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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Ausstellung des Deutschen IVerkbnndes in Köln

schmiegt sich der Innenseite des Hochwasserdammes des Rheines das Theater
an. Henry van de Velde hat es erbaut, und so zeigt es denn in den ge¬
drungenen Massen seiner äußeren Erscheinung das gehaltene Schwellen der
Linien, die weiche Wölbung der Flächen, in denen das Formgefühl des
Künstlers seine persönliche Sprache gefunden hat. Innen umschließt es einen
Zuschauerraum von wundervoller Ruhe und Wärme: Wandbekleidung und
Gestühl sind aus demselben dunkelbraunen Holz gebildet. Der obere Rand
der Wände und der äußere der Decke sind in durchbrochene Felder auf¬
geteilt, zwischen deren einfach großen Ornamenten gelbliche Scheiben gedämpftes
Licht hindurchschimmern lassen. Die eigentliche Beleuchtung des Raumes ist
in dem rechteckigen Mittelfelde der Decke angeordnet, wird aber hier durch einen
ovalen Schirm aus wiederum braunem Stoff abgeblendet und vollendet so die
Einheitlichkeit der Farbenstimmung. Völlig Neues will van de Velde mit der
Gestaltung des Bühnenraumes geben. Ein Proszenium, breiter als der Zu¬
schauerraum, ist vor die erhöhte Bühne gelegt, um die Handlung räumlich in
engere Verbindung mit den Zuschauern zu bringen. Die Bühne selbst aber
gliedert sich in einen breiten Mitleiden und zwei im stumpfen Winkel von
ihm ausgehende Seitenteile. Verschiebbare Säulen grenzen die Nebenbühnen
gegen die Hauptbühne ab. Da der Vorhang je nach Bedürfnis einen oder
zwei Teile der Bühne verschließen kann, ist es möglich, bei raschem Wechsel
des Schauplatzes immer neue Szenenbilder zu stellen, ohne daß dadurch der
Fortgang der Handlung beeinträchtigt wird und ohne daß es eines drehbaren
Bodens bedarf. Das Berliner Lessingtheater hat in einer Reihe von Faust¬
aufführungen die Verwendbarkeit dieser Bühnenanlage praktisch darzutun ver¬
sucht. Ich habe leider keine dieser Vorstellungen erreichen können, meine Ein¬
drücke beschränken sich also nur auf die Erscheinung der Bühne selbst. Da
mag man sich gewiß von der Gliederung und Aufteilung des gesamten Spiel¬
raumes reich abgestufte szenische Wirkungen versprechen, und die völlig offene
Bühne mit dem weiten Nundhorizont bietet ein Bild von eindrucksvoller Ge¬
schlossenheit. Soll aber diese Bühnenanordnung für die Aufführung kom¬
plizierter Stücke wirklich fruchtbar gemacht werden, so müßte sie sich auch in
unsere großen Theater übertragen lassen, und das wird doch nicht so ohne
weiteres möglich sein. Die winzigen Kämmerchen der zwei Seitenbühnen sind
hier in dem kleinen Haus eigentlich nur Andeutungen von Räumen und lassen
ein Zusammenspiel einer größeren Zahl von Personen überhaupt kaum zu.

Einer ganz anderen Welt gehört das benachbarte Fabrikgebäude von
Walter Gropius an. Es mag dem. der es nicht schon anderwärts erfahren
hat, eine Anschauung davon geben, daß ini heutigen Deutschland Künstler ihr
ganzes Können daran setzen, den Stätten der Arbeit eine auch sür das Auge
erfreuliche, sinnvoll selbständige Gestalt zu geben. Die Stirnseite der Anlage
nimmt ein Verwaltungsgebäude aus weißglasierten Backsteinen ein, dessen Wände
nach der inneren (Nord-) Seite ganz aus Glas bestehen, so daß seinen ruhig


Die Ausstellung des Deutschen IVerkbnndes in Köln

schmiegt sich der Innenseite des Hochwasserdammes des Rheines das Theater
an. Henry van de Velde hat es erbaut, und so zeigt es denn in den ge¬
drungenen Massen seiner äußeren Erscheinung das gehaltene Schwellen der
Linien, die weiche Wölbung der Flächen, in denen das Formgefühl des
Künstlers seine persönliche Sprache gefunden hat. Innen umschließt es einen
Zuschauerraum von wundervoller Ruhe und Wärme: Wandbekleidung und
Gestühl sind aus demselben dunkelbraunen Holz gebildet. Der obere Rand
der Wände und der äußere der Decke sind in durchbrochene Felder auf¬
geteilt, zwischen deren einfach großen Ornamenten gelbliche Scheiben gedämpftes
Licht hindurchschimmern lassen. Die eigentliche Beleuchtung des Raumes ist
in dem rechteckigen Mittelfelde der Decke angeordnet, wird aber hier durch einen
ovalen Schirm aus wiederum braunem Stoff abgeblendet und vollendet so die
Einheitlichkeit der Farbenstimmung. Völlig Neues will van de Velde mit der
Gestaltung des Bühnenraumes geben. Ein Proszenium, breiter als der Zu¬
schauerraum, ist vor die erhöhte Bühne gelegt, um die Handlung räumlich in
engere Verbindung mit den Zuschauern zu bringen. Die Bühne selbst aber
gliedert sich in einen breiten Mitleiden und zwei im stumpfen Winkel von
ihm ausgehende Seitenteile. Verschiebbare Säulen grenzen die Nebenbühnen
gegen die Hauptbühne ab. Da der Vorhang je nach Bedürfnis einen oder
zwei Teile der Bühne verschließen kann, ist es möglich, bei raschem Wechsel
des Schauplatzes immer neue Szenenbilder zu stellen, ohne daß dadurch der
Fortgang der Handlung beeinträchtigt wird und ohne daß es eines drehbaren
Bodens bedarf. Das Berliner Lessingtheater hat in einer Reihe von Faust¬
aufführungen die Verwendbarkeit dieser Bühnenanlage praktisch darzutun ver¬
sucht. Ich habe leider keine dieser Vorstellungen erreichen können, meine Ein¬
drücke beschränken sich also nur auf die Erscheinung der Bühne selbst. Da
mag man sich gewiß von der Gliederung und Aufteilung des gesamten Spiel¬
raumes reich abgestufte szenische Wirkungen versprechen, und die völlig offene
Bühne mit dem weiten Nundhorizont bietet ein Bild von eindrucksvoller Ge¬
schlossenheit. Soll aber diese Bühnenanordnung für die Aufführung kom¬
plizierter Stücke wirklich fruchtbar gemacht werden, so müßte sie sich auch in
unsere großen Theater übertragen lassen, und das wird doch nicht so ohne
weiteres möglich sein. Die winzigen Kämmerchen der zwei Seitenbühnen sind
hier in dem kleinen Haus eigentlich nur Andeutungen von Räumen und lassen
ein Zusammenspiel einer größeren Zahl von Personen überhaupt kaum zu.

Einer ganz anderen Welt gehört das benachbarte Fabrikgebäude von
Walter Gropius an. Es mag dem. der es nicht schon anderwärts erfahren
hat, eine Anschauung davon geben, daß ini heutigen Deutschland Künstler ihr
ganzes Können daran setzen, den Stätten der Arbeit eine auch sür das Auge
erfreuliche, sinnvoll selbständige Gestalt zu geben. Die Stirnseite der Anlage
nimmt ein Verwaltungsgebäude aus weißglasierten Backsteinen ein, dessen Wände
nach der inneren (Nord-) Seite ganz aus Glas bestehen, so daß seinen ruhig


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[0230] Die Ausstellung des Deutschen IVerkbnndes in Köln schmiegt sich der Innenseite des Hochwasserdammes des Rheines das Theater an. Henry van de Velde hat es erbaut, und so zeigt es denn in den ge¬ drungenen Massen seiner äußeren Erscheinung das gehaltene Schwellen der Linien, die weiche Wölbung der Flächen, in denen das Formgefühl des Künstlers seine persönliche Sprache gefunden hat. Innen umschließt es einen Zuschauerraum von wundervoller Ruhe und Wärme: Wandbekleidung und Gestühl sind aus demselben dunkelbraunen Holz gebildet. Der obere Rand der Wände und der äußere der Decke sind in durchbrochene Felder auf¬ geteilt, zwischen deren einfach großen Ornamenten gelbliche Scheiben gedämpftes Licht hindurchschimmern lassen. Die eigentliche Beleuchtung des Raumes ist in dem rechteckigen Mittelfelde der Decke angeordnet, wird aber hier durch einen ovalen Schirm aus wiederum braunem Stoff abgeblendet und vollendet so die Einheitlichkeit der Farbenstimmung. Völlig Neues will van de Velde mit der Gestaltung des Bühnenraumes geben. Ein Proszenium, breiter als der Zu¬ schauerraum, ist vor die erhöhte Bühne gelegt, um die Handlung räumlich in engere Verbindung mit den Zuschauern zu bringen. Die Bühne selbst aber gliedert sich in einen breiten Mitleiden und zwei im stumpfen Winkel von ihm ausgehende Seitenteile. Verschiebbare Säulen grenzen die Nebenbühnen gegen die Hauptbühne ab. Da der Vorhang je nach Bedürfnis einen oder zwei Teile der Bühne verschließen kann, ist es möglich, bei raschem Wechsel des Schauplatzes immer neue Szenenbilder zu stellen, ohne daß dadurch der Fortgang der Handlung beeinträchtigt wird und ohne daß es eines drehbaren Bodens bedarf. Das Berliner Lessingtheater hat in einer Reihe von Faust¬ aufführungen die Verwendbarkeit dieser Bühnenanlage praktisch darzutun ver¬ sucht. Ich habe leider keine dieser Vorstellungen erreichen können, meine Ein¬ drücke beschränken sich also nur auf die Erscheinung der Bühne selbst. Da mag man sich gewiß von der Gliederung und Aufteilung des gesamten Spiel¬ raumes reich abgestufte szenische Wirkungen versprechen, und die völlig offene Bühne mit dem weiten Nundhorizont bietet ein Bild von eindrucksvoller Ge¬ schlossenheit. Soll aber diese Bühnenanordnung für die Aufführung kom¬ plizierter Stücke wirklich fruchtbar gemacht werden, so müßte sie sich auch in unsere großen Theater übertragen lassen, und das wird doch nicht so ohne weiteres möglich sein. Die winzigen Kämmerchen der zwei Seitenbühnen sind hier in dem kleinen Haus eigentlich nur Andeutungen von Räumen und lassen ein Zusammenspiel einer größeren Zahl von Personen überhaupt kaum zu. Einer ganz anderen Welt gehört das benachbarte Fabrikgebäude von Walter Gropius an. Es mag dem. der es nicht schon anderwärts erfahren hat, eine Anschauung davon geben, daß ini heutigen Deutschland Künstler ihr ganzes Können daran setzen, den Stätten der Arbeit eine auch sür das Auge erfreuliche, sinnvoll selbständige Gestalt zu geben. Die Stirnseite der Anlage nimmt ein Verwaltungsgebäude aus weißglasierten Backsteinen ein, dessen Wände nach der inneren (Nord-) Seite ganz aus Glas bestehen, so daß seinen ruhig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/230>, abgerufen am 28.07.2024.