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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

Anlaß zu ernsten Verwicklungen geben könnten. Aber nicht nur äußerpoliüsche,
sondern auch innerpolitische Widerstände würden sich, z. B. bei den Vertretern
der heimischen Landwirtschaft erheben, wenn etwa die südafrikanische Fleisch¬
ausfuhr durch zolltechnische Maßnahmen begünstigt würde. Daß freilich die
koloniale Handelspolitik in Einzelheiten reformbedürftig ist, beweist der südweft-
afrikcmische Gewichtszoll, der die Quantität der Genußmittel ohne Rücksicht auf
die Qualität trifft, obwohl hier ein Wertzoll allein am Platze wäre.

Ganz anders als Frankreichs koloniale Handelspolitik paßt sich indes die
deutsche den Verhältnissen jeder einzelnen Kolonie an. So wird bei uns für
jede einzelne Kolonie von deren Gouverneur, unter Berücksichtigung ihrer Inter¬
essen, der angemessene Zolltarif festgesetzt. Gemeinsam ist allen Kolonien nur
die zollfreie Einfuhr von Produkten, die zur Hebung der kolonialen Volkswirt¬
schaft dienen, wie etwa Waren, die zum Betriebe öffentlicher Einrichtungen
unumgänglich sind; ihre Einfuhr für Privatbetriebe können dagegen der Ver¬
zollung unterliegen. Durchfuhrzölle sind überhaupt nicht im Schwange, da man
eingesehen hat, daß sie den Jnlandsverkehr nur hemmen. Einsuhrzölle liegen
auf Genußmitteln und Waffen. Im übrigen lassen sich die Verhältnisse nicht
verallgemeinern, da selbst in den einzelnen Kolonien die Zölle manchmal diffe¬
renziert sind und uicht alle unten aufgezählten Zölle in jeder deutschen Kolonie
erhoben werden.

Nur in Kiautschou, das sich ja bekanntlich von unseren übrigen Kolonien
schon dadurch unterscheidet, daß es nicht dem Reichskolonialamt, sondern dem
Reichsmarineamt untersteht, existiert kein besonderer Zolltarif, sondern ein deutsch¬
chinesisches Zollabkommen. Dieses bestimmt die Verzollung der Ein- und Aus¬
fuhr nach chinesischen Tarifen und eine entsprechende Teilnahme Deutschlands
an ihren Einnahmen*).

Für alle anderen deutschen Kolonien gelten, kurz gesagt, folgende handels¬
politische Bestimmungen: Wertzölle liegen auf der Ausfuhr von Elfenbein und
Muscheln, von Paradiesvogelbälgen und Federn, von Fellen und Häuten,
Hölzern und Horn, Guano und wildwachsenden Kautschuk. Der auf Plantagen
rationell gewonnene Kautschuk ist dagegen zollfrei, wie überhaupt von Plantagen¬
produkten nur in Neuguinea Kopra, als das wichtigste Exportprodukt, einem
Ausfuhrzoll unterliegt. So sehr das aus wirtschaftlichen Gründen zu beklagen
ist, so sehr ist es doch aus fiskalischen verständlich, da die Verwaltungskosten
Neuguineas hoch sind, Einkommensteuern dort nicht existieren und Deutschland
infolgedessen ein besteuerungsfähiges Objekt treffen muß. Auch werden in den
verschiedensten Kolonien anderer Staaten die verschiedensten Plantagenprodukte
mit Ausfuhrzöllen belastet. Trotzdem würde die Praxis dieser Länder für das
Gedeihen der deutschen Kolonien ungünstig sein, und tatsächlich denkt Deutsch-



*) Vgl. W. Schrmneier, "Aus Kiautschous Verwaltung. Die Land-, Steuer- und
Zollpolitik des Kiautschougebietes", Jena 1913.
Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

Anlaß zu ernsten Verwicklungen geben könnten. Aber nicht nur äußerpoliüsche,
sondern auch innerpolitische Widerstände würden sich, z. B. bei den Vertretern
der heimischen Landwirtschaft erheben, wenn etwa die südafrikanische Fleisch¬
ausfuhr durch zolltechnische Maßnahmen begünstigt würde. Daß freilich die
koloniale Handelspolitik in Einzelheiten reformbedürftig ist, beweist der südweft-
afrikcmische Gewichtszoll, der die Quantität der Genußmittel ohne Rücksicht auf
die Qualität trifft, obwohl hier ein Wertzoll allein am Platze wäre.

Ganz anders als Frankreichs koloniale Handelspolitik paßt sich indes die
deutsche den Verhältnissen jeder einzelnen Kolonie an. So wird bei uns für
jede einzelne Kolonie von deren Gouverneur, unter Berücksichtigung ihrer Inter¬
essen, der angemessene Zolltarif festgesetzt. Gemeinsam ist allen Kolonien nur
die zollfreie Einfuhr von Produkten, die zur Hebung der kolonialen Volkswirt¬
schaft dienen, wie etwa Waren, die zum Betriebe öffentlicher Einrichtungen
unumgänglich sind; ihre Einfuhr für Privatbetriebe können dagegen der Ver¬
zollung unterliegen. Durchfuhrzölle sind überhaupt nicht im Schwange, da man
eingesehen hat, daß sie den Jnlandsverkehr nur hemmen. Einsuhrzölle liegen
auf Genußmitteln und Waffen. Im übrigen lassen sich die Verhältnisse nicht
verallgemeinern, da selbst in den einzelnen Kolonien die Zölle manchmal diffe¬
renziert sind und uicht alle unten aufgezählten Zölle in jeder deutschen Kolonie
erhoben werden.

Nur in Kiautschou, das sich ja bekanntlich von unseren übrigen Kolonien
schon dadurch unterscheidet, daß es nicht dem Reichskolonialamt, sondern dem
Reichsmarineamt untersteht, existiert kein besonderer Zolltarif, sondern ein deutsch¬
chinesisches Zollabkommen. Dieses bestimmt die Verzollung der Ein- und Aus¬
fuhr nach chinesischen Tarifen und eine entsprechende Teilnahme Deutschlands
an ihren Einnahmen*).

Für alle anderen deutschen Kolonien gelten, kurz gesagt, folgende handels¬
politische Bestimmungen: Wertzölle liegen auf der Ausfuhr von Elfenbein und
Muscheln, von Paradiesvogelbälgen und Federn, von Fellen und Häuten,
Hölzern und Horn, Guano und wildwachsenden Kautschuk. Der auf Plantagen
rationell gewonnene Kautschuk ist dagegen zollfrei, wie überhaupt von Plantagen¬
produkten nur in Neuguinea Kopra, als das wichtigste Exportprodukt, einem
Ausfuhrzoll unterliegt. So sehr das aus wirtschaftlichen Gründen zu beklagen
ist, so sehr ist es doch aus fiskalischen verständlich, da die Verwaltungskosten
Neuguineas hoch sind, Einkommensteuern dort nicht existieren und Deutschland
infolgedessen ein besteuerungsfähiges Objekt treffen muß. Auch werden in den
verschiedensten Kolonien anderer Staaten die verschiedensten Plantagenprodukte
mit Ausfuhrzöllen belastet. Trotzdem würde die Praxis dieser Länder für das
Gedeihen der deutschen Kolonien ungünstig sein, und tatsächlich denkt Deutsch-



*) Vgl. W. Schrmneier, „Aus Kiautschous Verwaltung. Die Land-, Steuer- und
Zollpolitik des Kiautschougebietes", Jena 1913.
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[0376] Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte Anlaß zu ernsten Verwicklungen geben könnten. Aber nicht nur äußerpoliüsche, sondern auch innerpolitische Widerstände würden sich, z. B. bei den Vertretern der heimischen Landwirtschaft erheben, wenn etwa die südafrikanische Fleisch¬ ausfuhr durch zolltechnische Maßnahmen begünstigt würde. Daß freilich die koloniale Handelspolitik in Einzelheiten reformbedürftig ist, beweist der südweft- afrikcmische Gewichtszoll, der die Quantität der Genußmittel ohne Rücksicht auf die Qualität trifft, obwohl hier ein Wertzoll allein am Platze wäre. Ganz anders als Frankreichs koloniale Handelspolitik paßt sich indes die deutsche den Verhältnissen jeder einzelnen Kolonie an. So wird bei uns für jede einzelne Kolonie von deren Gouverneur, unter Berücksichtigung ihrer Inter¬ essen, der angemessene Zolltarif festgesetzt. Gemeinsam ist allen Kolonien nur die zollfreie Einfuhr von Produkten, die zur Hebung der kolonialen Volkswirt¬ schaft dienen, wie etwa Waren, die zum Betriebe öffentlicher Einrichtungen unumgänglich sind; ihre Einfuhr für Privatbetriebe können dagegen der Ver¬ zollung unterliegen. Durchfuhrzölle sind überhaupt nicht im Schwange, da man eingesehen hat, daß sie den Jnlandsverkehr nur hemmen. Einsuhrzölle liegen auf Genußmitteln und Waffen. Im übrigen lassen sich die Verhältnisse nicht verallgemeinern, da selbst in den einzelnen Kolonien die Zölle manchmal diffe¬ renziert sind und uicht alle unten aufgezählten Zölle in jeder deutschen Kolonie erhoben werden. Nur in Kiautschou, das sich ja bekanntlich von unseren übrigen Kolonien schon dadurch unterscheidet, daß es nicht dem Reichskolonialamt, sondern dem Reichsmarineamt untersteht, existiert kein besonderer Zolltarif, sondern ein deutsch¬ chinesisches Zollabkommen. Dieses bestimmt die Verzollung der Ein- und Aus¬ fuhr nach chinesischen Tarifen und eine entsprechende Teilnahme Deutschlands an ihren Einnahmen*). Für alle anderen deutschen Kolonien gelten, kurz gesagt, folgende handels¬ politische Bestimmungen: Wertzölle liegen auf der Ausfuhr von Elfenbein und Muscheln, von Paradiesvogelbälgen und Federn, von Fellen und Häuten, Hölzern und Horn, Guano und wildwachsenden Kautschuk. Der auf Plantagen rationell gewonnene Kautschuk ist dagegen zollfrei, wie überhaupt von Plantagen¬ produkten nur in Neuguinea Kopra, als das wichtigste Exportprodukt, einem Ausfuhrzoll unterliegt. So sehr das aus wirtschaftlichen Gründen zu beklagen ist, so sehr ist es doch aus fiskalischen verständlich, da die Verwaltungskosten Neuguineas hoch sind, Einkommensteuern dort nicht existieren und Deutschland infolgedessen ein besteuerungsfähiges Objekt treffen muß. Auch werden in den verschiedensten Kolonien anderer Staaten die verschiedensten Plantagenprodukte mit Ausfuhrzöllen belastet. Trotzdem würde die Praxis dieser Länder für das Gedeihen der deutschen Kolonien ungünstig sein, und tatsächlich denkt Deutsch- *) Vgl. W. Schrmneier, „Aus Kiautschous Verwaltung. Die Land-, Steuer- und Zollpolitik des Kiautschougebietes", Jena 1913.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/376>, abgerufen am 21.06.2024.