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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Heißer Tag

genommenen Boden noch zu tun bleibt. Da steht freilich reizvolles Hotelgeschirr
von Niemever und von Niemerschmid in den Glasschränken -- aber wie oft
wird man auch nur dem Ähnliches heute schon im Gebrauch finden? Und auf eine
kräftig klare Türklinke von Bruno Paul kommen Millionen und Abermillionen
elender, blechverlleideter, auf ein metallisches Aussehen herausgeschminkter Eisen¬
griffe. Man weiß es im Werkbund selbst sicher am allerbesten, wie unendlich
umfassend die Aufgaben sind, die es noch zu lösen gilt, wenn eine Veredelung
der gewerblichen Arbeit mit der Zeit wirklich überall in Deutschland sich durch¬
setzen soll. Hoffentlich bedeutet die Kölner Ausstellung gerade nach dieser
Richtung hin einen kräftigen Schritt vorwärts und übt durch die Geschlossenheit,
den Ernst und den Wert des Schaffens, das sie vor Augen führt, eine nach¬
haltige, aneifernde und fördernde Wirkung.




Heißer Tag
Skizze
von Hans Werner Tannheim
Der Morgen

onnenglut, tiefblauer Himmel. Seit Wochen kein Regen; auf den
durstigen Feldern brütet flimmernde Luft.

Das war ein scharfer Manövertag heute; nun rücken sie ab
ins Quartier, die Grenadiere vom Königsregiment. Leutnant
von Tötung muß mit seinem Zuge nach Neudorf; er hat den
weitesten Weg bis zur Ruhstatt. An der Landstraße steht manches Weiblein:
"Die armen Soldaten!" murmeln die, "und, ach, der Leutnant; daß sich Gott
erbarme, so jung, ein Kind fast. Was will der dem König? -- Sein Leben?
Pah, der, so jung!"

Gelber Wegstaub bedeckt die Soldaten und überzieht die erhitzten Gesichter.
Hohläugig, stumpfen Blickes marschieren sie. -- Da sinkt ein Gewehr zu Boden.
Einer Mutter Sohn fällt schwer drüber hin. Mag er, was kümmert's die
anderen in ihrer Not, die ziehen weiter; 's sind ja schon viele Grenadiere ge¬
fallen vom Königsregiment.

"Sergeant Merken," befiehlt von Tötung, "bleiben Sie bei dem Kranken!"


Heißer Tag

genommenen Boden noch zu tun bleibt. Da steht freilich reizvolles Hotelgeschirr
von Niemever und von Niemerschmid in den Glasschränken — aber wie oft
wird man auch nur dem Ähnliches heute schon im Gebrauch finden? Und auf eine
kräftig klare Türklinke von Bruno Paul kommen Millionen und Abermillionen
elender, blechverlleideter, auf ein metallisches Aussehen herausgeschminkter Eisen¬
griffe. Man weiß es im Werkbund selbst sicher am allerbesten, wie unendlich
umfassend die Aufgaben sind, die es noch zu lösen gilt, wenn eine Veredelung
der gewerblichen Arbeit mit der Zeit wirklich überall in Deutschland sich durch¬
setzen soll. Hoffentlich bedeutet die Kölner Ausstellung gerade nach dieser
Richtung hin einen kräftigen Schritt vorwärts und übt durch die Geschlossenheit,
den Ernst und den Wert des Schaffens, das sie vor Augen führt, eine nach¬
haltige, aneifernde und fördernde Wirkung.




Heißer Tag
Skizze
von Hans Werner Tannheim
Der Morgen

onnenglut, tiefblauer Himmel. Seit Wochen kein Regen; auf den
durstigen Feldern brütet flimmernde Luft.

Das war ein scharfer Manövertag heute; nun rücken sie ab
ins Quartier, die Grenadiere vom Königsregiment. Leutnant
von Tötung muß mit seinem Zuge nach Neudorf; er hat den
weitesten Weg bis zur Ruhstatt. An der Landstraße steht manches Weiblein:
„Die armen Soldaten!" murmeln die, „und, ach, der Leutnant; daß sich Gott
erbarme, so jung, ein Kind fast. Was will der dem König? — Sein Leben?
Pah, der, so jung!"

Gelber Wegstaub bedeckt die Soldaten und überzieht die erhitzten Gesichter.
Hohläugig, stumpfen Blickes marschieren sie. — Da sinkt ein Gewehr zu Boden.
Einer Mutter Sohn fällt schwer drüber hin. Mag er, was kümmert's die
anderen in ihrer Not, die ziehen weiter; 's sind ja schon viele Grenadiere ge¬
fallen vom Königsregiment.

„Sergeant Merken," befiehlt von Tötung, „bleiben Sie bei dem Kranken!"


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[0235] Heißer Tag genommenen Boden noch zu tun bleibt. Da steht freilich reizvolles Hotelgeschirr von Niemever und von Niemerschmid in den Glasschränken — aber wie oft wird man auch nur dem Ähnliches heute schon im Gebrauch finden? Und auf eine kräftig klare Türklinke von Bruno Paul kommen Millionen und Abermillionen elender, blechverlleideter, auf ein metallisches Aussehen herausgeschminkter Eisen¬ griffe. Man weiß es im Werkbund selbst sicher am allerbesten, wie unendlich umfassend die Aufgaben sind, die es noch zu lösen gilt, wenn eine Veredelung der gewerblichen Arbeit mit der Zeit wirklich überall in Deutschland sich durch¬ setzen soll. Hoffentlich bedeutet die Kölner Ausstellung gerade nach dieser Richtung hin einen kräftigen Schritt vorwärts und übt durch die Geschlossenheit, den Ernst und den Wert des Schaffens, das sie vor Augen führt, eine nach¬ haltige, aneifernde und fördernde Wirkung. Heißer Tag Skizze von Hans Werner Tannheim Der Morgen onnenglut, tiefblauer Himmel. Seit Wochen kein Regen; auf den durstigen Feldern brütet flimmernde Luft. Das war ein scharfer Manövertag heute; nun rücken sie ab ins Quartier, die Grenadiere vom Königsregiment. Leutnant von Tötung muß mit seinem Zuge nach Neudorf; er hat den weitesten Weg bis zur Ruhstatt. An der Landstraße steht manches Weiblein: „Die armen Soldaten!" murmeln die, „und, ach, der Leutnant; daß sich Gott erbarme, so jung, ein Kind fast. Was will der dem König? — Sein Leben? Pah, der, so jung!" Gelber Wegstaub bedeckt die Soldaten und überzieht die erhitzten Gesichter. Hohläugig, stumpfen Blickes marschieren sie. — Da sinkt ein Gewehr zu Boden. Einer Mutter Sohn fällt schwer drüber hin. Mag er, was kümmert's die anderen in ihrer Not, die ziehen weiter; 's sind ja schon viele Grenadiere ge¬ fallen vom Königsregiment. „Sergeant Merken," befiehlt von Tötung, „bleiben Sie bei dem Kranken!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/235>, abgerufen am 22.12.2024.