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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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"Freidentsche Jugendkultur"

abgehaltene erste Vertreterversammlung der "Freideutschen Jugend". Der Pro¬
grammausschuß bringt darüber in der Täglichen Rundschau vom 17. März
folgende als jüngstes offizielles Dokument der Bewegung bedeutsame Erklärung:
'

"Die .Freideutsche Jugend ist eine Jugendbewegung, deren Kennzeichen
es eben ist, daß die Jugend, hier rein auf sich gestellt, ohne Nebenabsichten
gegen die realen Verhältnisse und Einrichtungen des staatlichen Lebens, innerhalb
seines Schutzes, Organisationen geschaffen hat, in denen sie sich selbst zu ent¬
wickeln strebt. Der Einfluß irgendwelcher Verbände, die auf die Verbesserung
der oben gemeinten Einrichtungen ausgehen, würde ein fälschendes Moment
in diese auf sich ruhende Bewegung bringen und nutz daher verhindert
werden.

Dies sahen die noch zu der ,Freideutschen Jugend gerechneten ,Alters¬
verbände' auch ein. In ruhiger und ritterlicher Weise, die Lebensinteressen der
Jugend selbst betonend, lösten der .Bund deutscher Volkserzieher' und der
.Vortrupp' ihr Verhältnis zu dem Verbände auf. Länger dauerte es, bis der
.Bund für freie Schulgemeinden' die Berechtigung der vorgetragenen Wünsche
einsah, aber nach Beendigung der ersten Sitzung reichte auch sein Bevoll¬
mächtigter Dr. Wyneken seine Austrittserklärung ein. Zugleich trat auch die
.Freie Schulgemeinde Wintersdorf' aus. Die Schlußsitzung für diesen Punkt
der Tagesordnung brachte noch die Ablehnung eines Aufnahmegesuches der
Berliner Sprechsäle, einer aus dem Kreise der Schülerzeitschrift .Anfang' hervor¬
gegangenen Gründung" *).

Die am folgenden Tage gewonnene Festsetzung des Programms der "Frei¬
deutschen Jugend" hat folgenden Wortlaut:

"Die Freideutsche Jugend ist eine Gemeinschaft von Jugendbünden, deren
gemeinsame Grundlage darin besteht, von der Jugend geschaffen und ge¬
tragen zu sein, und deren gemeinsames Ziel es ist, die Vermittlung der von
den Älteren erworbenen und überlieferten Werte zu ergänzen durch eine Ent¬
wicklung der eigenen Kräfte unter eigener Verantwortlichkeit mit innerer Wahr¬
haftigkeit. Jede Parteinahme in wirtschaftlicher, konfessioneller und politischer
Beziehung lehnt sie ab.

Die den einzelnen Verbänden eigentümlichen Wege und Ziele werden durch
den Zusammenschluß nicht berührt.

In diesem den Jugendbünden gemeinsamen Bestreben nach Selbsterziehung
sucht sich die Freideutsche Jugend durch Veranstaltung von Vertreter- und
Jugendtagen in gemeinsamer Arbeit und Feier zu erhalten und zu fördern."



*) Die hier gegebene Auffassung von der Entstehung der Sprechsäle belegt aufs neue,
wie die verschiedenen Erscheinungen in dieser modernen Jugendbewegung innerlich, wenn
auch vielleicht nicht statutarisch oder organisatorisch, zusammenhängen und trotz aller offiziellen
AbschwächungSversuche und gegenteiligen Erklärungen miteinander verflochten sind (vgl. auch
S. 346). Der erste Semesterbericht des A. C. S, benennt die Sprechsäle ausdrücklich als seine
Gründung, desgleichen Wyneken ("Die neue Jugend" S. 8).
„Freidentsche Jugendkultur"

abgehaltene erste Vertreterversammlung der „Freideutschen Jugend". Der Pro¬
grammausschuß bringt darüber in der Täglichen Rundschau vom 17. März
folgende als jüngstes offizielles Dokument der Bewegung bedeutsame Erklärung:
'

„Die .Freideutsche Jugend ist eine Jugendbewegung, deren Kennzeichen
es eben ist, daß die Jugend, hier rein auf sich gestellt, ohne Nebenabsichten
gegen die realen Verhältnisse und Einrichtungen des staatlichen Lebens, innerhalb
seines Schutzes, Organisationen geschaffen hat, in denen sie sich selbst zu ent¬
wickeln strebt. Der Einfluß irgendwelcher Verbände, die auf die Verbesserung
der oben gemeinten Einrichtungen ausgehen, würde ein fälschendes Moment
in diese auf sich ruhende Bewegung bringen und nutz daher verhindert
werden.

Dies sahen die noch zu der ,Freideutschen Jugend gerechneten ,Alters¬
verbände' auch ein. In ruhiger und ritterlicher Weise, die Lebensinteressen der
Jugend selbst betonend, lösten der .Bund deutscher Volkserzieher' und der
.Vortrupp' ihr Verhältnis zu dem Verbände auf. Länger dauerte es, bis der
.Bund für freie Schulgemeinden' die Berechtigung der vorgetragenen Wünsche
einsah, aber nach Beendigung der ersten Sitzung reichte auch sein Bevoll¬
mächtigter Dr. Wyneken seine Austrittserklärung ein. Zugleich trat auch die
.Freie Schulgemeinde Wintersdorf' aus. Die Schlußsitzung für diesen Punkt
der Tagesordnung brachte noch die Ablehnung eines Aufnahmegesuches der
Berliner Sprechsäle, einer aus dem Kreise der Schülerzeitschrift .Anfang' hervor¬
gegangenen Gründung" *).

Die am folgenden Tage gewonnene Festsetzung des Programms der „Frei¬
deutschen Jugend" hat folgenden Wortlaut:

„Die Freideutsche Jugend ist eine Gemeinschaft von Jugendbünden, deren
gemeinsame Grundlage darin besteht, von der Jugend geschaffen und ge¬
tragen zu sein, und deren gemeinsames Ziel es ist, die Vermittlung der von
den Älteren erworbenen und überlieferten Werte zu ergänzen durch eine Ent¬
wicklung der eigenen Kräfte unter eigener Verantwortlichkeit mit innerer Wahr¬
haftigkeit. Jede Parteinahme in wirtschaftlicher, konfessioneller und politischer
Beziehung lehnt sie ab.

Die den einzelnen Verbänden eigentümlichen Wege und Ziele werden durch
den Zusammenschluß nicht berührt.

In diesem den Jugendbünden gemeinsamen Bestreben nach Selbsterziehung
sucht sich die Freideutsche Jugend durch Veranstaltung von Vertreter- und
Jugendtagen in gemeinsamer Arbeit und Feier zu erhalten und zu fördern."



*) Die hier gegebene Auffassung von der Entstehung der Sprechsäle belegt aufs neue,
wie die verschiedenen Erscheinungen in dieser modernen Jugendbewegung innerlich, wenn
auch vielleicht nicht statutarisch oder organisatorisch, zusammenhängen und trotz aller offiziellen
AbschwächungSversuche und gegenteiligen Erklärungen miteinander verflochten sind (vgl. auch
S. 346). Der erste Semesterbericht des A. C. S, benennt die Sprechsäle ausdrücklich als seine
Gründung, desgleichen Wyneken („Die neue Jugend" S. 8).
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[0422] „Freidentsche Jugendkultur" abgehaltene erste Vertreterversammlung der „Freideutschen Jugend". Der Pro¬ grammausschuß bringt darüber in der Täglichen Rundschau vom 17. März folgende als jüngstes offizielles Dokument der Bewegung bedeutsame Erklärung: ' „Die .Freideutsche Jugend ist eine Jugendbewegung, deren Kennzeichen es eben ist, daß die Jugend, hier rein auf sich gestellt, ohne Nebenabsichten gegen die realen Verhältnisse und Einrichtungen des staatlichen Lebens, innerhalb seines Schutzes, Organisationen geschaffen hat, in denen sie sich selbst zu ent¬ wickeln strebt. Der Einfluß irgendwelcher Verbände, die auf die Verbesserung der oben gemeinten Einrichtungen ausgehen, würde ein fälschendes Moment in diese auf sich ruhende Bewegung bringen und nutz daher verhindert werden. Dies sahen die noch zu der ,Freideutschen Jugend gerechneten ,Alters¬ verbände' auch ein. In ruhiger und ritterlicher Weise, die Lebensinteressen der Jugend selbst betonend, lösten der .Bund deutscher Volkserzieher' und der .Vortrupp' ihr Verhältnis zu dem Verbände auf. Länger dauerte es, bis der .Bund für freie Schulgemeinden' die Berechtigung der vorgetragenen Wünsche einsah, aber nach Beendigung der ersten Sitzung reichte auch sein Bevoll¬ mächtigter Dr. Wyneken seine Austrittserklärung ein. Zugleich trat auch die .Freie Schulgemeinde Wintersdorf' aus. Die Schlußsitzung für diesen Punkt der Tagesordnung brachte noch die Ablehnung eines Aufnahmegesuches der Berliner Sprechsäle, einer aus dem Kreise der Schülerzeitschrift .Anfang' hervor¬ gegangenen Gründung" *). Die am folgenden Tage gewonnene Festsetzung des Programms der „Frei¬ deutschen Jugend" hat folgenden Wortlaut: „Die Freideutsche Jugend ist eine Gemeinschaft von Jugendbünden, deren gemeinsame Grundlage darin besteht, von der Jugend geschaffen und ge¬ tragen zu sein, und deren gemeinsames Ziel es ist, die Vermittlung der von den Älteren erworbenen und überlieferten Werte zu ergänzen durch eine Ent¬ wicklung der eigenen Kräfte unter eigener Verantwortlichkeit mit innerer Wahr¬ haftigkeit. Jede Parteinahme in wirtschaftlicher, konfessioneller und politischer Beziehung lehnt sie ab. Die den einzelnen Verbänden eigentümlichen Wege und Ziele werden durch den Zusammenschluß nicht berührt. In diesem den Jugendbünden gemeinsamen Bestreben nach Selbsterziehung sucht sich die Freideutsche Jugend durch Veranstaltung von Vertreter- und Jugendtagen in gemeinsamer Arbeit und Feier zu erhalten und zu fördern." *) Die hier gegebene Auffassung von der Entstehung der Sprechsäle belegt aufs neue, wie die verschiedenen Erscheinungen in dieser modernen Jugendbewegung innerlich, wenn auch vielleicht nicht statutarisch oder organisatorisch, zusammenhängen und trotz aller offiziellen AbschwächungSversuche und gegenteiligen Erklärungen miteinander verflochten sind (vgl. auch S. 346). Der erste Semesterbericht des A. C. S, benennt die Sprechsäle ausdrücklich als seine Gründung, desgleichen Wyneken („Die neue Jugend" S. 8).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/422>, abgerufen am 25.07.2024.