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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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wisby

beendigt worden waren, schlug er sich 1438 nach Gotland, wo er sich 1411
am Südende Wisbys die starke Feste Wisüorg Stoll erbaut hatte. Nach ihm
hatte bis zum Jahre 1478 als dänischer Lehnsherr Jvar Axelsfon Thode seinen
Sitz auf Wisborg Stoll und trieb von hier aus auf eigene Rechnung Seeraub.
Unter der zunehmenden Unsicherheit der Wasserstraßen litt Wisbus Handel
furchtbar. Im Jahre 1470 wurde es zum letzten Male zu einer Tagfahrt der
Hansestädte berufen.

Zu des sechzehnten Jahrhunderts Beginn hallt die Ostsee wider von
Waffenlärm und Kampfgetöse. Lübeck macht einen letzten Versuch, sich als
nordische Großmacht zu behaupten. Der letzte Unionskönig Christian der Zweite
(1513 bis 1523) strebte mit Ehrgeiz und Tatkraft nach einer festen An-
gliederung Schwedens an Dänemark, nach der Festigung der unmittelbaren
Königsmacht mit Vernichtung des Einflusses von Adel und Geistlichkeit und
nach der Aufhebung der hansischen Handelsvorrechte in den nordischen Reichen.
Damit war ein Kampf aller gegen alle auf und an der Ostsee gegeben. Mit
Lübecks Hilfe, die er allerdings durch große Pfandschaften und Handelsvorteile
erkaufen mußte, beseitigte Gustav Wasa mit der Eroberung Stockholms 1521
die Dänenherrschaft in Schweden und wurde auf dem Reichstage zu Strengnas
am 6. Juni 1523 zum Könige von Schweden gewählt. Christian der Zweite
war 1523 abgesetzt worden und wurde in Sonderburg gefangen gehalten.
Sein Oheim wurde an seiner Statt als Friedrich der Erste von Lübecks Gnaden
König von Dänemark. Nach dessen Tode versuchte sein Sohn, Christian der
Dritte, die Vormacht der Hanse zu brechen, indem er sich auf den Lübeck
feindlich gesinnten holsteinischen Adel stützte, sich mit seinem Oheim, dem deutschen
Kaiser Karl dem Fünften, verband und den Niederländern die Ostsee öffnen
wollte. Da wurde Jürgen Wullenwever, der Führer der lutherischen Demo¬
kratie gegen die katholische Aristokratie Lübecks, Bürgermeister der Stadt. Er
faßte den großartigen und weitsichtigen Plan, die Vormachtstellung der Hanse
in den nordischen Reichen durch Eroberung der Küstenstriche zu befestigen.
Dem Grafen Christoph von Oldenburg versprach er die Regentschaft in Däne¬
mark nach Christians des Dritten erstrebter Absetzung bis zur Wiederbesetzung
des dänischen Thrones durch Christian den Zweiten. Da ferner Gustav Wasas
Beziehungen zu Lübeck immer gespannter wurden, suchte und fand es einen
Gegenspieler gegen ihn in Gustavs eigenem Schwager, dem Grafen Johann
von Hoya. Man versprach ihm den schwedischen Thron. Das ist die Grafen¬
fehde, die schließlich mit Wullenwevers Sturz und Lübecks Niederlage einerseits,
der inneren Festigung der nordischen Reiche anderseits endigte. Zunächst schien
es freilich, als ob Lübeck siegreich sein sollte. Zwar hatten die niederländischen
Stände im September 1533 eine Flotte mit der Aufgabe in die Ostsee geschickt,
Lübecks Handel lahmzulegen. Sie plünderte die hansischen Niederlassungen in
Schonen und brachte einige wenige heimkehrende indische Bergenfahrer auf.
Diese Maßnahmen empfand Lübeck als Nadelstiche. Denn ihnen zum Trotz


wisby

beendigt worden waren, schlug er sich 1438 nach Gotland, wo er sich 1411
am Südende Wisbys die starke Feste Wisüorg Stoll erbaut hatte. Nach ihm
hatte bis zum Jahre 1478 als dänischer Lehnsherr Jvar Axelsfon Thode seinen
Sitz auf Wisborg Stoll und trieb von hier aus auf eigene Rechnung Seeraub.
Unter der zunehmenden Unsicherheit der Wasserstraßen litt Wisbus Handel
furchtbar. Im Jahre 1470 wurde es zum letzten Male zu einer Tagfahrt der
Hansestädte berufen.

Zu des sechzehnten Jahrhunderts Beginn hallt die Ostsee wider von
Waffenlärm und Kampfgetöse. Lübeck macht einen letzten Versuch, sich als
nordische Großmacht zu behaupten. Der letzte Unionskönig Christian der Zweite
(1513 bis 1523) strebte mit Ehrgeiz und Tatkraft nach einer festen An-
gliederung Schwedens an Dänemark, nach der Festigung der unmittelbaren
Königsmacht mit Vernichtung des Einflusses von Adel und Geistlichkeit und
nach der Aufhebung der hansischen Handelsvorrechte in den nordischen Reichen.
Damit war ein Kampf aller gegen alle auf und an der Ostsee gegeben. Mit
Lübecks Hilfe, die er allerdings durch große Pfandschaften und Handelsvorteile
erkaufen mußte, beseitigte Gustav Wasa mit der Eroberung Stockholms 1521
die Dänenherrschaft in Schweden und wurde auf dem Reichstage zu Strengnas
am 6. Juni 1523 zum Könige von Schweden gewählt. Christian der Zweite
war 1523 abgesetzt worden und wurde in Sonderburg gefangen gehalten.
Sein Oheim wurde an seiner Statt als Friedrich der Erste von Lübecks Gnaden
König von Dänemark. Nach dessen Tode versuchte sein Sohn, Christian der
Dritte, die Vormacht der Hanse zu brechen, indem er sich auf den Lübeck
feindlich gesinnten holsteinischen Adel stützte, sich mit seinem Oheim, dem deutschen
Kaiser Karl dem Fünften, verband und den Niederländern die Ostsee öffnen
wollte. Da wurde Jürgen Wullenwever, der Führer der lutherischen Demo¬
kratie gegen die katholische Aristokratie Lübecks, Bürgermeister der Stadt. Er
faßte den großartigen und weitsichtigen Plan, die Vormachtstellung der Hanse
in den nordischen Reichen durch Eroberung der Küstenstriche zu befestigen.
Dem Grafen Christoph von Oldenburg versprach er die Regentschaft in Däne¬
mark nach Christians des Dritten erstrebter Absetzung bis zur Wiederbesetzung
des dänischen Thrones durch Christian den Zweiten. Da ferner Gustav Wasas
Beziehungen zu Lübeck immer gespannter wurden, suchte und fand es einen
Gegenspieler gegen ihn in Gustavs eigenem Schwager, dem Grafen Johann
von Hoya. Man versprach ihm den schwedischen Thron. Das ist die Grafen¬
fehde, die schließlich mit Wullenwevers Sturz und Lübecks Niederlage einerseits,
der inneren Festigung der nordischen Reiche anderseits endigte. Zunächst schien
es freilich, als ob Lübeck siegreich sein sollte. Zwar hatten die niederländischen
Stände im September 1533 eine Flotte mit der Aufgabe in die Ostsee geschickt,
Lübecks Handel lahmzulegen. Sie plünderte die hansischen Niederlassungen in
Schonen und brachte einige wenige heimkehrende indische Bergenfahrer auf.
Diese Maßnahmen empfand Lübeck als Nadelstiche. Denn ihnen zum Trotz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/571>, abgerufen am 25.07.2024.