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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Ausstellung des Deutschen Ivcrkbundcs in Astr

und gediegen gestalteten und eingerichteten Empfangszimmern, Schreibstuben
und Zeichensälen das höchste überhaupt erreichbare Maß von Licht zugeführt
wird. In gläsernen Türmen zu beiden Seiten führen Wendeltreppen hinauf
zu einem für die Angestellten des Hauses bestimmten Dachgarten. Von diesem
Bau gelangt man über einen rechteckigen Hos. der rechts und links durch
Garagen abgeschlossen wird, in die Fabrik selbst. Weiträumig in der Anlage,
klar und ausdrucksvoll in dem Zug ihrer elastisch geschwungenen Wand- und
Deckenrippen, blank, hell und luftig, schafft sie der Arbeit die denkbar günstigsten
und freundlichsten äußeren Bedingungen. Auf der Ausstellung hat man die
Halle dazu ausgenutzt, um Werkzeuge aus Schwermetall, Instrumente und
Maschinen vorzuführen. Auch hier war der leitende Gesichtspunkt für die Dar¬
bietung und Anordnung die Form, die aus den Bedingungen der Arbeits¬
leistung heraus zweckbestimmte Schönheitswerte zu gewinnen vermag. In einem
hohen, turmartigen Anbau aus Holz und Glas sind die Arbeitsmaschinen der
Deutzer Gasmotorenfabrik aufgestellt.

Die ausgedehnte Verkehrshalle bietet eine Auslese moderner Beförderungs¬
mittel, die in ihrer äußeren Form wie in ihrer Ausstattung die Absichten des
Werkbundes bereits verwirklicht zeigen. Neben ein Zweckgebilde von so
organischer Schönheit, wie der Körper einer Flugtaube es darstellt, treten hier
Kraftwagen von verschiedener Bestimmung, klar abgewogen in der Anlage und
Gliederung ihres Baues, durch farbige Materialbehandlung oder Flächenauf¬
teilung reizvoll belebt, unmittelbar ausdrucksvoll in ihrer Gesamterscheinung.
Besonders lebhaft begrüßen aber wird man die Straßen- und Kleinbahnwagen
aus Köln, Godesberg und Aachen, die durch ihre wohlbedachte Gesamtform
und ihre sorgsame Durchbildung im einzelnen erfreuen, und mit frohen Hoff¬
nungen mag man an den mächtigen Durchgangswagen entlanggehen, die von
Kölner und sächsischen Fabriken sür die Staatsbahnen erbaut sind: ihre Aus¬
gestaltung ist Künstlern wie Endell, Gropius u. a. anvertraut worden, und so
überraschen sie durch eine Flucht vornehmer, feingestimmter Innenräume, die
dnrch die Schönheit des Materials wie durch die lebendige Wirkung ihrer
Formen und Farben reiche Augenfreude zu wecken vermögen. Wie gerne denkt
man es sich aus. daß vielleicht in einer nicht zu fernen Zeit, wenn die hier
gegebenen Vorbilder weitergewirkt haben, auch in unseren Eisenbahnwagen
überall neuzeitlicher Geschmack und anmutende Wohnbehaglichkeit die schablonen¬
mäßige Nüchternheit und den unpersönlichen Luxus verdrängen werden. Daß
die Wohngelasfe der großen deutschen Ozeandampfer heute schon aus diesem
Geiste heraus ihre Form empfangen, zeigen in dem Sonderbau der Hamburg-
Amerika-Linie die Kaiserzimmer, die Hermann Muthesius für die Gesellschaft
entworfen hat: statt der nachgemachten Eleganz französischer Stilformen, die
man sonst dem internationalen Publikum bieten zu müssen glaubt, ist hier nur
durch den Reiz edler Werkstoffe und die Klarheit organischer Raumdurchbildung
eine Gesamtwirkung von ruhiger Harmonie erreicht.


Die Ausstellung des Deutschen Ivcrkbundcs in Astr

und gediegen gestalteten und eingerichteten Empfangszimmern, Schreibstuben
und Zeichensälen das höchste überhaupt erreichbare Maß von Licht zugeführt
wird. In gläsernen Türmen zu beiden Seiten führen Wendeltreppen hinauf
zu einem für die Angestellten des Hauses bestimmten Dachgarten. Von diesem
Bau gelangt man über einen rechteckigen Hos. der rechts und links durch
Garagen abgeschlossen wird, in die Fabrik selbst. Weiträumig in der Anlage,
klar und ausdrucksvoll in dem Zug ihrer elastisch geschwungenen Wand- und
Deckenrippen, blank, hell und luftig, schafft sie der Arbeit die denkbar günstigsten
und freundlichsten äußeren Bedingungen. Auf der Ausstellung hat man die
Halle dazu ausgenutzt, um Werkzeuge aus Schwermetall, Instrumente und
Maschinen vorzuführen. Auch hier war der leitende Gesichtspunkt für die Dar¬
bietung und Anordnung die Form, die aus den Bedingungen der Arbeits¬
leistung heraus zweckbestimmte Schönheitswerte zu gewinnen vermag. In einem
hohen, turmartigen Anbau aus Holz und Glas sind die Arbeitsmaschinen der
Deutzer Gasmotorenfabrik aufgestellt.

Die ausgedehnte Verkehrshalle bietet eine Auslese moderner Beförderungs¬
mittel, die in ihrer äußeren Form wie in ihrer Ausstattung die Absichten des
Werkbundes bereits verwirklicht zeigen. Neben ein Zweckgebilde von so
organischer Schönheit, wie der Körper einer Flugtaube es darstellt, treten hier
Kraftwagen von verschiedener Bestimmung, klar abgewogen in der Anlage und
Gliederung ihres Baues, durch farbige Materialbehandlung oder Flächenauf¬
teilung reizvoll belebt, unmittelbar ausdrucksvoll in ihrer Gesamterscheinung.
Besonders lebhaft begrüßen aber wird man die Straßen- und Kleinbahnwagen
aus Köln, Godesberg und Aachen, die durch ihre wohlbedachte Gesamtform
und ihre sorgsame Durchbildung im einzelnen erfreuen, und mit frohen Hoff¬
nungen mag man an den mächtigen Durchgangswagen entlanggehen, die von
Kölner und sächsischen Fabriken sür die Staatsbahnen erbaut sind: ihre Aus¬
gestaltung ist Künstlern wie Endell, Gropius u. a. anvertraut worden, und so
überraschen sie durch eine Flucht vornehmer, feingestimmter Innenräume, die
dnrch die Schönheit des Materials wie durch die lebendige Wirkung ihrer
Formen und Farben reiche Augenfreude zu wecken vermögen. Wie gerne denkt
man es sich aus. daß vielleicht in einer nicht zu fernen Zeit, wenn die hier
gegebenen Vorbilder weitergewirkt haben, auch in unseren Eisenbahnwagen
überall neuzeitlicher Geschmack und anmutende Wohnbehaglichkeit die schablonen¬
mäßige Nüchternheit und den unpersönlichen Luxus verdrängen werden. Daß
die Wohngelasfe der großen deutschen Ozeandampfer heute schon aus diesem
Geiste heraus ihre Form empfangen, zeigen in dem Sonderbau der Hamburg-
Amerika-Linie die Kaiserzimmer, die Hermann Muthesius für die Gesellschaft
entworfen hat: statt der nachgemachten Eleganz französischer Stilformen, die
man sonst dem internationalen Publikum bieten zu müssen glaubt, ist hier nur
durch den Reiz edler Werkstoffe und die Klarheit organischer Raumdurchbildung
eine Gesamtwirkung von ruhiger Harmonie erreicht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/231>, abgerufen am 28.07.2024.