Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln

gewerbemuseums geben eine sehr anschauliche Vorstellung von der Art, wie hier
der Schüler von der Besinnung auf die einfachsten Grundgesetze der Flächen¬
teilung, der Wandgliederung, der Farbenzusammenstellung weitergeleitet wird
bis zur sachlich klaren, individuell belebten Lösung umfassender Gestaltungs¬
aufgaben. Viel gediegene Arbeit stellen die Fachschulen für besondere Gewerbe
ans, und zur Abrundung des Gesamtbildes leistet schließlich auch der Zeichen¬
unterricht an Volksschulen und höheren Lehranstalten wertvolle Beiträge. Auf
all diesen Gebieten sind heute viel frische, lebendige Kräfte am Werk, um die
natürlichen Grundlagen künstlerischen Auffassens und Durchbildens zu voller
Bewußtheit herauszuarbeiten.




Der Eindruck, den die Werkbundausstellung schon bei einem ersten Durch¬
wandern erweckt, wird durch eine eingehendere Beschäftigung mit dem Reichtum
ihrer Einzelwerte nur bestätigt und verstärkt: hier haben ein zielklarer Geist
und ein entschlossener Wille einen Organismus von fühlbarer innerer Einheitlichkeit
geschaffen. Und innerhalb des sicher gefügten Gesamtrahmens ist allen den
Kräften, die heute an der Erneuerung und Durchgeistigung der deutschen Werk¬
kunst mitarbeiten, Raum zur Entfaltung gegönnt. Aber eindringlicher noch als
die stattliche Fülle des Erreichten wirkt die tausendfältige Energie des Strebens
und Zielsuchcns, die man im Großen wie im Kleinen durch alle Leistung hin¬
durchspürt und die hinausweist über das bisher Gewonnene.

Wäre es auf den Werkbund allein angekommen, so sähe ja seine Aus¬
stellung heute noch gedrängter, noch gesammelter aus, gewiß zum Vorteil ihrer
Wirkung. Aber die Stadt Köln hatte auch ihr Wort mitzusprechen, und so
wuchs die Ausstellung über den Umfang hinaus, der ihr ursprünglich bestimmt
war, denn als eine räumlich große Darbietung sollte sie ins Leben treten
und ihre Anziehungskraft üben. Und da man den wirtschaftlichen Erfolg nicht
ganz aus den Augen lassen konnte, drang schließlich da und dort doch auch
Mindergutes und Mittelgutes herein. Über solche Erscheinungen läßt sich ohne
viel Kopfschütteln hinwegsehen. Bedenklicher ist es, daß sich von der Industrie
und vom Handel her Elemente in den Werkbund hineingedrängt haben, die
ganz offenbar doch nur aus spekulativer Anpassung ein Stück weit auf seinen
Wegen mitzugehen versuchen. Der Werkbund wird es sich gewiß ernstlich an¬
gelegen sein lassen, solche geschäftstüchtige, bloß äußerliche Nachahmung aus
seiner Gemeinschaft auszuschließen. Die Gefahr ist heute schon vorhanden, daß
ein "Werkbundgenre" aufkommt, mit dem der gutgläubige und nicht eben unter¬
scheidungsfähige Käufer eingefangen werden soll.

Überhaupt wird man über alledem. was in Köln gesammelt, gezeigt und
erwiesen ist, doch keinen Augenblick vergessen dürfen, wie zahlreich und groß
die Gebiete noch sind, auf denen die Arbeit des Werkbundes noch wenig oder
gar keinen Einfluß gewonnen hat, und wieviel auch auf dem schon in Angriff


Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln

gewerbemuseums geben eine sehr anschauliche Vorstellung von der Art, wie hier
der Schüler von der Besinnung auf die einfachsten Grundgesetze der Flächen¬
teilung, der Wandgliederung, der Farbenzusammenstellung weitergeleitet wird
bis zur sachlich klaren, individuell belebten Lösung umfassender Gestaltungs¬
aufgaben. Viel gediegene Arbeit stellen die Fachschulen für besondere Gewerbe
ans, und zur Abrundung des Gesamtbildes leistet schließlich auch der Zeichen¬
unterricht an Volksschulen und höheren Lehranstalten wertvolle Beiträge. Auf
all diesen Gebieten sind heute viel frische, lebendige Kräfte am Werk, um die
natürlichen Grundlagen künstlerischen Auffassens und Durchbildens zu voller
Bewußtheit herauszuarbeiten.




Der Eindruck, den die Werkbundausstellung schon bei einem ersten Durch¬
wandern erweckt, wird durch eine eingehendere Beschäftigung mit dem Reichtum
ihrer Einzelwerte nur bestätigt und verstärkt: hier haben ein zielklarer Geist
und ein entschlossener Wille einen Organismus von fühlbarer innerer Einheitlichkeit
geschaffen. Und innerhalb des sicher gefügten Gesamtrahmens ist allen den
Kräften, die heute an der Erneuerung und Durchgeistigung der deutschen Werk¬
kunst mitarbeiten, Raum zur Entfaltung gegönnt. Aber eindringlicher noch als
die stattliche Fülle des Erreichten wirkt die tausendfältige Energie des Strebens
und Zielsuchcns, die man im Großen wie im Kleinen durch alle Leistung hin¬
durchspürt und die hinausweist über das bisher Gewonnene.

Wäre es auf den Werkbund allein angekommen, so sähe ja seine Aus¬
stellung heute noch gedrängter, noch gesammelter aus, gewiß zum Vorteil ihrer
Wirkung. Aber die Stadt Köln hatte auch ihr Wort mitzusprechen, und so
wuchs die Ausstellung über den Umfang hinaus, der ihr ursprünglich bestimmt
war, denn als eine räumlich große Darbietung sollte sie ins Leben treten
und ihre Anziehungskraft üben. Und da man den wirtschaftlichen Erfolg nicht
ganz aus den Augen lassen konnte, drang schließlich da und dort doch auch
Mindergutes und Mittelgutes herein. Über solche Erscheinungen läßt sich ohne
viel Kopfschütteln hinwegsehen. Bedenklicher ist es, daß sich von der Industrie
und vom Handel her Elemente in den Werkbund hineingedrängt haben, die
ganz offenbar doch nur aus spekulativer Anpassung ein Stück weit auf seinen
Wegen mitzugehen versuchen. Der Werkbund wird es sich gewiß ernstlich an¬
gelegen sein lassen, solche geschäftstüchtige, bloß äußerliche Nachahmung aus
seiner Gemeinschaft auszuschließen. Die Gefahr ist heute schon vorhanden, daß
ein „Werkbundgenre" aufkommt, mit dem der gutgläubige und nicht eben unter¬
scheidungsfähige Käufer eingefangen werden soll.

Überhaupt wird man über alledem. was in Köln gesammelt, gezeigt und
erwiesen ist, doch keinen Augenblick vergessen dürfen, wie zahlreich und groß
die Gebiete noch sind, auf denen die Arbeit des Werkbundes noch wenig oder
gar keinen Einfluß gewonnen hat, und wieviel auch auf dem schon in Angriff


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328968"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_771" prev="#ID_770"> gewerbemuseums geben eine sehr anschauliche Vorstellung von der Art, wie hier<lb/>
der Schüler von der Besinnung auf die einfachsten Grundgesetze der Flächen¬<lb/>
teilung, der Wandgliederung, der Farbenzusammenstellung weitergeleitet wird<lb/>
bis zur sachlich klaren, individuell belebten Lösung umfassender Gestaltungs¬<lb/>
aufgaben. Viel gediegene Arbeit stellen die Fachschulen für besondere Gewerbe<lb/>
ans, und zur Abrundung des Gesamtbildes leistet schließlich auch der Zeichen¬<lb/>
unterricht an Volksschulen und höheren Lehranstalten wertvolle Beiträge. Auf<lb/>
all diesen Gebieten sind heute viel frische, lebendige Kräfte am Werk, um die<lb/>
natürlichen Grundlagen künstlerischen Auffassens und Durchbildens zu voller<lb/>
Bewußtheit herauszuarbeiten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_772"> Der Eindruck, den die Werkbundausstellung schon bei einem ersten Durch¬<lb/>
wandern erweckt, wird durch eine eingehendere Beschäftigung mit dem Reichtum<lb/>
ihrer Einzelwerte nur bestätigt und verstärkt: hier haben ein zielklarer Geist<lb/>
und ein entschlossener Wille einen Organismus von fühlbarer innerer Einheitlichkeit<lb/>
geschaffen. Und innerhalb des sicher gefügten Gesamtrahmens ist allen den<lb/>
Kräften, die heute an der Erneuerung und Durchgeistigung der deutschen Werk¬<lb/>
kunst mitarbeiten, Raum zur Entfaltung gegönnt. Aber eindringlicher noch als<lb/>
die stattliche Fülle des Erreichten wirkt die tausendfältige Energie des Strebens<lb/>
und Zielsuchcns, die man im Großen wie im Kleinen durch alle Leistung hin¬<lb/>
durchspürt und die hinausweist über das bisher Gewonnene.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_773"> Wäre es auf den Werkbund allein angekommen, so sähe ja seine Aus¬<lb/>
stellung heute noch gedrängter, noch gesammelter aus, gewiß zum Vorteil ihrer<lb/>
Wirkung. Aber die Stadt Köln hatte auch ihr Wort mitzusprechen, und so<lb/>
wuchs die Ausstellung über den Umfang hinaus, der ihr ursprünglich bestimmt<lb/>
war, denn als eine räumlich große Darbietung sollte sie ins Leben treten<lb/>
und ihre Anziehungskraft üben. Und da man den wirtschaftlichen Erfolg nicht<lb/>
ganz aus den Augen lassen konnte, drang schließlich da und dort doch auch<lb/>
Mindergutes und Mittelgutes herein. Über solche Erscheinungen läßt sich ohne<lb/>
viel Kopfschütteln hinwegsehen. Bedenklicher ist es, daß sich von der Industrie<lb/>
und vom Handel her Elemente in den Werkbund hineingedrängt haben, die<lb/>
ganz offenbar doch nur aus spekulativer Anpassung ein Stück weit auf seinen<lb/>
Wegen mitzugehen versuchen. Der Werkbund wird es sich gewiß ernstlich an¬<lb/>
gelegen sein lassen, solche geschäftstüchtige, bloß äußerliche Nachahmung aus<lb/>
seiner Gemeinschaft auszuschließen. Die Gefahr ist heute schon vorhanden, daß<lb/>
ein &#x201E;Werkbundgenre" aufkommt, mit dem der gutgläubige und nicht eben unter¬<lb/>
scheidungsfähige Käufer eingefangen werden soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_774" next="#ID_775"> Überhaupt wird man über alledem. was in Köln gesammelt, gezeigt und<lb/>
erwiesen ist, doch keinen Augenblick vergessen dürfen, wie zahlreich und groß<lb/>
die Gebiete noch sind, auf denen die Arbeit des Werkbundes noch wenig oder<lb/>
gar keinen Einfluß gewonnen hat, und wieviel auch auf dem schon in Angriff</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0234] Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln gewerbemuseums geben eine sehr anschauliche Vorstellung von der Art, wie hier der Schüler von der Besinnung auf die einfachsten Grundgesetze der Flächen¬ teilung, der Wandgliederung, der Farbenzusammenstellung weitergeleitet wird bis zur sachlich klaren, individuell belebten Lösung umfassender Gestaltungs¬ aufgaben. Viel gediegene Arbeit stellen die Fachschulen für besondere Gewerbe ans, und zur Abrundung des Gesamtbildes leistet schließlich auch der Zeichen¬ unterricht an Volksschulen und höheren Lehranstalten wertvolle Beiträge. Auf all diesen Gebieten sind heute viel frische, lebendige Kräfte am Werk, um die natürlichen Grundlagen künstlerischen Auffassens und Durchbildens zu voller Bewußtheit herauszuarbeiten. Der Eindruck, den die Werkbundausstellung schon bei einem ersten Durch¬ wandern erweckt, wird durch eine eingehendere Beschäftigung mit dem Reichtum ihrer Einzelwerte nur bestätigt und verstärkt: hier haben ein zielklarer Geist und ein entschlossener Wille einen Organismus von fühlbarer innerer Einheitlichkeit geschaffen. Und innerhalb des sicher gefügten Gesamtrahmens ist allen den Kräften, die heute an der Erneuerung und Durchgeistigung der deutschen Werk¬ kunst mitarbeiten, Raum zur Entfaltung gegönnt. Aber eindringlicher noch als die stattliche Fülle des Erreichten wirkt die tausendfältige Energie des Strebens und Zielsuchcns, die man im Großen wie im Kleinen durch alle Leistung hin¬ durchspürt und die hinausweist über das bisher Gewonnene. Wäre es auf den Werkbund allein angekommen, so sähe ja seine Aus¬ stellung heute noch gedrängter, noch gesammelter aus, gewiß zum Vorteil ihrer Wirkung. Aber die Stadt Köln hatte auch ihr Wort mitzusprechen, und so wuchs die Ausstellung über den Umfang hinaus, der ihr ursprünglich bestimmt war, denn als eine räumlich große Darbietung sollte sie ins Leben treten und ihre Anziehungskraft üben. Und da man den wirtschaftlichen Erfolg nicht ganz aus den Augen lassen konnte, drang schließlich da und dort doch auch Mindergutes und Mittelgutes herein. Über solche Erscheinungen läßt sich ohne viel Kopfschütteln hinwegsehen. Bedenklicher ist es, daß sich von der Industrie und vom Handel her Elemente in den Werkbund hineingedrängt haben, die ganz offenbar doch nur aus spekulativer Anpassung ein Stück weit auf seinen Wegen mitzugehen versuchen. Der Werkbund wird es sich gewiß ernstlich an¬ gelegen sein lassen, solche geschäftstüchtige, bloß äußerliche Nachahmung aus seiner Gemeinschaft auszuschließen. Die Gefahr ist heute schon vorhanden, daß ein „Werkbundgenre" aufkommt, mit dem der gutgläubige und nicht eben unter¬ scheidungsfähige Käufer eingefangen werden soll. Überhaupt wird man über alledem. was in Köln gesammelt, gezeigt und erwiesen ist, doch keinen Augenblick vergessen dürfen, wie zahlreich und groß die Gebiete noch sind, auf denen die Arbeit des Werkbundes noch wenig oder gar keinen Einfluß gewonnen hat, und wieviel auch auf dem schon in Angriff

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/234
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/234>, abgerufen am 27.07.2024.