Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Hexe von Mciyen

und dem Junker Franz Xaver einen Gruß zuzuwinken, der an der Tür lehnte
und ein wehleidiges Gesicht machte. Neben ihm stand der rote Kater und
hinter ihm Kätha, die von Frau von Bremer aufgenommen war, weil die in
Manen sie herausgejagt hatten. Ihr Vater war an seiner Wunde gestorben,
und die Weiber von Manen warfen ihr vor, daß sie Freundschaft mit einer
Hexe gehabt hätte. Da war es besser, eine Weile zu verschwinden, und wenn
es nicht anders ging, noch weiter zu wandern. Käthas Herz hing nicht an
Manen, nachdem sie Heilwig wiedergesehen hatte, merkte sie, daß sie sie liebte,
und wäre gern mit ihr gegangen. Das aber wollte Heilwig nicht.

"Es ist besser, jeder bleibe, wohin er gehört!" hatte sie mit einem ganz
besonderen Gesicht gesagt, und Kätha mußte mit diesem Abschlag zufrieden sein.

Nach dem Abschied saß sie im Keller und weinte. Eines Tages würde sie
aber wieder lachen und Heilwig vergessen, wie so vieles andere.

Der Wagen kroch den Berg nach Leach hinauf. Schwer war er, die
großen Pferde davor schnoben und der Kutscher ließ sie gemächlich gehen. Er
unterhielt sich mit den drei Reitern, die ihn begleiteten. Drei Holsteiner waren
es. die den Staatsrat durch das Land bis nach Hannover begleiten und viel¬
leicht noch weiter mit ihm reiten sollten. Denn das Land war unruhig, und
wenn es auch keine Franzosen hier mehr gab, so doch allerhand friedlose
Gesellen, die weder Haus noch Herd hatten und ihr Leben mit Wegelagern
fristeten.

Drei stämmige Gesellen waren es, und der eine von ihnen der Knecht des
Herzogs. Peter, mit dem Heilwig schon einmal Bekanntschaft machte. Er ritt
jetzt am Schlage und lachte zu ihr herein.

"Die Jungfrau soll man nicht bange sein, wenn wir anreiten! Wir
kriegen sie und den Herrn Vater schon durch!"

Vergnügt zeigte er auf seine schwere Muskete, die bei ihm im Steigbügel
steckte, aber Heilwig wandte den Kops. Sie kounte noch keine frohen Ge¬
sichter sehen.

Jetzt lag die Abtei vor ihr. Im hellen Sonnenschein, am blauen See,
umgeben von hohen Buchen, von blauen Bergen, deren Kuppen ein leichter
Nebel umschleierte.

Der Wagen hielt vor dem Kloster, der Abt stand vor der Pforte und
begrüßte Heilwig. Auch er sprach gute Worte, und dann kam Bruder Basilio
und brachte einen großen Korb.

"Es sind allerlei gute Sachen darin!" flüsteite er. "Die Jungfrau soll
nicht hungern auf der Reise, trotz der schlechten Zeiten!"

Dabei seufzte er und fah zu dem Fähnlein Braunschweiger, die noch immer
vor Laach kampierten und erst in einigen Tagen abziehen wollten. Zwar hatten
sie das Kloster gut beschützt, aber dafür waren sie auch sehr hungrig gewesen.
Der Bruder Küchen- und der Kellermeister hatten arbeiten müssen wie die Pferde
und der Goldschatz des Klosters war um manches Stück ärmer geworden. Aber


Die Hexe von Mciyen

und dem Junker Franz Xaver einen Gruß zuzuwinken, der an der Tür lehnte
und ein wehleidiges Gesicht machte. Neben ihm stand der rote Kater und
hinter ihm Kätha, die von Frau von Bremer aufgenommen war, weil die in
Manen sie herausgejagt hatten. Ihr Vater war an seiner Wunde gestorben,
und die Weiber von Manen warfen ihr vor, daß sie Freundschaft mit einer
Hexe gehabt hätte. Da war es besser, eine Weile zu verschwinden, und wenn
es nicht anders ging, noch weiter zu wandern. Käthas Herz hing nicht an
Manen, nachdem sie Heilwig wiedergesehen hatte, merkte sie, daß sie sie liebte,
und wäre gern mit ihr gegangen. Das aber wollte Heilwig nicht.

„Es ist besser, jeder bleibe, wohin er gehört!" hatte sie mit einem ganz
besonderen Gesicht gesagt, und Kätha mußte mit diesem Abschlag zufrieden sein.

Nach dem Abschied saß sie im Keller und weinte. Eines Tages würde sie
aber wieder lachen und Heilwig vergessen, wie so vieles andere.

Der Wagen kroch den Berg nach Leach hinauf. Schwer war er, die
großen Pferde davor schnoben und der Kutscher ließ sie gemächlich gehen. Er
unterhielt sich mit den drei Reitern, die ihn begleiteten. Drei Holsteiner waren
es. die den Staatsrat durch das Land bis nach Hannover begleiten und viel¬
leicht noch weiter mit ihm reiten sollten. Denn das Land war unruhig, und
wenn es auch keine Franzosen hier mehr gab, so doch allerhand friedlose
Gesellen, die weder Haus noch Herd hatten und ihr Leben mit Wegelagern
fristeten.

Drei stämmige Gesellen waren es, und der eine von ihnen der Knecht des
Herzogs. Peter, mit dem Heilwig schon einmal Bekanntschaft machte. Er ritt
jetzt am Schlage und lachte zu ihr herein.

„Die Jungfrau soll man nicht bange sein, wenn wir anreiten! Wir
kriegen sie und den Herrn Vater schon durch!"

Vergnügt zeigte er auf seine schwere Muskete, die bei ihm im Steigbügel
steckte, aber Heilwig wandte den Kops. Sie kounte noch keine frohen Ge¬
sichter sehen.

Jetzt lag die Abtei vor ihr. Im hellen Sonnenschein, am blauen See,
umgeben von hohen Buchen, von blauen Bergen, deren Kuppen ein leichter
Nebel umschleierte.

Der Wagen hielt vor dem Kloster, der Abt stand vor der Pforte und
begrüßte Heilwig. Auch er sprach gute Worte, und dann kam Bruder Basilio
und brachte einen großen Korb.

„Es sind allerlei gute Sachen darin!" flüsteite er. „Die Jungfrau soll
nicht hungern auf der Reise, trotz der schlechten Zeiten!"

Dabei seufzte er und fah zu dem Fähnlein Braunschweiger, die noch immer
vor Laach kampierten und erst in einigen Tagen abziehen wollten. Zwar hatten
sie das Kloster gut beschützt, aber dafür waren sie auch sehr hungrig gewesen.
Der Bruder Küchen- und der Kellermeister hatten arbeiten müssen wie die Pferde
und der Goldschatz des Klosters war um manches Stück ärmer geworden. Aber


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328139"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mciyen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_105" prev="#ID_104"> und dem Junker Franz Xaver einen Gruß zuzuwinken, der an der Tür lehnte<lb/>
und ein wehleidiges Gesicht machte. Neben ihm stand der rote Kater und<lb/>
hinter ihm Kätha, die von Frau von Bremer aufgenommen war, weil die in<lb/>
Manen sie herausgejagt hatten. Ihr Vater war an seiner Wunde gestorben,<lb/>
und die Weiber von Manen warfen ihr vor, daß sie Freundschaft mit einer<lb/>
Hexe gehabt hätte. Da war es besser, eine Weile zu verschwinden, und wenn<lb/>
es nicht anders ging, noch weiter zu wandern. Käthas Herz hing nicht an<lb/>
Manen, nachdem sie Heilwig wiedergesehen hatte, merkte sie, daß sie sie liebte,<lb/>
und wäre gern mit ihr gegangen.  Das aber wollte Heilwig nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_106"> &#x201E;Es ist besser, jeder bleibe, wohin er gehört!" hatte sie mit einem ganz<lb/>
besonderen Gesicht gesagt, und Kätha mußte mit diesem Abschlag zufrieden sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_107"> Nach dem Abschied saß sie im Keller und weinte. Eines Tages würde sie<lb/>
aber wieder lachen und Heilwig vergessen, wie so vieles andere.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_108"> Der Wagen kroch den Berg nach Leach hinauf. Schwer war er, die<lb/>
großen Pferde davor schnoben und der Kutscher ließ sie gemächlich gehen. Er<lb/>
unterhielt sich mit den drei Reitern, die ihn begleiteten. Drei Holsteiner waren<lb/>
es. die den Staatsrat durch das Land bis nach Hannover begleiten und viel¬<lb/>
leicht noch weiter mit ihm reiten sollten. Denn das Land war unruhig, und<lb/>
wenn es auch keine Franzosen hier mehr gab, so doch allerhand friedlose<lb/>
Gesellen, die weder Haus noch Herd hatten und ihr Leben mit Wegelagern<lb/>
fristeten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_109"> Drei stämmige Gesellen waren es, und der eine von ihnen der Knecht des<lb/>
Herzogs. Peter, mit dem Heilwig schon einmal Bekanntschaft machte. Er ritt<lb/>
jetzt am Schlage und lachte zu ihr herein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_110"> &#x201E;Die Jungfrau soll man nicht bange sein, wenn wir anreiten! Wir<lb/>
kriegen sie und den Herrn Vater schon durch!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_111"> Vergnügt zeigte er auf seine schwere Muskete, die bei ihm im Steigbügel<lb/>
steckte, aber Heilwig wandte den Kops. Sie kounte noch keine frohen Ge¬<lb/>
sichter sehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_112"> Jetzt lag die Abtei vor ihr. Im hellen Sonnenschein, am blauen See,<lb/>
umgeben von hohen Buchen, von blauen Bergen, deren Kuppen ein leichter<lb/>
Nebel umschleierte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_113"> Der Wagen hielt vor dem Kloster, der Abt stand vor der Pforte und<lb/>
begrüßte Heilwig. Auch er sprach gute Worte, und dann kam Bruder Basilio<lb/>
und brachte einen großen Korb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_114"> &#x201E;Es sind allerlei gute Sachen darin!" flüsteite er. &#x201E;Die Jungfrau soll<lb/>
nicht hungern auf der Reise, trotz der schlechten Zeiten!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_115" next="#ID_116"> Dabei seufzte er und fah zu dem Fähnlein Braunschweiger, die noch immer<lb/>
vor Laach kampierten und erst in einigen Tagen abziehen wollten. Zwar hatten<lb/>
sie das Kloster gut beschützt, aber dafür waren sie auch sehr hungrig gewesen.<lb/>
Der Bruder Küchen- und der Kellermeister hatten arbeiten müssen wie die Pferde<lb/>
und der Goldschatz des Klosters war um manches Stück ärmer geworden. Aber</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] Die Hexe von Mciyen und dem Junker Franz Xaver einen Gruß zuzuwinken, der an der Tür lehnte und ein wehleidiges Gesicht machte. Neben ihm stand der rote Kater und hinter ihm Kätha, die von Frau von Bremer aufgenommen war, weil die in Manen sie herausgejagt hatten. Ihr Vater war an seiner Wunde gestorben, und die Weiber von Manen warfen ihr vor, daß sie Freundschaft mit einer Hexe gehabt hätte. Da war es besser, eine Weile zu verschwinden, und wenn es nicht anders ging, noch weiter zu wandern. Käthas Herz hing nicht an Manen, nachdem sie Heilwig wiedergesehen hatte, merkte sie, daß sie sie liebte, und wäre gern mit ihr gegangen. Das aber wollte Heilwig nicht. „Es ist besser, jeder bleibe, wohin er gehört!" hatte sie mit einem ganz besonderen Gesicht gesagt, und Kätha mußte mit diesem Abschlag zufrieden sein. Nach dem Abschied saß sie im Keller und weinte. Eines Tages würde sie aber wieder lachen und Heilwig vergessen, wie so vieles andere. Der Wagen kroch den Berg nach Leach hinauf. Schwer war er, die großen Pferde davor schnoben und der Kutscher ließ sie gemächlich gehen. Er unterhielt sich mit den drei Reitern, die ihn begleiteten. Drei Holsteiner waren es. die den Staatsrat durch das Land bis nach Hannover begleiten und viel¬ leicht noch weiter mit ihm reiten sollten. Denn das Land war unruhig, und wenn es auch keine Franzosen hier mehr gab, so doch allerhand friedlose Gesellen, die weder Haus noch Herd hatten und ihr Leben mit Wegelagern fristeten. Drei stämmige Gesellen waren es, und der eine von ihnen der Knecht des Herzogs. Peter, mit dem Heilwig schon einmal Bekanntschaft machte. Er ritt jetzt am Schlage und lachte zu ihr herein. „Die Jungfrau soll man nicht bange sein, wenn wir anreiten! Wir kriegen sie und den Herrn Vater schon durch!" Vergnügt zeigte er auf seine schwere Muskete, die bei ihm im Steigbügel steckte, aber Heilwig wandte den Kops. Sie kounte noch keine frohen Ge¬ sichter sehen. Jetzt lag die Abtei vor ihr. Im hellen Sonnenschein, am blauen See, umgeben von hohen Buchen, von blauen Bergen, deren Kuppen ein leichter Nebel umschleierte. Der Wagen hielt vor dem Kloster, der Abt stand vor der Pforte und begrüßte Heilwig. Auch er sprach gute Worte, und dann kam Bruder Basilio und brachte einen großen Korb. „Es sind allerlei gute Sachen darin!" flüsteite er. „Die Jungfrau soll nicht hungern auf der Reise, trotz der schlechten Zeiten!" Dabei seufzte er und fah zu dem Fähnlein Braunschweiger, die noch immer vor Laach kampierten und erst in einigen Tagen abziehen wollten. Zwar hatten sie das Kloster gut beschützt, aber dafür waren sie auch sehr hungrig gewesen. Der Bruder Küchen- und der Kellermeister hatten arbeiten müssen wie die Pferde und der Goldschatz des Klosters war um manches Stück ärmer geworden. Aber

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/39
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/39>, abgerufen am 24.07.2024.