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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Uricg und Wirtschaft

aus einer öffentlichen Kasse Geld zu bekommen, und sind sie dadurch vor
Wucherern und Leuten bewahrt, die ihre Notlage nur ausbeuten würden.

Es fragt sich nun, ob alle diese Maßregeln ausreichend sind und die
Einführung eines allgemeinen Moratoriums überflüssig machen. Sie reichen in
der Tat aus. Selbstverständlich wird es im großen deutschen Reiche eine Reihe
von Existenzen geben, die den wirtschaftlichen Kampf in der jetzigen schweren
Zeit nicht durchhalten werden, ja es werden sogar viele Personen dadurch ruiniert
werden, daß ihre Schuldner die Vorteile der oben auseinander gesetzten Schutz¬
vorschriften genießen, während sie dieses Vorteiles nicht teilhaftig und von ihren
Gläubigern in Anspruch genommen werden. Viele werden dann, weil ihnen
die erforderlichen Mittel von ihren Schuldnern nicht zufließen, ihre Gläubiger
nicht befriedigen können und auch nicht durch gerichtliche Geschäftsaufsicht vor
dem Zusammenbruch bewahrt bleiben. In allen solchen Fällen wird aber
die Grundlage des Geschäfts von vornherein keine gesunde sein. Der lange
Frieden und der wirtschaftliche Aufschwung, den Deutschland gerade infolge des
über 40jährigen Friedens hat nehmen können, hat naturgemäß eine Reihe von
Existenzen gezeitigt, die im Kartenhause sitzen und bei denen es nur eines
geringen wirtschaftlichen Ansturmes bedarf, um sie zu Fall zu bringen. Solche
Existenzen könnten natürlich auch nicht gehalten werden, wenn noch weitere
Schutzgesetze erlassen werden, ja selbst dann nicht, wenn ein allgemeines Mora¬
torium eingeführt würde; denn auch dieses wird mit der Zeit ein Ende erreichen.
Dann aber werden die Schulden derartiger Personen, insbesondere durch die
hinzukommenden Zinsen eine solche Höhe erreicht haben, daß ihnen ihre Zahlung
erst recht unmöglich wird. Für solche Existenzen würde das Moratorium
im günstigsten Falle nur einen Aufschub des wirtschaftlichen Zusammenbruches
bedeuten, der ganz unvermeidlich doch einmal eintreten würde.

Wenn man also bei der Frage eines Moratoriums das Für und Wider
gegeneinander abwägt, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß es eines
allgemeinen Moratoriums nicht bedarf; im Gegenteil, dieses würde geradezu
den wirtschaftlichen Zusammenbruch nicht nur einzelner Existenzen, sondern der
Allgemeinheit zur Folge haben.




Uricg und Wirtschaft

aus einer öffentlichen Kasse Geld zu bekommen, und sind sie dadurch vor
Wucherern und Leuten bewahrt, die ihre Notlage nur ausbeuten würden.

Es fragt sich nun, ob alle diese Maßregeln ausreichend sind und die
Einführung eines allgemeinen Moratoriums überflüssig machen. Sie reichen in
der Tat aus. Selbstverständlich wird es im großen deutschen Reiche eine Reihe
von Existenzen geben, die den wirtschaftlichen Kampf in der jetzigen schweren
Zeit nicht durchhalten werden, ja es werden sogar viele Personen dadurch ruiniert
werden, daß ihre Schuldner die Vorteile der oben auseinander gesetzten Schutz¬
vorschriften genießen, während sie dieses Vorteiles nicht teilhaftig und von ihren
Gläubigern in Anspruch genommen werden. Viele werden dann, weil ihnen
die erforderlichen Mittel von ihren Schuldnern nicht zufließen, ihre Gläubiger
nicht befriedigen können und auch nicht durch gerichtliche Geschäftsaufsicht vor
dem Zusammenbruch bewahrt bleiben. In allen solchen Fällen wird aber
die Grundlage des Geschäfts von vornherein keine gesunde sein. Der lange
Frieden und der wirtschaftliche Aufschwung, den Deutschland gerade infolge des
über 40jährigen Friedens hat nehmen können, hat naturgemäß eine Reihe von
Existenzen gezeitigt, die im Kartenhause sitzen und bei denen es nur eines
geringen wirtschaftlichen Ansturmes bedarf, um sie zu Fall zu bringen. Solche
Existenzen könnten natürlich auch nicht gehalten werden, wenn noch weitere
Schutzgesetze erlassen werden, ja selbst dann nicht, wenn ein allgemeines Mora¬
torium eingeführt würde; denn auch dieses wird mit der Zeit ein Ende erreichen.
Dann aber werden die Schulden derartiger Personen, insbesondere durch die
hinzukommenden Zinsen eine solche Höhe erreicht haben, daß ihnen ihre Zahlung
erst recht unmöglich wird. Für solche Existenzen würde das Moratorium
im günstigsten Falle nur einen Aufschub des wirtschaftlichen Zusammenbruches
bedeuten, der ganz unvermeidlich doch einmal eintreten würde.

Wenn man also bei der Frage eines Moratoriums das Für und Wider
gegeneinander abwägt, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß es eines
allgemeinen Moratoriums nicht bedarf; im Gegenteil, dieses würde geradezu
den wirtschaftlichen Zusammenbruch nicht nur einzelner Existenzen, sondern der
Allgemeinheit zur Folge haben.




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[0446] Uricg und Wirtschaft aus einer öffentlichen Kasse Geld zu bekommen, und sind sie dadurch vor Wucherern und Leuten bewahrt, die ihre Notlage nur ausbeuten würden. Es fragt sich nun, ob alle diese Maßregeln ausreichend sind und die Einführung eines allgemeinen Moratoriums überflüssig machen. Sie reichen in der Tat aus. Selbstverständlich wird es im großen deutschen Reiche eine Reihe von Existenzen geben, die den wirtschaftlichen Kampf in der jetzigen schweren Zeit nicht durchhalten werden, ja es werden sogar viele Personen dadurch ruiniert werden, daß ihre Schuldner die Vorteile der oben auseinander gesetzten Schutz¬ vorschriften genießen, während sie dieses Vorteiles nicht teilhaftig und von ihren Gläubigern in Anspruch genommen werden. Viele werden dann, weil ihnen die erforderlichen Mittel von ihren Schuldnern nicht zufließen, ihre Gläubiger nicht befriedigen können und auch nicht durch gerichtliche Geschäftsaufsicht vor dem Zusammenbruch bewahrt bleiben. In allen solchen Fällen wird aber die Grundlage des Geschäfts von vornherein keine gesunde sein. Der lange Frieden und der wirtschaftliche Aufschwung, den Deutschland gerade infolge des über 40jährigen Friedens hat nehmen können, hat naturgemäß eine Reihe von Existenzen gezeitigt, die im Kartenhause sitzen und bei denen es nur eines geringen wirtschaftlichen Ansturmes bedarf, um sie zu Fall zu bringen. Solche Existenzen könnten natürlich auch nicht gehalten werden, wenn noch weitere Schutzgesetze erlassen werden, ja selbst dann nicht, wenn ein allgemeines Mora¬ torium eingeführt würde; denn auch dieses wird mit der Zeit ein Ende erreichen. Dann aber werden die Schulden derartiger Personen, insbesondere durch die hinzukommenden Zinsen eine solche Höhe erreicht haben, daß ihnen ihre Zahlung erst recht unmöglich wird. Für solche Existenzen würde das Moratorium im günstigsten Falle nur einen Aufschub des wirtschaftlichen Zusammenbruches bedeuten, der ganz unvermeidlich doch einmal eintreten würde. Wenn man also bei der Frage eines Moratoriums das Für und Wider gegeneinander abwägt, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß es eines allgemeinen Moratoriums nicht bedarf; im Gegenteil, dieses würde geradezu den wirtschaftlichen Zusammenbruch nicht nur einzelner Existenzen, sondern der Allgemeinheit zur Folge haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/446>, abgerufen am 28.07.2024.