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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gläubiger, mindestens nach Kräften des Nach¬
lasses, wo nicht aus eigenem Geldbeutel,
vielleicht sogar im Prozeßwege, behelligt zu
werden. Ersatz für die Kosten aus dem Nach¬
lasse gibt es nicht. Und nun geht die Schraube
weiter gegen die entfernteren Seitenverwandten,
solange wie solche auf Grund eines Stamm¬
baumes sich nocli finden lassen, bis sie endlich
ins Leere sticht, weil solche weiteren Blut-
gesivvten nicht mehr ermittelt werden können.
Solche entfernteren Verwandten werden oft
sehr überrascht sein und sich des sonst ge¬
zeigten "Familiensinnes" entschlcigen, wenn
hio Plötzlich erfahren, daß sie "Erben" eines
überschütteten Nachlasses geworden sind und
aus Anlaß dieses Ereignisses gänzlich nutz¬
los Kosten aufwenden sollen. Denn daß
man "Erbe" auch da ist, wo nur Schulden
zu "erben" sind, das versteht der Laie nicht.
Schließlich aber wird, von Ausnahmcvrivi-
legien abgesehen, der Fiskus (z. Zt. meist die
Staatskasse der einzelnen deutschen Bundes¬

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staaten, ausnahmsweise die Reichskasse) end¬
gültig der gesetzliche Erbe, sobald das Nach¬
laßgericht festgestellt hat, daß kein anderer
Erbe vorhanden (nicht ermittelt) ist. Ihm
steht es nicht zu, einer überschütteten Erb¬
schaft zu entsagen (sie auszuschlagen): viel¬
mehr muß er sie "liquidieren", d. h. mit den
Gläubigern abrechnen, ohne aber (dies ist
sein Vorrecht) in die Lage zu kommen, diesen
mehr zu ihrer Befriedigung zahlen zu müssen,
als der Nachlaß an Vermögensstücken hierfür
verfügbar läßt. Vergleiche hierzu die ZZ 1936,
1942,1953,1994, 2011B, G. B. sowie Art. 133
des Reichs-Einsührungsgesetzes dazu und Z 780
Abs. 2 der Zivilprozeßordnung.

Alles das vereinfacht sich natürlich in
hohem Grade, wenn von vornherein das ge¬
setzliche Erbrecht auf die allernächsten Ver¬
wandten beschränkt wird, und das Reich schon
dann als gesetzlicher Erbe eintritt, wenn
diese allernächsten Verwandten durch Auf¬
schlagung der Erbschaft ausgeschieden sind.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gläubiger, mindestens nach Kräften des Nach¬
lasses, wo nicht aus eigenem Geldbeutel,
vielleicht sogar im Prozeßwege, behelligt zu
werden. Ersatz für die Kosten aus dem Nach¬
lasse gibt es nicht. Und nun geht die Schraube
weiter gegen die entfernteren Seitenverwandten,
solange wie solche auf Grund eines Stamm¬
baumes sich nocli finden lassen, bis sie endlich
ins Leere sticht, weil solche weiteren Blut-
gesivvten nicht mehr ermittelt werden können.
Solche entfernteren Verwandten werden oft
sehr überrascht sein und sich des sonst ge¬
zeigten „Familiensinnes" entschlcigen, wenn
hio Plötzlich erfahren, daß sie „Erben" eines
überschütteten Nachlasses geworden sind und
aus Anlaß dieses Ereignisses gänzlich nutz¬
los Kosten aufwenden sollen. Denn daß
man „Erbe" auch da ist, wo nur Schulden
zu „erben" sind, das versteht der Laie nicht.
Schließlich aber wird, von Ausnahmcvrivi-
legien abgesehen, der Fiskus (z. Zt. meist die
Staatskasse der einzelnen deutschen Bundes¬

[Spaltenumbruch]

staaten, ausnahmsweise die Reichskasse) end¬
gültig der gesetzliche Erbe, sobald das Nach¬
laßgericht festgestellt hat, daß kein anderer
Erbe vorhanden (nicht ermittelt) ist. Ihm
steht es nicht zu, einer überschütteten Erb¬
schaft zu entsagen (sie auszuschlagen): viel¬
mehr muß er sie „liquidieren", d. h. mit den
Gläubigern abrechnen, ohne aber (dies ist
sein Vorrecht) in die Lage zu kommen, diesen
mehr zu ihrer Befriedigung zahlen zu müssen,
als der Nachlaß an Vermögensstücken hierfür
verfügbar läßt. Vergleiche hierzu die ZZ 1936,
1942,1953,1994, 2011B, G. B. sowie Art. 133
des Reichs-Einsührungsgesetzes dazu und Z 780
Abs. 2 der Zivilprozeßordnung.

Alles das vereinfacht sich natürlich in
hohem Grade, wenn von vornherein das ge¬
setzliche Erbrecht auf die allernächsten Ver¬
wandten beschränkt wird, und das Reich schon
dann als gesetzlicher Erbe eintritt, wenn
diese allernächsten Verwandten durch Auf¬
schlagung der Erbschaft ausgeschieden sind.

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[0347] Maßgebliches und Unmaßgebliches gläubiger, mindestens nach Kräften des Nach¬ lasses, wo nicht aus eigenem Geldbeutel, vielleicht sogar im Prozeßwege, behelligt zu werden. Ersatz für die Kosten aus dem Nach¬ lasse gibt es nicht. Und nun geht die Schraube weiter gegen die entfernteren Seitenverwandten, solange wie solche auf Grund eines Stamm¬ baumes sich nocli finden lassen, bis sie endlich ins Leere sticht, weil solche weiteren Blut- gesivvten nicht mehr ermittelt werden können. Solche entfernteren Verwandten werden oft sehr überrascht sein und sich des sonst ge¬ zeigten „Familiensinnes" entschlcigen, wenn hio Plötzlich erfahren, daß sie „Erben" eines überschütteten Nachlasses geworden sind und aus Anlaß dieses Ereignisses gänzlich nutz¬ los Kosten aufwenden sollen. Denn daß man „Erbe" auch da ist, wo nur Schulden zu „erben" sind, das versteht der Laie nicht. Schließlich aber wird, von Ausnahmcvrivi- legien abgesehen, der Fiskus (z. Zt. meist die Staatskasse der einzelnen deutschen Bundes¬ staaten, ausnahmsweise die Reichskasse) end¬ gültig der gesetzliche Erbe, sobald das Nach¬ laßgericht festgestellt hat, daß kein anderer Erbe vorhanden (nicht ermittelt) ist. Ihm steht es nicht zu, einer überschütteten Erb¬ schaft zu entsagen (sie auszuschlagen): viel¬ mehr muß er sie „liquidieren", d. h. mit den Gläubigern abrechnen, ohne aber (dies ist sein Vorrecht) in die Lage zu kommen, diesen mehr zu ihrer Befriedigung zahlen zu müssen, als der Nachlaß an Vermögensstücken hierfür verfügbar läßt. Vergleiche hierzu die ZZ 1936, 1942,1953,1994, 2011B, G. B. sowie Art. 133 des Reichs-Einsührungsgesetzes dazu und Z 780 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung. Alles das vereinfacht sich natürlich in hohem Grade, wenn von vornherein das ge¬ setzliche Erbrecht auf die allernächsten Ver¬ wandten beschränkt wird, und das Reich schon dann als gesetzlicher Erbe eintritt, wenn diese allernächsten Verwandten durch Auf¬ schlagung der Erbschaft ausgeschieden sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/347>, abgerufen am 24.07.2024.