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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

durch eine ungesunde staatliche Subventionierung stark begünstigt wird*), so
überwiegt die französische Flagge im Handel der französischen Kolonie natur¬
gemäß derart, daß eine erfolgreiche Konkurrenz sehr erschwert, ihre Zulassung
also beinahe illusorisch ist.

Den Vereinigten Staaten ist eine Zollunion wegen der geringen Entfernung
ihrer Kolonien am leichtesten möglich; in Porrorico und Hawai ist sie denn
auch bereits durchgeführt. Darum ist es kein Wunder, wenn die Union im
Handel mit ihren Kolonien vollständig vorherrscht. Nur in dem amerikanischen
Teile der Samoainseln besteht keinerlei Zollvergünstigung für die Produkte der
Union, da die Samoaakte von 1889 jede Sonderbegünstigung der Kontrahenten
(Deutschland, England und Union) ausschließt, während die Produkte der
amerikanischen Samoainseln in der Union Zollfreiheit genießen.

Auch die japanische Handelspolitik pflegt das Unionsverhältnis zwischen
Mutterland und Kolonien, was bei der geringen geographischen Entfernung
beider Teile leicht verständlich und durchführbar ist.

Was Italien anlangt, so gewährt dieser Staat seiner neuen Kolonie Tripolis
keinerlei Zollvergünstigung, seiner alten Kolonie Eritrea (seit 1904) dagegen --
namentlich auf landwirtschaftliche Produkte -- Vorzugszölle, während hier
italienische Erzeugnisse ohne Rücksicht auf die Flagge, die sie einführt, zollfrei
eingehen. Freilich vermag auch diese Zollpolitik den unbedeutenden Handel
Italiens mit seinen Kolonien kaum zu steigern.

Spanien und Portugal halten dagegen auch heute an ihrem stets aus¬
geübten Protektionssystem, infolgedessen an ausgedehnter Vorzugsbehandlung
ihrer Kolonien fest. In den geringen Resten des einstigen spanischen Kolonial¬
reiches genießen daher bei direkter Verladung auf spanischen Schiffen alle
Kolonialwaren außer Kakao Zollfreiheit, die spanischen Produkte eine Bevor¬
zugung. Dasselbe Prinzip der Förderung der heimischen Schiffahrt ist besonders
stark bei der kolonialen Handelspolitik Portugals ausgeprägt, deren Tarife
mehrfache Abstufungen aufweisen. Nur im portugiesischen Kongogebiet ist eine
Differenzierung durch die Kongoverträge ausgeschlossen. Sonst zahlen heute mit
Ausnahme von Mozambique und Portugiesisch-Jndien die Produkte der portu¬
giesischen Kolonien, wenn sie auf portugiesischen Schiffen befördert werden, die
Hälfte der festgesetzten Zolltarife, die des Mutterlandes dagegen 10 Prozent,
während die anderer Länder, wenn sie auf dem Umweg über Portugal importiert
werden, 80 Prozent der tarifmäßigen Zölle erfordern. Diese koloniale Handels¬
politik, die infolge eines umfangreichen Zwischenhandels mit Kolonialprodukten
eine verhältnismäßig große Bedeutung für die portugiesische Volkswirtschaft er¬
langt hat, wird auch nicht durch völkerrechtliche Handelsverträge berührt. Viel¬
mehr beansprucht Portugal die Meistbegünstigung seiner Kolonialerzeugnisse in
großem Umfang, obwohl es den Produkten aller Länder mit alleiniger Aus-



") Vgl. Jöhlmger, "Koloniale Schiffahrtsprobleme", Zeitschrift für Politik 7 (1914),
besonders S, 246 f.
Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

durch eine ungesunde staatliche Subventionierung stark begünstigt wird*), so
überwiegt die französische Flagge im Handel der französischen Kolonie natur¬
gemäß derart, daß eine erfolgreiche Konkurrenz sehr erschwert, ihre Zulassung
also beinahe illusorisch ist.

Den Vereinigten Staaten ist eine Zollunion wegen der geringen Entfernung
ihrer Kolonien am leichtesten möglich; in Porrorico und Hawai ist sie denn
auch bereits durchgeführt. Darum ist es kein Wunder, wenn die Union im
Handel mit ihren Kolonien vollständig vorherrscht. Nur in dem amerikanischen
Teile der Samoainseln besteht keinerlei Zollvergünstigung für die Produkte der
Union, da die Samoaakte von 1889 jede Sonderbegünstigung der Kontrahenten
(Deutschland, England und Union) ausschließt, während die Produkte der
amerikanischen Samoainseln in der Union Zollfreiheit genießen.

Auch die japanische Handelspolitik pflegt das Unionsverhältnis zwischen
Mutterland und Kolonien, was bei der geringen geographischen Entfernung
beider Teile leicht verständlich und durchführbar ist.

Was Italien anlangt, so gewährt dieser Staat seiner neuen Kolonie Tripolis
keinerlei Zollvergünstigung, seiner alten Kolonie Eritrea (seit 1904) dagegen —
namentlich auf landwirtschaftliche Produkte — Vorzugszölle, während hier
italienische Erzeugnisse ohne Rücksicht auf die Flagge, die sie einführt, zollfrei
eingehen. Freilich vermag auch diese Zollpolitik den unbedeutenden Handel
Italiens mit seinen Kolonien kaum zu steigern.

Spanien und Portugal halten dagegen auch heute an ihrem stets aus¬
geübten Protektionssystem, infolgedessen an ausgedehnter Vorzugsbehandlung
ihrer Kolonien fest. In den geringen Resten des einstigen spanischen Kolonial¬
reiches genießen daher bei direkter Verladung auf spanischen Schiffen alle
Kolonialwaren außer Kakao Zollfreiheit, die spanischen Produkte eine Bevor¬
zugung. Dasselbe Prinzip der Förderung der heimischen Schiffahrt ist besonders
stark bei der kolonialen Handelspolitik Portugals ausgeprägt, deren Tarife
mehrfache Abstufungen aufweisen. Nur im portugiesischen Kongogebiet ist eine
Differenzierung durch die Kongoverträge ausgeschlossen. Sonst zahlen heute mit
Ausnahme von Mozambique und Portugiesisch-Jndien die Produkte der portu¬
giesischen Kolonien, wenn sie auf portugiesischen Schiffen befördert werden, die
Hälfte der festgesetzten Zolltarife, die des Mutterlandes dagegen 10 Prozent,
während die anderer Länder, wenn sie auf dem Umweg über Portugal importiert
werden, 80 Prozent der tarifmäßigen Zölle erfordern. Diese koloniale Handels¬
politik, die infolge eines umfangreichen Zwischenhandels mit Kolonialprodukten
eine verhältnismäßig große Bedeutung für die portugiesische Volkswirtschaft er¬
langt hat, wird auch nicht durch völkerrechtliche Handelsverträge berührt. Viel¬
mehr beansprucht Portugal die Meistbegünstigung seiner Kolonialerzeugnisse in
großem Umfang, obwohl es den Produkten aller Länder mit alleiniger Aus-



") Vgl. Jöhlmger, „Koloniale Schiffahrtsprobleme", Zeitschrift für Politik 7 (1914),
besonders S, 246 f.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/374>, abgerufen am 21.06.2024.