganz in der Arbeit um die Gewinnung seines täglichen
Brotes auszugehen schien, zeigte, daß es beim harten Lebenskampfe seelisch nicht
verkümmert sondern gewachsen war, daß Begeisterung, ungeahnte sittliche Kraft,
glühende Vaterlandsliebe alle Schichten der Nation einte. Nicht hochtönende
Phrasen, sondern Pflichtgefühl, mannhafter Opfermut, nicht das Flackerfeuer einer
künstlich geschürten Aufwallung, sondern Vertrauen zu Gott und in die Zukunft
der Nation, Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und das reine Gewissen des Kampfes
für die gute Sache, für die freventlich bedrohte Existenz eines großen Volkes:
das alles brachte das Gute, Edle und Starke, das in diesem alten ruhmreichen
Volke schlummerte, zu herrlichem Erwachen.

Und dann zeigte es sich, daß nicht die Zahl der Bajonette das Schicksal
der Welt bestimmt, sondern der Geist, der den Arm beherrscht, der sie führt.

Tausende haben Blut und Leben geopfert, Tausende werden es noch opfern
müssen, bevor das große Ringen zur Entscheidung kommt. Aber dann wollen
wir das Ziel ehren, für das so viele starben: Deutschlands sichere staatliche
Existenz und dauerhafter Frieden für unsere Kinder und Kindeskinder. Wir
wollen nicht ruhen, bis die vernichtet sind, deren Habsucht und Übermut uns
diesen Kampf aufgezwungen haben. Wir wollen nicht erobern, aber den künftigen
Frieden sichern. Frankreich wird uns nach diesem Kriege nicht mehr gefährlich werden,
die wahren Feinde sind das mißgünstige Albion und der ungeschlachte barbarische
Koloß im Osten. Nur nach deren Fall kann eine neue Welt des Friedens und
der Zivilisation erwachen. Es ist unsere heilige Pflicht, dies als das Vermächtnis
unserer Toten zu erkennen und nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis wir es
erfüllt haben.




Weltwirtschaft und Weltkrieg

plumpe nordische Riese nicht mehr zurückzuhalten. Die Leidenschaft verdrängte
die kühlere Staatskunst, roh und täppisch schlug der Koloß los, seine Ver¬
bündeten mit sich reißend.

Vernichtungskampf gegen eine friedliebende blühende Nation. Gegen das
Mutterland einer Rasse, gegen das Volk, das der Welt Kulturgüter geschenkt
hat wie kein zweites.

Aber da kam das unvergleichlich große erhebende weltgeschichtliche Schauspiel,
daß dies Volk, das ganz in der Arbeit um die Gewinnung seines täglichen
Brotes auszugehen schien, zeigte, daß es beim harten Lebenskampfe seelisch nicht
verkümmert sondern gewachsen war, daß Begeisterung, ungeahnte sittliche Kraft,
glühende Vaterlandsliebe alle Schichten der Nation einte. Nicht hochtönende
Phrasen, sondern Pflichtgefühl, mannhafter Opfermut, nicht das Flackerfeuer einer
künstlich geschürten Aufwallung, sondern Vertrauen zu Gott und in die Zukunft
der Nation, Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und das reine Gewissen des Kampfes
für die gute Sache, für die freventlich bedrohte Existenz eines großen Volkes:
das alles brachte das Gute, Edle und Starke, das in diesem alten ruhmreichen
Volke schlummerte, zu herrlichem Erwachen.

Und dann zeigte es sich, daß nicht die Zahl der Bajonette das Schicksal
der Welt bestimmt, sondern der Geist, der den Arm beherrscht, der sie führt.

Tausende haben Blut und Leben geopfert, Tausende werden es noch opfern
müssen, bevor das große Ringen zur Entscheidung kommt. Aber dann wollen
wir das Ziel ehren, für das so viele starben: Deutschlands sichere staatliche
Existenz und dauerhafter Frieden für unsere Kinder und Kindeskinder. Wir
wollen nicht ruhen, bis die vernichtet sind, deren Habsucht und Übermut uns
diesen Kampf aufgezwungen haben. Wir wollen nicht erobern, aber den künftigen
Frieden sichern. Frankreich wird uns nach diesem Kriege nicht mehr gefährlich werden,
die wahren Feinde sind das mißgünstige Albion und der ungeschlachte barbarische
Koloß im Osten. Nur nach deren Fall kann eine neue Welt des Friedens und
der Zivilisation erwachen. Es ist unsere heilige Pflicht, dies als das Vermächtnis
unserer Toten zu erkennen und nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis wir es
erfüllt haben.




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[0118] Weltwirtschaft und Weltkrieg plumpe nordische Riese nicht mehr zurückzuhalten. Die Leidenschaft verdrängte die kühlere Staatskunst, roh und täppisch schlug der Koloß los, seine Ver¬ bündeten mit sich reißend. Vernichtungskampf gegen eine friedliebende blühende Nation. Gegen das Mutterland einer Rasse, gegen das Volk, das der Welt Kulturgüter geschenkt hat wie kein zweites. Aber da kam das unvergleichlich große erhebende weltgeschichtliche Schauspiel, daß dies Volk, das ganz in der Arbeit um die Gewinnung seines täglichen Brotes auszugehen schien, zeigte, daß es beim harten Lebenskampfe seelisch nicht verkümmert sondern gewachsen war, daß Begeisterung, ungeahnte sittliche Kraft, glühende Vaterlandsliebe alle Schichten der Nation einte. Nicht hochtönende Phrasen, sondern Pflichtgefühl, mannhafter Opfermut, nicht das Flackerfeuer einer künstlich geschürten Aufwallung, sondern Vertrauen zu Gott und in die Zukunft der Nation, Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und das reine Gewissen des Kampfes für die gute Sache, für die freventlich bedrohte Existenz eines großen Volkes: das alles brachte das Gute, Edle und Starke, das in diesem alten ruhmreichen Volke schlummerte, zu herrlichem Erwachen. Und dann zeigte es sich, daß nicht die Zahl der Bajonette das Schicksal der Welt bestimmt, sondern der Geist, der den Arm beherrscht, der sie führt. Tausende haben Blut und Leben geopfert, Tausende werden es noch opfern müssen, bevor das große Ringen zur Entscheidung kommt. Aber dann wollen wir das Ziel ehren, für das so viele starben: Deutschlands sichere staatliche Existenz und dauerhafter Frieden für unsere Kinder und Kindeskinder. Wir wollen nicht ruhen, bis die vernichtet sind, deren Habsucht und Übermut uns diesen Kampf aufgezwungen haben. Wir wollen nicht erobern, aber den künftigen Frieden sichern. Frankreich wird uns nach diesem Kriege nicht mehr gefährlich werden, die wahren Feinde sind das mißgünstige Albion und der ungeschlachte barbarische Koloß im Osten. Nur nach deren Fall kann eine neue Welt des Friedens und der Zivilisation erwachen. Es ist unsere heilige Pflicht, dies als das Vermächtnis unserer Toten zu erkennen und nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis wir es erfüllt haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/118>, abgerufen am 02.07.2024.