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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

nähme der eigenen in seinen Kolonien keine Meistbegünstigung gewährt, sondern
nur eine gleichmäßige Zollbehandlung zuteil werden läßt.

Auch Dänemark gewährt seinen Kolonien -- freilich geringe -- Vergünsti¬
gungen, die hauptsächlich der Förderung seiner Schiffahrt dienen.

Keinerlei Vergünstigung im Handelsverkehr mit den Kolonien kennen da¬
gegen Holland (seit 1874), Belgien, das durch die Kongoakte gebunden ist, und
Deutschland.




Deutschlands koloniale Handelspolitik ist im Unterschied zu seiner heimischen
Wirtschaftspolitik freihändlerisch. Die Produkte unserer Schutzgebiete unterliegen
daher -- seit 1893 -- den gleichen Zollsätzen wie die anderer Länder, die die
Meistbegünstigung genießen. Bis 1893 genossen sie nicht einmal die Meist¬
begünstigung, sondern wurden unnatürlicherweise nach den autonomen Sätzen
des Generaltarifs behandelt, der vielfach höher war als der Vertragstarif für
die Länder, mit denen Deutschland Meistbegünstigungs- oder Handelsverträge
abgeschlossen hat. Heute sind die meisten kolonialen Rohstoffe zollfrei. Nur
wenn sie Genußmittel oder Luxusartikel darstellen, wenn sie Produkte des Raub¬
baues und der Jagd oder Glücksfunde auf Kronländern darstellen, sind sie mit
Zöllen belastet, auf die das Mutterland aus finanzpolitischen Gründen nicht
verzichten kann. Auch die Produkte Deutschlands zahlen in den Kolonien die¬
selben Zölle wie die anderer meistbegünstigter Staaten; wenn sie aber, wie
etwa landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, zollfrei sind, so sind das auch
die gleichen Produkte anderer Länder, deren Zollbelastung zwecks Begünstigung
der deutschen Volkswirtschaft nicht im Interesse unserer Kolonien liegen würde.
Diesen Standpunkt der Meistbegünstigung auf dem kolonialen Markt vertritt
Deutschland also nicht nur anderen Staaten gegenüber in der Kongo- und
Samoaakte und im Marokkovertrag, sondern auch im Verhältnis zu seinen
eigenen Kolonien. Hier stehen außerdem der deutsch-englische Meistbegünsti¬
gungsvertrag für Neu-Guinea, der deutsch-spanische für die Karolinen- und
Palauinseln, der deutsch-portugiesische Handelsvertrag und dergleichen einer
Begünstigung der Kolonialprodukte entgegen, die vor allem eine wünschenswerte
Steigerung unserer Kakaoproduktion zur Folge haben würde, wie sie überhaupt
den Handel unserer Kolonien zweifellos heben würde. Anderseits ist zu
bedenken, daß dieser Handel infolge der geographischen Entfernung vom
Mutterland auch auf nähere Absatzländer immer angewiesen bleiben wird, da
eine Zollvergünstigung bei der Höhe der Frachtsätze kein genügendes Korrektiv
bilden könnte. Da außerdem die Großmächte, besonders England, die stärksten
Abnehmer Deutschlands sind, so ist ein Festhalten Deutschlands an seiner
kolonialen Handelspolitik auch aus Gründen der auswärtigen Politik erwünscht.
Denn es ist kein Zweifel, daß eine Zollbenachteiligung anderer Staaten in
unseren Kolonien, namentlich in der Zukunft, zu Zollkriegen führen würde, die


Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

nähme der eigenen in seinen Kolonien keine Meistbegünstigung gewährt, sondern
nur eine gleichmäßige Zollbehandlung zuteil werden läßt.

Auch Dänemark gewährt seinen Kolonien — freilich geringe — Vergünsti¬
gungen, die hauptsächlich der Förderung seiner Schiffahrt dienen.

Keinerlei Vergünstigung im Handelsverkehr mit den Kolonien kennen da¬
gegen Holland (seit 1874), Belgien, das durch die Kongoakte gebunden ist, und
Deutschland.




Deutschlands koloniale Handelspolitik ist im Unterschied zu seiner heimischen
Wirtschaftspolitik freihändlerisch. Die Produkte unserer Schutzgebiete unterliegen
daher — seit 1893 — den gleichen Zollsätzen wie die anderer Länder, die die
Meistbegünstigung genießen. Bis 1893 genossen sie nicht einmal die Meist¬
begünstigung, sondern wurden unnatürlicherweise nach den autonomen Sätzen
des Generaltarifs behandelt, der vielfach höher war als der Vertragstarif für
die Länder, mit denen Deutschland Meistbegünstigungs- oder Handelsverträge
abgeschlossen hat. Heute sind die meisten kolonialen Rohstoffe zollfrei. Nur
wenn sie Genußmittel oder Luxusartikel darstellen, wenn sie Produkte des Raub¬
baues und der Jagd oder Glücksfunde auf Kronländern darstellen, sind sie mit
Zöllen belastet, auf die das Mutterland aus finanzpolitischen Gründen nicht
verzichten kann. Auch die Produkte Deutschlands zahlen in den Kolonien die¬
selben Zölle wie die anderer meistbegünstigter Staaten; wenn sie aber, wie
etwa landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, zollfrei sind, so sind das auch
die gleichen Produkte anderer Länder, deren Zollbelastung zwecks Begünstigung
der deutschen Volkswirtschaft nicht im Interesse unserer Kolonien liegen würde.
Diesen Standpunkt der Meistbegünstigung auf dem kolonialen Markt vertritt
Deutschland also nicht nur anderen Staaten gegenüber in der Kongo- und
Samoaakte und im Marokkovertrag, sondern auch im Verhältnis zu seinen
eigenen Kolonien. Hier stehen außerdem der deutsch-englische Meistbegünsti¬
gungsvertrag für Neu-Guinea, der deutsch-spanische für die Karolinen- und
Palauinseln, der deutsch-portugiesische Handelsvertrag und dergleichen einer
Begünstigung der Kolonialprodukte entgegen, die vor allem eine wünschenswerte
Steigerung unserer Kakaoproduktion zur Folge haben würde, wie sie überhaupt
den Handel unserer Kolonien zweifellos heben würde. Anderseits ist zu
bedenken, daß dieser Handel infolge der geographischen Entfernung vom
Mutterland auch auf nähere Absatzländer immer angewiesen bleiben wird, da
eine Zollvergünstigung bei der Höhe der Frachtsätze kein genügendes Korrektiv
bilden könnte. Da außerdem die Großmächte, besonders England, die stärksten
Abnehmer Deutschlands sind, so ist ein Festhalten Deutschlands an seiner
kolonialen Handelspolitik auch aus Gründen der auswärtigen Politik erwünscht.
Denn es ist kein Zweifel, daß eine Zollbenachteiligung anderer Staaten in
unseren Kolonien, namentlich in der Zukunft, zu Zollkriegen führen würde, die


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[0375] Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte nähme der eigenen in seinen Kolonien keine Meistbegünstigung gewährt, sondern nur eine gleichmäßige Zollbehandlung zuteil werden läßt. Auch Dänemark gewährt seinen Kolonien — freilich geringe — Vergünsti¬ gungen, die hauptsächlich der Förderung seiner Schiffahrt dienen. Keinerlei Vergünstigung im Handelsverkehr mit den Kolonien kennen da¬ gegen Holland (seit 1874), Belgien, das durch die Kongoakte gebunden ist, und Deutschland. Deutschlands koloniale Handelspolitik ist im Unterschied zu seiner heimischen Wirtschaftspolitik freihändlerisch. Die Produkte unserer Schutzgebiete unterliegen daher — seit 1893 — den gleichen Zollsätzen wie die anderer Länder, die die Meistbegünstigung genießen. Bis 1893 genossen sie nicht einmal die Meist¬ begünstigung, sondern wurden unnatürlicherweise nach den autonomen Sätzen des Generaltarifs behandelt, der vielfach höher war als der Vertragstarif für die Länder, mit denen Deutschland Meistbegünstigungs- oder Handelsverträge abgeschlossen hat. Heute sind die meisten kolonialen Rohstoffe zollfrei. Nur wenn sie Genußmittel oder Luxusartikel darstellen, wenn sie Produkte des Raub¬ baues und der Jagd oder Glücksfunde auf Kronländern darstellen, sind sie mit Zöllen belastet, auf die das Mutterland aus finanzpolitischen Gründen nicht verzichten kann. Auch die Produkte Deutschlands zahlen in den Kolonien die¬ selben Zölle wie die anderer meistbegünstigter Staaten; wenn sie aber, wie etwa landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, zollfrei sind, so sind das auch die gleichen Produkte anderer Länder, deren Zollbelastung zwecks Begünstigung der deutschen Volkswirtschaft nicht im Interesse unserer Kolonien liegen würde. Diesen Standpunkt der Meistbegünstigung auf dem kolonialen Markt vertritt Deutschland also nicht nur anderen Staaten gegenüber in der Kongo- und Samoaakte und im Marokkovertrag, sondern auch im Verhältnis zu seinen eigenen Kolonien. Hier stehen außerdem der deutsch-englische Meistbegünsti¬ gungsvertrag für Neu-Guinea, der deutsch-spanische für die Karolinen- und Palauinseln, der deutsch-portugiesische Handelsvertrag und dergleichen einer Begünstigung der Kolonialprodukte entgegen, die vor allem eine wünschenswerte Steigerung unserer Kakaoproduktion zur Folge haben würde, wie sie überhaupt den Handel unserer Kolonien zweifellos heben würde. Anderseits ist zu bedenken, daß dieser Handel infolge der geographischen Entfernung vom Mutterland auch auf nähere Absatzländer immer angewiesen bleiben wird, da eine Zollvergünstigung bei der Höhe der Frachtsätze kein genügendes Korrektiv bilden könnte. Da außerdem die Großmächte, besonders England, die stärksten Abnehmer Deutschlands sind, so ist ein Festhalten Deutschlands an seiner kolonialen Handelspolitik auch aus Gründen der auswärtigen Politik erwünscht. Denn es ist kein Zweifel, daß eine Zollbenachteiligung anderer Staaten in unseren Kolonien, namentlich in der Zukunft, zu Zollkriegen führen würde, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/375>, abgerufen am 21.06.2024.