Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Gocthctage in Zveimar barkeiten. Nur soll man wesensfremde Dinge nicht vermengen. Nur soll man Jede Persönlichkeit, und gerade die starke und ausgeprägte zu allermeist, ist Gocthctage in Zveimar barkeiten. Nur soll man wesensfremde Dinge nicht vermengen. Nur soll man Jede Persönlichkeit, und gerade die starke und ausgeprägte zu allermeist, ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328679"/> <fw type="header" place="top"> Gocthctage in Zveimar</fw><lb/> <p xml:id="ID_2316" prev="#ID_2315"> barkeiten. Nur soll man wesensfremde Dinge nicht vermengen. Nur soll man<lb/> die beiden Seelen, die in uns wohnen — die Seele für das irdische Reich unserer<lb/> sicheren Wohlfahrt und Größe und die Seele für das unirdische Reich unserer<lb/> gesteigerten Menschlichkeit — nicht durcheinanderschütteln wollen. Herr von Rhein-<lb/> baben ist, wer wüßte es nicht, eine starke Persönlichkeit der politischen Arena, dem<lb/> gewisse politische Ideale — für uns gleichgültig, welche — im Herzen brennen, gewiß<lb/> auch in echten, naturgenährten Flammen und nicht als bengalisches Feuerwerk.<lb/> Aber wenn nun diese Ideale, in dieser oder jener Draperie oder Verkleidung, in<lb/> eine Kulturgesellschaft hineingetragen werden, die nichts will als jenem dritten<lb/> Reich der schönen Menschlichkeit einen breiteren Raum gewinnen auf dieser noch<lb/> vielfach unmenschlich, häßlichen Erde, so kann nichts anderes als ein Niedergang<lb/> daraus werden. Schon auf dieser Tagung der Goethe-Gesellschaft hat sich gezeigt,<lb/> daß jede auch nur in der Ferne sichtbar werdende Gebärde, die an hohe oder<lb/> niedere Politik zu erinnern scheint, Unruhe und Uneinigkeit erzeugt und die stillen<lb/> Kreise der Arbeit im Geiste Goethes stört. Von Berlin aus, wo die vorjährige<lb/> Wohl des Herrn von Rheinbaben ihres politischen Beigeschmackes wegen offen¬<lb/> sichtliche Unzufriedenheit geweckt hat, lag ein Antrag (Dr. Kaftan) vor, der auf Ab¬<lb/> änderung der Satzungen in dem Sinne drang, daß der Vorsitzende fortab aus<lb/> dem Plenum und nicht, wie bisher, vom Vorstand gewählt werde, und zwar durch<lb/> geheime Stimmzettelabgabe. Herr von Rheinbaben ließ diesen gegen ihn persönlich<lb/> gerichteten Vorstoß an sich abgleiten, indem er ihn, weil ihm die nach H 7 der<lb/> Satzungen erforderliche „gehörige" Begründung fehle, nicht zur Diskussion stellte.<lb/> Er hat damit eine in jedem Fall unangenehme Debatte auf ein Jahr verschoben,<lb/> ohne seine Chancen zu verbessern. Man mag nun über die Reformbedürftigkeit<lb/> der Satzungen der Goethe-Gesellschaft denken wie man will: sicher ist, baß das<lb/> Bedürfnis danach nur durch die Wahl des Freiherrn von Rheinbaben hervorgerufen<lb/> worden ist, und sicher ist weiter, daß diese Wahl nur deshalb Mißfallen erregt<lb/> hat, weil Herr von Rheinbaben eine ausgesprochen politische Persönlichkeit ist,<lb/> und sicher ist endlich, daß Herr von Rheinbaben, wäre fein Jugendtraum von<lb/> der Nachfolge Goethes wirklich in Erfüllung gegangen, diese ausgesprochen politische<lb/> Persönlichkeit nicht sein könnte . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_2317" next="#ID_2318"> Jede Persönlichkeit, und gerade die starke und ausgeprägte zu allermeist, ist<lb/> von einer Aura umgeben, die Beruf und Beschäftigung, Blickrichtung und Ziel¬<lb/> strebigkeit ihr beigeben. Wenn Erich Schmidt, der Unvergeßliche, zur Goethe-<lb/> Gesellschaft sprach, so fühlte man einen geistigen Sprungquell spielen, der seinen<lb/> Überfluß durch tausend versteckte Wasserarme in anmutigst tänzelnden Strahlen¬<lb/> windungen aufhüpfen ließ — er war die vollkommenste Vereinigung von sachlichen<lb/> Ernst und persönlicher Worthandhabung, von weltmännischer Beweglichkeit und<lb/> in sich blickenden Gelehrtentum, und so schlug er jeden in den Buur seiner alles-<lb/> durchdringenden Persönlichkeit. Wenn Albert Küster redet, fühlt man ähnlich<lb/> lebendigmachende Wirkungen, nur fehlt die Unmittelbarkeit der Improvisation, der<lb/> Reichtum der Töne und der Nachdruck, den Redners Stirn und Gestalt erzeugen.<lb/> Wenn Wolfgang von Oettingen spricht, wird man alsbald in ein intimes Ver-<lb/> hältnis verstrickt, das die brückenlose Distanz des „großen" Redners überschlägt<lb/> und in eine von aller Feierlichkeit befreiende Heiterkeit einmündet — mitten im<lb/> ernsthaft berichtenden Wort wird ein blinzelnder Schalk sichtbar, der über alles</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
Gocthctage in Zveimar
barkeiten. Nur soll man wesensfremde Dinge nicht vermengen. Nur soll man
die beiden Seelen, die in uns wohnen — die Seele für das irdische Reich unserer
sicheren Wohlfahrt und Größe und die Seele für das unirdische Reich unserer
gesteigerten Menschlichkeit — nicht durcheinanderschütteln wollen. Herr von Rhein-
baben ist, wer wüßte es nicht, eine starke Persönlichkeit der politischen Arena, dem
gewisse politische Ideale — für uns gleichgültig, welche — im Herzen brennen, gewiß
auch in echten, naturgenährten Flammen und nicht als bengalisches Feuerwerk.
Aber wenn nun diese Ideale, in dieser oder jener Draperie oder Verkleidung, in
eine Kulturgesellschaft hineingetragen werden, die nichts will als jenem dritten
Reich der schönen Menschlichkeit einen breiteren Raum gewinnen auf dieser noch
vielfach unmenschlich, häßlichen Erde, so kann nichts anderes als ein Niedergang
daraus werden. Schon auf dieser Tagung der Goethe-Gesellschaft hat sich gezeigt,
daß jede auch nur in der Ferne sichtbar werdende Gebärde, die an hohe oder
niedere Politik zu erinnern scheint, Unruhe und Uneinigkeit erzeugt und die stillen
Kreise der Arbeit im Geiste Goethes stört. Von Berlin aus, wo die vorjährige
Wohl des Herrn von Rheinbaben ihres politischen Beigeschmackes wegen offen¬
sichtliche Unzufriedenheit geweckt hat, lag ein Antrag (Dr. Kaftan) vor, der auf Ab¬
änderung der Satzungen in dem Sinne drang, daß der Vorsitzende fortab aus
dem Plenum und nicht, wie bisher, vom Vorstand gewählt werde, und zwar durch
geheime Stimmzettelabgabe. Herr von Rheinbaben ließ diesen gegen ihn persönlich
gerichteten Vorstoß an sich abgleiten, indem er ihn, weil ihm die nach H 7 der
Satzungen erforderliche „gehörige" Begründung fehle, nicht zur Diskussion stellte.
Er hat damit eine in jedem Fall unangenehme Debatte auf ein Jahr verschoben,
ohne seine Chancen zu verbessern. Man mag nun über die Reformbedürftigkeit
der Satzungen der Goethe-Gesellschaft denken wie man will: sicher ist, baß das
Bedürfnis danach nur durch die Wahl des Freiherrn von Rheinbaben hervorgerufen
worden ist, und sicher ist weiter, daß diese Wahl nur deshalb Mißfallen erregt
hat, weil Herr von Rheinbaben eine ausgesprochen politische Persönlichkeit ist,
und sicher ist endlich, daß Herr von Rheinbaben, wäre fein Jugendtraum von
der Nachfolge Goethes wirklich in Erfüllung gegangen, diese ausgesprochen politische
Persönlichkeit nicht sein könnte . . .
Jede Persönlichkeit, und gerade die starke und ausgeprägte zu allermeist, ist
von einer Aura umgeben, die Beruf und Beschäftigung, Blickrichtung und Ziel¬
strebigkeit ihr beigeben. Wenn Erich Schmidt, der Unvergeßliche, zur Goethe-
Gesellschaft sprach, so fühlte man einen geistigen Sprungquell spielen, der seinen
Überfluß durch tausend versteckte Wasserarme in anmutigst tänzelnden Strahlen¬
windungen aufhüpfen ließ — er war die vollkommenste Vereinigung von sachlichen
Ernst und persönlicher Worthandhabung, von weltmännischer Beweglichkeit und
in sich blickenden Gelehrtentum, und so schlug er jeden in den Buur seiner alles-
durchdringenden Persönlichkeit. Wenn Albert Küster redet, fühlt man ähnlich
lebendigmachende Wirkungen, nur fehlt die Unmittelbarkeit der Improvisation, der
Reichtum der Töne und der Nachdruck, den Redners Stirn und Gestalt erzeugen.
Wenn Wolfgang von Oettingen spricht, wird man alsbald in ein intimes Ver-
hältnis verstrickt, das die brückenlose Distanz des „großen" Redners überschlägt
und in eine von aller Feierlichkeit befreiende Heiterkeit einmündet — mitten im
ernsthaft berichtenden Wort wird ein blinzelnder Schalk sichtbar, der über alles
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |