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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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"Freideutsche Jugendkultur"

die Stellung des Vortrupps zu der Schülerzeitschrift ,Der Anfang' anbelangt,
so ist das Wort Dr. Poperts maßgebend: ,Der Geist der Zeitschrift ,Der
Anfang/ möge uns fernbleiben/" Auch Herrn. Anders Krüger nennt die von
Wyneken als notwendig und unersetzlich gekennzeichnete Zeitschrift "Der Anfang"
"höchst bedenklich" und tadelt das unbesonnene und agitatorische Vorgehen der
Herausgeber. Und Natorp fordert, daß die Schriftleiter aus dem Bewußtsein
der Verantwortung heraus aus extreme Äußerungen aufmerksam machen und
sie bestimmt zurückweisen müßten.

Anderseits wird diese Zeitschrift über den grünen Klee gelobt in einer Besprechung
der K. C. - Blätter (vom 1. Januar 1914), des Organs der "Tendenzverbindungen
deutscher Studenten jüdischen Glaubens": "Das ist es, was den .Anfang' so
vorteilhaft von anderen Zeitschriften ähnlicher Tendenz. . . unterscheidet, daß
hier nicht unreife Phantasmagorien einzelner ungesunder Naturen propagiert
werden, sondern daß gesunde, kluge, selbständige Jungen und Mädel ihre
gemeinsamen Nöte und Zweifel erkannt haben, miteinander besprechen und Aus¬
wege finden wollen. Die bis jetzt erschienenen acht Hefte enthalten mehr
Material als in zehn Jugendreformkongressen zutage gefördert wird, bloß weil
die Nächstbeteiligten und -berufenen reden; reden, wie sie müssen, wenn sie
ehrlich sein wollen/' Den Beschluß macht der Satz: "Leser und Mitarbeiter
braucht der ,Anfang/ und soll sie auch unter den K. C.ern vorfindenI" Wozu wir be¬
merken: So weit wir uns von schwächlichem Antisemitismus entfernt wissen und dem
charaktervoller Judentum (unter dem wir allerdings mehr den Nationaljuden als
den Assimilationsjuden verstehen) praktisch haben Förderung angedeihen lassen, so
ernstlich müßten wir doch ein weiteres Vordringen des jüdischen Elements in
dieser neuen deutschen Jugendbewegung beklagen. Denn wir sind der Meinung,
daß bereits jetzt mehr, als für den Geist der Bewegung gut ist, der jüdische
Einschlag sich in den führenden Stellen geltend macht, der bekanntlich noch nicht
durch ein Taufzeugnis ausgeschaltet ist; ich nenne nur Namen wie Georges
Barbizon (lies: Barbisohn) und Siegfried Bernfeld (Herausgeber des "Anfang").
Elly Salomon (Leiterin des Münchener Sprechsaals), Siegfried Bernfeld (Arbeits¬
leiter des akademischen Komitees für Schulreform in Wien), H, Benjamin (der
Sprecher der Freiburger Richtung in Breslau), I. Philippson (der Vertreter der
Göttinger Gruppe ebenda), Herbert Blumenthal (der Verfasser des Erotikartikels),
die "Elsie" aus Berlin u. a.

Ob jene Winke, wenn nicht bei Wyneken, doch bei den Vertretern der
neuen deutschen Jugend, an die sie deutlich und direkt gerichtet waren, verfangen
werden? Bestimmtes darüber läßt sich zurzeit nicht sagen; leicht wird es nicht
sein, nachdem die Revolutionierung ob ovo begonnen und alle Erfahrung der
Älteren, auch der Wohlmeinendsten, mit dem Bannfluch belegt hat. Aber das
Bedürfnis nach Klärung, wohl auch nach Läuterung, ist doch vorhanden.
Dem ausgesprochenen Zweck, "Klarheit in die Ziele und die Zusammensetzung
des Verbandes zu bringen," diente die am 7. und 8. März d. I. in Marburg


„Freideutsche Jugendkultur"

die Stellung des Vortrupps zu der Schülerzeitschrift ,Der Anfang' anbelangt,
so ist das Wort Dr. Poperts maßgebend: ,Der Geist der Zeitschrift ,Der
Anfang/ möge uns fernbleiben/" Auch Herrn. Anders Krüger nennt die von
Wyneken als notwendig und unersetzlich gekennzeichnete Zeitschrift „Der Anfang"
„höchst bedenklich" und tadelt das unbesonnene und agitatorische Vorgehen der
Herausgeber. Und Natorp fordert, daß die Schriftleiter aus dem Bewußtsein
der Verantwortung heraus aus extreme Äußerungen aufmerksam machen und
sie bestimmt zurückweisen müßten.

Anderseits wird diese Zeitschrift über den grünen Klee gelobt in einer Besprechung
der K. C. - Blätter (vom 1. Januar 1914), des Organs der „Tendenzverbindungen
deutscher Studenten jüdischen Glaubens": „Das ist es, was den .Anfang' so
vorteilhaft von anderen Zeitschriften ähnlicher Tendenz. . . unterscheidet, daß
hier nicht unreife Phantasmagorien einzelner ungesunder Naturen propagiert
werden, sondern daß gesunde, kluge, selbständige Jungen und Mädel ihre
gemeinsamen Nöte und Zweifel erkannt haben, miteinander besprechen und Aus¬
wege finden wollen. Die bis jetzt erschienenen acht Hefte enthalten mehr
Material als in zehn Jugendreformkongressen zutage gefördert wird, bloß weil
die Nächstbeteiligten und -berufenen reden; reden, wie sie müssen, wenn sie
ehrlich sein wollen/' Den Beschluß macht der Satz: „Leser und Mitarbeiter
braucht der ,Anfang/ und soll sie auch unter den K. C.ern vorfindenI" Wozu wir be¬
merken: So weit wir uns von schwächlichem Antisemitismus entfernt wissen und dem
charaktervoller Judentum (unter dem wir allerdings mehr den Nationaljuden als
den Assimilationsjuden verstehen) praktisch haben Förderung angedeihen lassen, so
ernstlich müßten wir doch ein weiteres Vordringen des jüdischen Elements in
dieser neuen deutschen Jugendbewegung beklagen. Denn wir sind der Meinung,
daß bereits jetzt mehr, als für den Geist der Bewegung gut ist, der jüdische
Einschlag sich in den führenden Stellen geltend macht, der bekanntlich noch nicht
durch ein Taufzeugnis ausgeschaltet ist; ich nenne nur Namen wie Georges
Barbizon (lies: Barbisohn) und Siegfried Bernfeld (Herausgeber des „Anfang").
Elly Salomon (Leiterin des Münchener Sprechsaals), Siegfried Bernfeld (Arbeits¬
leiter des akademischen Komitees für Schulreform in Wien), H, Benjamin (der
Sprecher der Freiburger Richtung in Breslau), I. Philippson (der Vertreter der
Göttinger Gruppe ebenda), Herbert Blumenthal (der Verfasser des Erotikartikels),
die „Elsie" aus Berlin u. a.

Ob jene Winke, wenn nicht bei Wyneken, doch bei den Vertretern der
neuen deutschen Jugend, an die sie deutlich und direkt gerichtet waren, verfangen
werden? Bestimmtes darüber läßt sich zurzeit nicht sagen; leicht wird es nicht
sein, nachdem die Revolutionierung ob ovo begonnen und alle Erfahrung der
Älteren, auch der Wohlmeinendsten, mit dem Bannfluch belegt hat. Aber das
Bedürfnis nach Klärung, wohl auch nach Läuterung, ist doch vorhanden.
Dem ausgesprochenen Zweck, „Klarheit in die Ziele und die Zusammensetzung
des Verbandes zu bringen," diente die am 7. und 8. März d. I. in Marburg


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[0421] „Freideutsche Jugendkultur" die Stellung des Vortrupps zu der Schülerzeitschrift ,Der Anfang' anbelangt, so ist das Wort Dr. Poperts maßgebend: ,Der Geist der Zeitschrift ,Der Anfang/ möge uns fernbleiben/" Auch Herrn. Anders Krüger nennt die von Wyneken als notwendig und unersetzlich gekennzeichnete Zeitschrift „Der Anfang" „höchst bedenklich" und tadelt das unbesonnene und agitatorische Vorgehen der Herausgeber. Und Natorp fordert, daß die Schriftleiter aus dem Bewußtsein der Verantwortung heraus aus extreme Äußerungen aufmerksam machen und sie bestimmt zurückweisen müßten. Anderseits wird diese Zeitschrift über den grünen Klee gelobt in einer Besprechung der K. C. - Blätter (vom 1. Januar 1914), des Organs der „Tendenzverbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens": „Das ist es, was den .Anfang' so vorteilhaft von anderen Zeitschriften ähnlicher Tendenz. . . unterscheidet, daß hier nicht unreife Phantasmagorien einzelner ungesunder Naturen propagiert werden, sondern daß gesunde, kluge, selbständige Jungen und Mädel ihre gemeinsamen Nöte und Zweifel erkannt haben, miteinander besprechen und Aus¬ wege finden wollen. Die bis jetzt erschienenen acht Hefte enthalten mehr Material als in zehn Jugendreformkongressen zutage gefördert wird, bloß weil die Nächstbeteiligten und -berufenen reden; reden, wie sie müssen, wenn sie ehrlich sein wollen/' Den Beschluß macht der Satz: „Leser und Mitarbeiter braucht der ,Anfang/ und soll sie auch unter den K. C.ern vorfindenI" Wozu wir be¬ merken: So weit wir uns von schwächlichem Antisemitismus entfernt wissen und dem charaktervoller Judentum (unter dem wir allerdings mehr den Nationaljuden als den Assimilationsjuden verstehen) praktisch haben Förderung angedeihen lassen, so ernstlich müßten wir doch ein weiteres Vordringen des jüdischen Elements in dieser neuen deutschen Jugendbewegung beklagen. Denn wir sind der Meinung, daß bereits jetzt mehr, als für den Geist der Bewegung gut ist, der jüdische Einschlag sich in den führenden Stellen geltend macht, der bekanntlich noch nicht durch ein Taufzeugnis ausgeschaltet ist; ich nenne nur Namen wie Georges Barbizon (lies: Barbisohn) und Siegfried Bernfeld (Herausgeber des „Anfang"). Elly Salomon (Leiterin des Münchener Sprechsaals), Siegfried Bernfeld (Arbeits¬ leiter des akademischen Komitees für Schulreform in Wien), H, Benjamin (der Sprecher der Freiburger Richtung in Breslau), I. Philippson (der Vertreter der Göttinger Gruppe ebenda), Herbert Blumenthal (der Verfasser des Erotikartikels), die „Elsie" aus Berlin u. a. Ob jene Winke, wenn nicht bei Wyneken, doch bei den Vertretern der neuen deutschen Jugend, an die sie deutlich und direkt gerichtet waren, verfangen werden? Bestimmtes darüber läßt sich zurzeit nicht sagen; leicht wird es nicht sein, nachdem die Revolutionierung ob ovo begonnen und alle Erfahrung der Älteren, auch der Wohlmeinendsten, mit dem Bannfluch belegt hat. Aber das Bedürfnis nach Klärung, wohl auch nach Läuterung, ist doch vorhanden. Dem ausgesprochenen Zweck, „Klarheit in die Ziele und die Zusammensetzung des Verbandes zu bringen," diente die am 7. und 8. März d. I. in Marburg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/421>, abgerufen am 04.07.2024.