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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Ausstellung des Deutschen Werkbnndes in Rollt

ausgedachte, lichthelle und farbenfrohe Räume ihrer neugeplcmteu Kranken- und
Pfründnerhäuser, und in einer Gruppe von Reihenhäusern hinter der Fabrik ist
der sehr erfreuliche Versuch gemacht, auch der Behausung des deutschen Studenten
mit einfachen Mitteln klare Gediegenheit und freundliche Stimmung zu schaffen.
Endlich wollen die beiden Bauten des kolonialen Gehöfts Wege weisen, auf
denen unsere Architekten und Bauhandwerker zu einem deutschen Kolonialstil
gelangen könnten, der Zweckmäßigkeit der Formen mit heimatlich anmutender
Wohnbehaglichkeit zu vereinen weiß.

Die vielgestaltige Fülle lebendiger Gedanken und wertvoller Arbeit, wie
die Ausstellung sie überblicken läßt, wird nach zwei Seiten hin noch bedeutsam
ergänzt durch besondere Darbietungen der Haupthalle. Sie enthält in den
beiden Seitenflügeln rechts und links von der Kuppel je sechs Sonderräume
einzelner Werkkünstler. Hier kommen an beherrschender Stelle die Männer zu
Wort, die dem neuen Kunstgewerbe durch ihr Schaffen die Bahn gebrochen
haben. Einem jeden ist ein in sich geschlossener Raum zur Ausgestaltung über¬
lassen, und jeder hat auf seine Weise ein möglichst umfassendes Bild seines
künstlerischen Werdens und Wirkens gegeben. So bietet sich hier eine Auslese
des Wertvollsten und Edelsten, was die neue Bewegung in Deutschland hat
reifen lassen, der Anschauung und der Erkenntnis dar. Man verfolgt mit
bewundernder Freude die klare und sichere Entwicklung, die das Kunstgewerbe
von den ersten tastenden Versuchen, von den noch reichlich unruhigen und un-
gebändigten Arbeiten des frühverstorbenen Otto Eckmann oder auch noch Josef
Olbrichs hingeführt hat zu Schöpfungen von so entschlossener, ja kühner Sach¬
lichkeit, wie wir sie heute in den Warmhäusern Alfred Messels, den Industrie¬
bauten von Peter Behrens besitzen. Die lebensreiche Eigenart der ein¬
zelnen Künstlerpersönlichkeit spricht sich mit voller Unmittelbarkeit aus,
und man erlebt die gehaltene Vornehmheit Bruno Pauls und die geläuterte
Ruhe van de Beides, die klare Anmut Adalbert Niemeyers und das sein
organisierende Formengefühl Richard Niemerschmids in harmonischem Gesamt¬
eindruck. Und doch fühlt man durch allen freien, individuellen Schaffensreichtum
das Walten einer geklärten Einsicht, eines gesammelten Ernstes, der sich in der
Form nur den bündigsten, überzeugendsten Ausdruck erringt, um seiner Ge¬
staltungsidee eine erschöpfende, wesenhafte Verwirklichung zu geben.

So gewiß die feinsten und höchsten Leistungen des neuen Kunstgewerbes
einem ursprünglich starken Gestaltungsvermögen ihr Leben verdanken, die
künstlerische Gesinnung, aus der sie hervorgewachsen sind, kann Gemeingut
werden. Und die sachlichen Erfordernisse, die sür ein seiner Mittel sicheres,
in seinen Zielen klares kunstgewerbliches Arbeiten Voraussetzung sind, lassen sich
als Erkenntnis und Lehre mitteilen. Wie weit die neuen Gedanken schon in
der kunstgewerblichen Facherziehung Boden gewonnen haben, das zeigt mit einer
Fülle von Studien- und Arbeitsproben die Abteilung für künstlerische Erziehungs¬
methoden. Insbesondere die Räume der Kunstgewerbeschule des Berliner Kunst-


Die Ausstellung des Deutschen Werkbnndes in Rollt

ausgedachte, lichthelle und farbenfrohe Räume ihrer neugeplcmteu Kranken- und
Pfründnerhäuser, und in einer Gruppe von Reihenhäusern hinter der Fabrik ist
der sehr erfreuliche Versuch gemacht, auch der Behausung des deutschen Studenten
mit einfachen Mitteln klare Gediegenheit und freundliche Stimmung zu schaffen.
Endlich wollen die beiden Bauten des kolonialen Gehöfts Wege weisen, auf
denen unsere Architekten und Bauhandwerker zu einem deutschen Kolonialstil
gelangen könnten, der Zweckmäßigkeit der Formen mit heimatlich anmutender
Wohnbehaglichkeit zu vereinen weiß.

Die vielgestaltige Fülle lebendiger Gedanken und wertvoller Arbeit, wie
die Ausstellung sie überblicken läßt, wird nach zwei Seiten hin noch bedeutsam
ergänzt durch besondere Darbietungen der Haupthalle. Sie enthält in den
beiden Seitenflügeln rechts und links von der Kuppel je sechs Sonderräume
einzelner Werkkünstler. Hier kommen an beherrschender Stelle die Männer zu
Wort, die dem neuen Kunstgewerbe durch ihr Schaffen die Bahn gebrochen
haben. Einem jeden ist ein in sich geschlossener Raum zur Ausgestaltung über¬
lassen, und jeder hat auf seine Weise ein möglichst umfassendes Bild seines
künstlerischen Werdens und Wirkens gegeben. So bietet sich hier eine Auslese
des Wertvollsten und Edelsten, was die neue Bewegung in Deutschland hat
reifen lassen, der Anschauung und der Erkenntnis dar. Man verfolgt mit
bewundernder Freude die klare und sichere Entwicklung, die das Kunstgewerbe
von den ersten tastenden Versuchen, von den noch reichlich unruhigen und un-
gebändigten Arbeiten des frühverstorbenen Otto Eckmann oder auch noch Josef
Olbrichs hingeführt hat zu Schöpfungen von so entschlossener, ja kühner Sach¬
lichkeit, wie wir sie heute in den Warmhäusern Alfred Messels, den Industrie¬
bauten von Peter Behrens besitzen. Die lebensreiche Eigenart der ein¬
zelnen Künstlerpersönlichkeit spricht sich mit voller Unmittelbarkeit aus,
und man erlebt die gehaltene Vornehmheit Bruno Pauls und die geläuterte
Ruhe van de Beides, die klare Anmut Adalbert Niemeyers und das sein
organisierende Formengefühl Richard Niemerschmids in harmonischem Gesamt¬
eindruck. Und doch fühlt man durch allen freien, individuellen Schaffensreichtum
das Walten einer geklärten Einsicht, eines gesammelten Ernstes, der sich in der
Form nur den bündigsten, überzeugendsten Ausdruck erringt, um seiner Ge¬
staltungsidee eine erschöpfende, wesenhafte Verwirklichung zu geben.

So gewiß die feinsten und höchsten Leistungen des neuen Kunstgewerbes
einem ursprünglich starken Gestaltungsvermögen ihr Leben verdanken, die
künstlerische Gesinnung, aus der sie hervorgewachsen sind, kann Gemeingut
werden. Und die sachlichen Erfordernisse, die sür ein seiner Mittel sicheres,
in seinen Zielen klares kunstgewerbliches Arbeiten Voraussetzung sind, lassen sich
als Erkenntnis und Lehre mitteilen. Wie weit die neuen Gedanken schon in
der kunstgewerblichen Facherziehung Boden gewonnen haben, das zeigt mit einer
Fülle von Studien- und Arbeitsproben die Abteilung für künstlerische Erziehungs¬
methoden. Insbesondere die Räume der Kunstgewerbeschule des Berliner Kunst-


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[0233] Die Ausstellung des Deutschen Werkbnndes in Rollt ausgedachte, lichthelle und farbenfrohe Räume ihrer neugeplcmteu Kranken- und Pfründnerhäuser, und in einer Gruppe von Reihenhäusern hinter der Fabrik ist der sehr erfreuliche Versuch gemacht, auch der Behausung des deutschen Studenten mit einfachen Mitteln klare Gediegenheit und freundliche Stimmung zu schaffen. Endlich wollen die beiden Bauten des kolonialen Gehöfts Wege weisen, auf denen unsere Architekten und Bauhandwerker zu einem deutschen Kolonialstil gelangen könnten, der Zweckmäßigkeit der Formen mit heimatlich anmutender Wohnbehaglichkeit zu vereinen weiß. Die vielgestaltige Fülle lebendiger Gedanken und wertvoller Arbeit, wie die Ausstellung sie überblicken läßt, wird nach zwei Seiten hin noch bedeutsam ergänzt durch besondere Darbietungen der Haupthalle. Sie enthält in den beiden Seitenflügeln rechts und links von der Kuppel je sechs Sonderräume einzelner Werkkünstler. Hier kommen an beherrschender Stelle die Männer zu Wort, die dem neuen Kunstgewerbe durch ihr Schaffen die Bahn gebrochen haben. Einem jeden ist ein in sich geschlossener Raum zur Ausgestaltung über¬ lassen, und jeder hat auf seine Weise ein möglichst umfassendes Bild seines künstlerischen Werdens und Wirkens gegeben. So bietet sich hier eine Auslese des Wertvollsten und Edelsten, was die neue Bewegung in Deutschland hat reifen lassen, der Anschauung und der Erkenntnis dar. Man verfolgt mit bewundernder Freude die klare und sichere Entwicklung, die das Kunstgewerbe von den ersten tastenden Versuchen, von den noch reichlich unruhigen und un- gebändigten Arbeiten des frühverstorbenen Otto Eckmann oder auch noch Josef Olbrichs hingeführt hat zu Schöpfungen von so entschlossener, ja kühner Sach¬ lichkeit, wie wir sie heute in den Warmhäusern Alfred Messels, den Industrie¬ bauten von Peter Behrens besitzen. Die lebensreiche Eigenart der ein¬ zelnen Künstlerpersönlichkeit spricht sich mit voller Unmittelbarkeit aus, und man erlebt die gehaltene Vornehmheit Bruno Pauls und die geläuterte Ruhe van de Beides, die klare Anmut Adalbert Niemeyers und das sein organisierende Formengefühl Richard Niemerschmids in harmonischem Gesamt¬ eindruck. Und doch fühlt man durch allen freien, individuellen Schaffensreichtum das Walten einer geklärten Einsicht, eines gesammelten Ernstes, der sich in der Form nur den bündigsten, überzeugendsten Ausdruck erringt, um seiner Ge¬ staltungsidee eine erschöpfende, wesenhafte Verwirklichung zu geben. So gewiß die feinsten und höchsten Leistungen des neuen Kunstgewerbes einem ursprünglich starken Gestaltungsvermögen ihr Leben verdanken, die künstlerische Gesinnung, aus der sie hervorgewachsen sind, kann Gemeingut werden. Und die sachlichen Erfordernisse, die sür ein seiner Mittel sicheres, in seinen Zielen klares kunstgewerbliches Arbeiten Voraussetzung sind, lassen sich als Erkenntnis und Lehre mitteilen. Wie weit die neuen Gedanken schon in der kunstgewerblichen Facherziehung Boden gewonnen haben, das zeigt mit einer Fülle von Studien- und Arbeitsproben die Abteilung für künstlerische Erziehungs¬ methoden. Insbesondere die Räume der Kunstgewerbeschule des Berliner Kunst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/233>, abgerufen am 22.12.2024.