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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Here von Raym

es war natürlich doch besser, als wenn der Feind gekommen wäre. Gott und
die heilige Jungfrau wollten einen in Gnaden bewahren!

Während der Bruder so sprach, schlug er ein Kreuz nach dem anderen
und sah Heilwig dabei so freundlich an, daß sie ihm die Hand geben und einige
Dankesworte sagen mußte. Leise streichelte er ihre schlanken Finger mit seinen
verarbeiteten.

"Das Fräulein hat es wohl nit gut gehabt in Manen," sagte er halb
entschuldigend. "Habs eh nit gewußt, einer von den Reitern hat es mir erzählt.
Ja, ja, die Leut sind manchmal nit freundlich und bilden sich was ein. Da
ist es nur gut, das Fräulein kehrt wieder heim. Soll arger Nebel in ihrem
Land sein und der Glaube ist nit der Rechte. Aber Gott und die heilige
Jungfrau wird sie sicherlich in ihren Schutz nehmen!"

Jetzt stieg der Staatsrat zu seiner Tochter ein. Trotz des Sommerwetters
war er in einen Pelzmantel gewickelt und trug einen Stoß von Papieren in
der Hand, während ihm etliche dicke Ledertaschen nachgereicht wurden. Denn
wohl jeden Tag war ein Bote von irgendeinem Lande gekommen und viel
Schreibmerk kostete den Diplomaten der Krieg. Darum ging er keinen Tag
früher zu Ende. Aber das Geschreibe mußte nun einmal sein und Herr
von Sehestedt häufte seine Akten in einen Wagenkasten und vergaß darüber fast,
demi Abt und den Mönchen Lebewohl zu sagen. Er kath aber doch und sprach
einige höfliche Worte von Wiedersehen und was man dann sagt. Bedächtig
zogen die Pferde an, die Kutsche schaukelte hin und her und langsam entschwand
der See, das Kloster den Blicken. Es blieb nur der Wald mit seinen herrlichen
Buchen, deren Kronen sich wölbten wie im Dome. Der Staatsrat betrachtete
sie wohlgefällig.

"Sie sind wie die holsteiner Buchen, so groß und schlank! Wahrlich, ein
schönes Land, und die Menschen sind gut, trotz ihres andern Glaubens, aber
sie werden doch viel Leid erfahren müssen. Die Braunschweiger mit ihren
Herzögen, Hans Adolf und der Lothringer, sie Schaffens nicht auf lange, der
Franzos ist mächtiger als sie und er wird wiederkommen, wenn sie ihn auch
jetzt verjagen."

Heilwig antwortete nicht, sondern zog einen dicken Schleier vor das
Gesicht, obwohl es Juli geworden und sehr warm war. Und auch ihr
Vater lehnte sich zurück und versank in Sinnen. Es war ihm recht,
wie es gekommen war; ungern hätte er seine Einwilligung zu der Ver¬
bindung seiner Tochter mit einem katholischen Junker gegeben, nun freute er
sich, daß er nicht den harten Bater spielen mußte, daß sich die Knoten fast
von selbst lösten, die junge törichte Herzen geschlagen. Und es war auch nur
ein kleiner Knoten gewesen. Weiter rollte der Wagen. Aus dem Bergland
der Eifel in die Ebene des Rheins. Lang zog sich die Landstraße an den
Ufern des Stromes dahin. staubig und leer. Denn Handel und Wandel
lagen unter dem Kriegselend danieder, und wenn Menschen hier und da


Die Here von Raym

es war natürlich doch besser, als wenn der Feind gekommen wäre. Gott und
die heilige Jungfrau wollten einen in Gnaden bewahren!

Während der Bruder so sprach, schlug er ein Kreuz nach dem anderen
und sah Heilwig dabei so freundlich an, daß sie ihm die Hand geben und einige
Dankesworte sagen mußte. Leise streichelte er ihre schlanken Finger mit seinen
verarbeiteten.

„Das Fräulein hat es wohl nit gut gehabt in Manen," sagte er halb
entschuldigend. „Habs eh nit gewußt, einer von den Reitern hat es mir erzählt.
Ja, ja, die Leut sind manchmal nit freundlich und bilden sich was ein. Da
ist es nur gut, das Fräulein kehrt wieder heim. Soll arger Nebel in ihrem
Land sein und der Glaube ist nit der Rechte. Aber Gott und die heilige
Jungfrau wird sie sicherlich in ihren Schutz nehmen!"

Jetzt stieg der Staatsrat zu seiner Tochter ein. Trotz des Sommerwetters
war er in einen Pelzmantel gewickelt und trug einen Stoß von Papieren in
der Hand, während ihm etliche dicke Ledertaschen nachgereicht wurden. Denn
wohl jeden Tag war ein Bote von irgendeinem Lande gekommen und viel
Schreibmerk kostete den Diplomaten der Krieg. Darum ging er keinen Tag
früher zu Ende. Aber das Geschreibe mußte nun einmal sein und Herr
von Sehestedt häufte seine Akten in einen Wagenkasten und vergaß darüber fast,
demi Abt und den Mönchen Lebewohl zu sagen. Er kath aber doch und sprach
einige höfliche Worte von Wiedersehen und was man dann sagt. Bedächtig
zogen die Pferde an, die Kutsche schaukelte hin und her und langsam entschwand
der See, das Kloster den Blicken. Es blieb nur der Wald mit seinen herrlichen
Buchen, deren Kronen sich wölbten wie im Dome. Der Staatsrat betrachtete
sie wohlgefällig.

„Sie sind wie die holsteiner Buchen, so groß und schlank! Wahrlich, ein
schönes Land, und die Menschen sind gut, trotz ihres andern Glaubens, aber
sie werden doch viel Leid erfahren müssen. Die Braunschweiger mit ihren
Herzögen, Hans Adolf und der Lothringer, sie Schaffens nicht auf lange, der
Franzos ist mächtiger als sie und er wird wiederkommen, wenn sie ihn auch
jetzt verjagen."

Heilwig antwortete nicht, sondern zog einen dicken Schleier vor das
Gesicht, obwohl es Juli geworden und sehr warm war. Und auch ihr
Vater lehnte sich zurück und versank in Sinnen. Es war ihm recht,
wie es gekommen war; ungern hätte er seine Einwilligung zu der Ver¬
bindung seiner Tochter mit einem katholischen Junker gegeben, nun freute er
sich, daß er nicht den harten Bater spielen mußte, daß sich die Knoten fast
von selbst lösten, die junge törichte Herzen geschlagen. Und es war auch nur
ein kleiner Knoten gewesen. Weiter rollte der Wagen. Aus dem Bergland
der Eifel in die Ebene des Rheins. Lang zog sich die Landstraße an den
Ufern des Stromes dahin. staubig und leer. Denn Handel und Wandel
lagen unter dem Kriegselend danieder, und wenn Menschen hier und da


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/40>, abgerufen am 24.07.2024.