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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Peters und Pfeil

Gründung einer Gesellschaft ins Auge, die im Gegensatz zum Kolonialverein
aktiv kolonialpolitisch vorgehen sollte, um die Auswanderung in eine deutsche
Kolonie zu leiten. Schon am 28. März wurde dieser Gedanke in der "Ge¬
sellschaft für deutsche Kolonisation" verwirklicht, und zwar in der ausgesprochenen
Absicht der "Begründung einer Kolonialkompagnie nach britischen Muster" und
insofern allerdings "gar sehr verschieden vom deutschen Kolonialverein"*), der
diese Aufgabe in besserer Einsicht in die Nachteile derartiger kaufmännischer
Ausbeutungspolitik, wie sie mit der Geschichte der britischen Handelskompagnien
notwendig verknüpft ist, abgelehnt hatte. Es ist heute freilich kein Zweifel, daß
der lange Zeit vielverspottete Kolonialverein mit dieser Haltung im Recht war.
Dagegen war die auch von Bismarck verfolgte Nachahmung der Kolonialpolitik
der britischen Kompagnien ein auf geschichtlicher Unkenntnis beruhender Fehler,
der notwendig von einer staatlichen Kolonialpolitik wieder gut gemacht werden
mußte**).

Trotzdem ist die Gründung der "Gesellschaft für deutsche Kolonisation"
Peters' bleibendes Verdienst. Sein größeres Verdienst -- Graf Pfeil hält es
mit Rückblick auf Peters' Gesamtleistung für sein größtes***) ist freilich die
Organisation und Finanzierung dieser Gesellschaft, durch die das geplante
Kolonialunternehmen erst möglich wurde. Ihre aristokratische Verfassung, ein
Ausschuß von wenigen, anfangs nur fünf bis sechs Personen, unter denen
Peters, Referendar Jühlke, Graf Behr und der Redakteur der Täglichen
Rundschau, Dr. Friedrich Lange, eine geschlossene Gruppe bildeten, sicherte ein
tatkräftiges Handeln um so mehr, als Peters darin für lange Zeit eine diktatur¬
ähnliche Stellung einnahm.

Zuerst hatte er hier drei Aufgaben zu lösen: die Beschaffung eines ent¬
sprechenden Kolonisationskapitals, die Auffindung und Erwerbung geeigneter
Kolonisationsdistrikte, über deren Wahl sich die Leiter der Gesellschaft anfangs
ebensowenig klar waren, wie deren Mitglieder-f), endlich die Hinlenkung der
deutschen Auswanderung in diese Gebiete. Eine vierte Aufgabe war die Idee
einer Verständigung mit den übrigen kolonialen Körperschaften zwecks Schaffung
eines alle Kolonialvereine umfassenden Kolonisationsverbandes, der ein gemein¬
sames Vorgehen ermöglichen und doch den Einzelvereinen die wünschenswerte
Aktionsfreiheit belassen sollte. Indes war diese Aufgabe von Peters angeblichff)
nur in den öffentlichen Meinungskampf hineingeworfen worden, um die Gegner
seiner Gesellschaft auf eine falsche Fährte zu leiten, während in Wirklichkeit kein
maßgebendes Gesellschaftsmitglied angesichts der negativen, theoretisch werbenden,







") Ebenda 40.
"*) Vgl. z. B. I. K. Victor, Geschichtliche und kulturelle Entwicklung unserer Schutz¬
gebiete, Berlin 1913, S. 20 ff.
"
"Erwerbung 58.
f) Vgl. Zimmermann, Geschichte der deutschen Kolonialpolitik, Berlin 1914, S. 118.
ff) Gründung 61.
Peters und Pfeil

Gründung einer Gesellschaft ins Auge, die im Gegensatz zum Kolonialverein
aktiv kolonialpolitisch vorgehen sollte, um die Auswanderung in eine deutsche
Kolonie zu leiten. Schon am 28. März wurde dieser Gedanke in der „Ge¬
sellschaft für deutsche Kolonisation" verwirklicht, und zwar in der ausgesprochenen
Absicht der „Begründung einer Kolonialkompagnie nach britischen Muster" und
insofern allerdings „gar sehr verschieden vom deutschen Kolonialverein"*), der
diese Aufgabe in besserer Einsicht in die Nachteile derartiger kaufmännischer
Ausbeutungspolitik, wie sie mit der Geschichte der britischen Handelskompagnien
notwendig verknüpft ist, abgelehnt hatte. Es ist heute freilich kein Zweifel, daß
der lange Zeit vielverspottete Kolonialverein mit dieser Haltung im Recht war.
Dagegen war die auch von Bismarck verfolgte Nachahmung der Kolonialpolitik
der britischen Kompagnien ein auf geschichtlicher Unkenntnis beruhender Fehler,
der notwendig von einer staatlichen Kolonialpolitik wieder gut gemacht werden
mußte**).

Trotzdem ist die Gründung der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation"
Peters' bleibendes Verdienst. Sein größeres Verdienst — Graf Pfeil hält es
mit Rückblick auf Peters' Gesamtleistung für sein größtes***) ist freilich die
Organisation und Finanzierung dieser Gesellschaft, durch die das geplante
Kolonialunternehmen erst möglich wurde. Ihre aristokratische Verfassung, ein
Ausschuß von wenigen, anfangs nur fünf bis sechs Personen, unter denen
Peters, Referendar Jühlke, Graf Behr und der Redakteur der Täglichen
Rundschau, Dr. Friedrich Lange, eine geschlossene Gruppe bildeten, sicherte ein
tatkräftiges Handeln um so mehr, als Peters darin für lange Zeit eine diktatur¬
ähnliche Stellung einnahm.

Zuerst hatte er hier drei Aufgaben zu lösen: die Beschaffung eines ent¬
sprechenden Kolonisationskapitals, die Auffindung und Erwerbung geeigneter
Kolonisationsdistrikte, über deren Wahl sich die Leiter der Gesellschaft anfangs
ebensowenig klar waren, wie deren Mitglieder-f), endlich die Hinlenkung der
deutschen Auswanderung in diese Gebiete. Eine vierte Aufgabe war die Idee
einer Verständigung mit den übrigen kolonialen Körperschaften zwecks Schaffung
eines alle Kolonialvereine umfassenden Kolonisationsverbandes, der ein gemein¬
sames Vorgehen ermöglichen und doch den Einzelvereinen die wünschenswerte
Aktionsfreiheit belassen sollte. Indes war diese Aufgabe von Peters angeblichff)
nur in den öffentlichen Meinungskampf hineingeworfen worden, um die Gegner
seiner Gesellschaft auf eine falsche Fährte zu leiten, während in Wirklichkeit kein
maßgebendes Gesellschaftsmitglied angesichts der negativen, theoretisch werbenden,







") Ebenda 40.
"*) Vgl. z. B. I. K. Victor, Geschichtliche und kulturelle Entwicklung unserer Schutz¬
gebiete, Berlin 1913, S. 20 ff.
"
„Erwerbung 58.
f) Vgl. Zimmermann, Geschichte der deutschen Kolonialpolitik, Berlin 1914, S. 118.
ff) Gründung 61.
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[0113] Peters und Pfeil Gründung einer Gesellschaft ins Auge, die im Gegensatz zum Kolonialverein aktiv kolonialpolitisch vorgehen sollte, um die Auswanderung in eine deutsche Kolonie zu leiten. Schon am 28. März wurde dieser Gedanke in der „Ge¬ sellschaft für deutsche Kolonisation" verwirklicht, und zwar in der ausgesprochenen Absicht der „Begründung einer Kolonialkompagnie nach britischen Muster" und insofern allerdings „gar sehr verschieden vom deutschen Kolonialverein"*), der diese Aufgabe in besserer Einsicht in die Nachteile derartiger kaufmännischer Ausbeutungspolitik, wie sie mit der Geschichte der britischen Handelskompagnien notwendig verknüpft ist, abgelehnt hatte. Es ist heute freilich kein Zweifel, daß der lange Zeit vielverspottete Kolonialverein mit dieser Haltung im Recht war. Dagegen war die auch von Bismarck verfolgte Nachahmung der Kolonialpolitik der britischen Kompagnien ein auf geschichtlicher Unkenntnis beruhender Fehler, der notwendig von einer staatlichen Kolonialpolitik wieder gut gemacht werden mußte**). Trotzdem ist die Gründung der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation" Peters' bleibendes Verdienst. Sein größeres Verdienst — Graf Pfeil hält es mit Rückblick auf Peters' Gesamtleistung für sein größtes***) ist freilich die Organisation und Finanzierung dieser Gesellschaft, durch die das geplante Kolonialunternehmen erst möglich wurde. Ihre aristokratische Verfassung, ein Ausschuß von wenigen, anfangs nur fünf bis sechs Personen, unter denen Peters, Referendar Jühlke, Graf Behr und der Redakteur der Täglichen Rundschau, Dr. Friedrich Lange, eine geschlossene Gruppe bildeten, sicherte ein tatkräftiges Handeln um so mehr, als Peters darin für lange Zeit eine diktatur¬ ähnliche Stellung einnahm. Zuerst hatte er hier drei Aufgaben zu lösen: die Beschaffung eines ent¬ sprechenden Kolonisationskapitals, die Auffindung und Erwerbung geeigneter Kolonisationsdistrikte, über deren Wahl sich die Leiter der Gesellschaft anfangs ebensowenig klar waren, wie deren Mitglieder-f), endlich die Hinlenkung der deutschen Auswanderung in diese Gebiete. Eine vierte Aufgabe war die Idee einer Verständigung mit den übrigen kolonialen Körperschaften zwecks Schaffung eines alle Kolonialvereine umfassenden Kolonisationsverbandes, der ein gemein¬ sames Vorgehen ermöglichen und doch den Einzelvereinen die wünschenswerte Aktionsfreiheit belassen sollte. Indes war diese Aufgabe von Peters angeblichff) nur in den öffentlichen Meinungskampf hineingeworfen worden, um die Gegner seiner Gesellschaft auf eine falsche Fährte zu leiten, während in Wirklichkeit kein maßgebendes Gesellschaftsmitglied angesichts der negativen, theoretisch werbenden, ") Ebenda 40. "*) Vgl. z. B. I. K. Victor, Geschichtliche und kulturelle Entwicklung unserer Schutz¬ gebiete, Berlin 1913, S. 20 ff. " „Erwerbung 58. f) Vgl. Zimmermann, Geschichte der deutschen Kolonialpolitik, Berlin 1914, S. 118. ff) Gründung 61.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/113>, abgerufen am 01.09.2024.