Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr."Freideutsche Zugendkultur" Korreferat zu Wynekens Vortrag als seine Aufgabe, die von Breslau aus¬ „Freideutsche Zugendkultur" Korreferat zu Wynekens Vortrag als seine Aufgabe, die von Breslau aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328520"/> <fw type="header" place="top"> „Freideutsche Zugendkultur"</fw><lb/> <p xml:id="ID_1673" prev="#ID_1672" next="#ID_1674"> Korreferat zu Wynekens Vortrag als seine Aufgabe, die von Breslau aus¬<lb/> gehende studentisch - pädagogische Bewegung mit der Wynekenschen auseinander¬<lb/> zusetzen, und erklärte dabei unter anderem: „Ich will heute nicht erörtern, ob<lb/> der (von Wyneken geprägte) Begriff der ,Jugendkultur' so klar ist, und ob das,<lb/> was an ihm klar ist, wirklich so neu und so gut ist, daß er das Stichwort für<lb/> eine grundstürzende Kulturreform zu bilden berufen wäre." Er kennzeichnete<lb/> alsdann die Überzeugung der sogenannten „Breslauer Richtung" wiederholt<lb/> dahin, „daß es Positiveres und Wertvolleres zu leisten gibt, als eine prinzipielle<lb/> Feindschaft gegen alles Bestehende im Schulwesen zu verkünden und die Schul¬<lb/> jugend zu revolutionieren." Privatdozent Dr. Kabitz - Breslau aber erklärte in<lb/> der Diskussion: Wer es wagt, daraufhin, daß in Staat und Gesellschaft, Haus<lb/> und Schule vielerlei faul ist, unsere ganze Kultur schlecht zu nennen und seine<lb/> Einzelerfahrung verallgemeinert, „der hat kein intellektuelles Gewissen. Bei den<lb/> Vorstellungen, die sich Herr Dr. Wyneken von unserer Kultur macht, wundert<lb/> es mich gar nicht, daß seine Ideen und Ideale ins Phantastische umschlagen;<lb/> zu haltbaren Ideen gelangt man eben nur, wenn man die Wirklichkeit zugleich<lb/> mit den Werten im Auge behält." Und deutlicher noch wies, trotz aller Ver¬<lb/> klausulierung, Prof. Dr. Natorp - Marburg gelegentlich der Hauptversammlung<lb/> der Comenius - Gesellschaft auf die der Jugendbewegung von Wynekes drohende<lb/> Gefahr hin. „Es hat — das muß einmal offen gesagt werden — gerade Wyneken,<lb/> den ich als theoretischen Kopf und als seiner Sache sich unbedingt hingebenden<lb/> Mann aufs höchste achte, seine Thesen bisweilen in einer Art zugespitzt, daß<lb/> sie in den Köpfen der Jugend selbst wie in denen der Gegner bedeutende Ver¬<lb/> wirrungen . . . anstiften konnten und wirklich angestiftet haben. Da muß man<lb/> sich doch vorsehen, daß nicht gegründete Bedenken, die gegen Wynekens im letzten<lb/> Kern zwar gesunde, aber allzuleicht in ein ungesundes Extrem getriebene<lb/> Theorien ... sich erheben, auf die ganze, diese Gruppe eben doch miteinschließende<lb/> Bewegung übertragen werden und sie auch solchen, die sonst mit ihr sympathi¬<lb/> sieren würden, verdächtig machen." Derselbe Natorp urteilte hernach am<lb/> 7. März in Marburg in Gegenwart von Dr. Wyneken: „Wir können für<lb/> Herrn Dr. Wyneken nicht eintreten in dem Sinne, daß wir uns mit dem<lb/> Gehalt seiner Ideen identifizieren .... Es besteht aber in weitesten Kreisen<lb/> diese Vorstellung: die Freideutsche Jugend verfolge ganz bestimmte Be¬<lb/> strebungen . . ., etwa wie Dr. Wyneken oder die Abstinenten sie vertreten. All<lb/> das wird der Freideutschen Jugend zugerechnet, und das stört ihre erste und<lb/> einzige Absicht." Auf der Aufklärungsversammlung in der Münchener Torhalle<lb/> aber, die am ö. Februar d. I. einberufen wurde, um „dem weiteren Herum¬<lb/> zerren der Freideutschen Jugend in der Öffentlichkeit ein Ende zu machen,"<lb/> hatte der ihr angegliederte Deutsche Vortruppbund durch seinen Vertreter<lb/> offiziell erklären lassen: „Der Vortrupp hat schon auf dem Freideutschen Jugend¬<lb/> tag die Ideen Dr. Wynekens auf das schärfste bekämpft. . ., er erklärt auch<lb/> heute wieder, daß er die Ideen Dr. Wynekens unbedingt ablehnt.... Was</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
„Freideutsche Zugendkultur"
Korreferat zu Wynekens Vortrag als seine Aufgabe, die von Breslau aus¬
gehende studentisch - pädagogische Bewegung mit der Wynekenschen auseinander¬
zusetzen, und erklärte dabei unter anderem: „Ich will heute nicht erörtern, ob
der (von Wyneken geprägte) Begriff der ,Jugendkultur' so klar ist, und ob das,
was an ihm klar ist, wirklich so neu und so gut ist, daß er das Stichwort für
eine grundstürzende Kulturreform zu bilden berufen wäre." Er kennzeichnete
alsdann die Überzeugung der sogenannten „Breslauer Richtung" wiederholt
dahin, „daß es Positiveres und Wertvolleres zu leisten gibt, als eine prinzipielle
Feindschaft gegen alles Bestehende im Schulwesen zu verkünden und die Schul¬
jugend zu revolutionieren." Privatdozent Dr. Kabitz - Breslau aber erklärte in
der Diskussion: Wer es wagt, daraufhin, daß in Staat und Gesellschaft, Haus
und Schule vielerlei faul ist, unsere ganze Kultur schlecht zu nennen und seine
Einzelerfahrung verallgemeinert, „der hat kein intellektuelles Gewissen. Bei den
Vorstellungen, die sich Herr Dr. Wyneken von unserer Kultur macht, wundert
es mich gar nicht, daß seine Ideen und Ideale ins Phantastische umschlagen;
zu haltbaren Ideen gelangt man eben nur, wenn man die Wirklichkeit zugleich
mit den Werten im Auge behält." Und deutlicher noch wies, trotz aller Ver¬
klausulierung, Prof. Dr. Natorp - Marburg gelegentlich der Hauptversammlung
der Comenius - Gesellschaft auf die der Jugendbewegung von Wynekes drohende
Gefahr hin. „Es hat — das muß einmal offen gesagt werden — gerade Wyneken,
den ich als theoretischen Kopf und als seiner Sache sich unbedingt hingebenden
Mann aufs höchste achte, seine Thesen bisweilen in einer Art zugespitzt, daß
sie in den Köpfen der Jugend selbst wie in denen der Gegner bedeutende Ver¬
wirrungen . . . anstiften konnten und wirklich angestiftet haben. Da muß man
sich doch vorsehen, daß nicht gegründete Bedenken, die gegen Wynekens im letzten
Kern zwar gesunde, aber allzuleicht in ein ungesundes Extrem getriebene
Theorien ... sich erheben, auf die ganze, diese Gruppe eben doch miteinschließende
Bewegung übertragen werden und sie auch solchen, die sonst mit ihr sympathi¬
sieren würden, verdächtig machen." Derselbe Natorp urteilte hernach am
7. März in Marburg in Gegenwart von Dr. Wyneken: „Wir können für
Herrn Dr. Wyneken nicht eintreten in dem Sinne, daß wir uns mit dem
Gehalt seiner Ideen identifizieren .... Es besteht aber in weitesten Kreisen
diese Vorstellung: die Freideutsche Jugend verfolge ganz bestimmte Be¬
strebungen . . ., etwa wie Dr. Wyneken oder die Abstinenten sie vertreten. All
das wird der Freideutschen Jugend zugerechnet, und das stört ihre erste und
einzige Absicht." Auf der Aufklärungsversammlung in der Münchener Torhalle
aber, die am ö. Februar d. I. einberufen wurde, um „dem weiteren Herum¬
zerren der Freideutschen Jugend in der Öffentlichkeit ein Ende zu machen,"
hatte der ihr angegliederte Deutsche Vortruppbund durch seinen Vertreter
offiziell erklären lassen: „Der Vortrupp hat schon auf dem Freideutschen Jugend¬
tag die Ideen Dr. Wynekens auf das schärfste bekämpft. . ., er erklärt auch
heute wieder, daß er die Ideen Dr. Wynekens unbedingt ablehnt.... Was
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