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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Streiflichter auf das deutsch-ungarische Problem

Ungarische aber als Fremdsprache gelehrt werden muß, halten können. Während
also die Sachsen ihre deutschen Schulen von ihrem eigenen Gelde erhalten,
wollen die Schwaben, daß in den Staatsschulen ihrer Gemeinden die deutsche
Sprache eingeführt wird. Das ist natürlich sehr viel billiger -- aber der Staat
wird kaum dazu zu bringen sein. Jedenfalls haben die Sachsen nicht im
mindesten die Macht, derartiges durchzusetzen. Es wäre vielmehr zu erwägen,
ob nicht die Schwaben -- wenigstens auf den Dörfern -- zu dem Prinzip
der eigenen Schulen, die von der Kirchgemeinde unterhalten werden, zurück¬
kehren können. Wenn dieser Weg rechtlich zulässig ist, so käme es nur darauf
an, die Bauern jeder Gemeinde mit der nötigen Opferwilligkeit zu erfüllen.
Manche Versäumnis aus früherer Zeit wäre damit wieder gut zu machen.

Mit der schwierigen kulturellen Lage der Schwaben hängt es zusammen,
daß sie, abgesehen davon, daß viele immer noch gleichgültig beiseite stehen, keine
national führende Oberschicht haben: es besteht eine Kluft zwischen den Bauern
und "Herrischen". Seit einigen Jahren bildet sich in den freien Berufen eine
deutsche Intelligenz, die auch die politische Führung der ungarländischen deutschen
Volkspartei hat. Aber die Zahl dieser Männer ist noch zu klein; an vielen
Orten fehlt den Bauern immer noch ein nationalbewußter Führer. Auch hier
richten sich unwillkürlich die Blicke nach Siebenbürgen, und aus der Reihe der
Schwaben erschallt die Forderung*): zu nationalen Führern der Schwaben
"sollten sich möglichst viele siebenbürger Sachsen hergeben".

Man sieht: wenn der Schwabe in Not ist, soll der Sachse helfen. Man
hat ein außerordentliches Zutrauen zu dem, was die Sachsen leisten könnten,
wenn sie nur wollten. Aber die Sachsen können nicht zaubern. Und auch die
Schwaben können nicht zaubern. Auf keine andere Weise können sie ihre Lage
bessern, als durch die mühsame, nüchterne, viel persönliche Opfer erfordernde
Arbeit, die zu dem Aufbau der nationalen Organisation nötig ist. Diese
nationale Selbstbesinnung, diese nationale Erneuerung von innen heraus hat
bereits begonnen.

Nach Lage der Dinge müssen dabei die Schwaben ihren eigenen Weg
gehen. Der Versuch, die Sachsen vor ihren Wagen zu spannen, wäre außer¬
ordentlich gefährlich; denn er würde die Sachsen schädigen, ohne den Schwaben
zu nützen. Die "Deutsche Gemeinbürgschaft" kann von feiten der Schwaben
vorläufig nur darin bestehen, daß sie die Sachsen nicht in den Augen der
madjarischen Regierung kompromittieren.

Aber auf ganz andere Weise können die Sachsen gleichwohl die Lehrmeister
der Schwaben werden: wenn nämlich die Schwaben bei der nationalen Organi¬
sation ihres Volksstammes die Methoden, welche die Sachsen in ihrer nationalen
Schutzarbeit erstrebt haben, übernehmen und verbessern. Auch damit ist bereits
der Anfang gemacht.



*) In derselben Nummer des Deutsch-ungarischen Bolksfreundes.
Streiflichter auf das deutsch-ungarische Problem

Ungarische aber als Fremdsprache gelehrt werden muß, halten können. Während
also die Sachsen ihre deutschen Schulen von ihrem eigenen Gelde erhalten,
wollen die Schwaben, daß in den Staatsschulen ihrer Gemeinden die deutsche
Sprache eingeführt wird. Das ist natürlich sehr viel billiger — aber der Staat
wird kaum dazu zu bringen sein. Jedenfalls haben die Sachsen nicht im
mindesten die Macht, derartiges durchzusetzen. Es wäre vielmehr zu erwägen,
ob nicht die Schwaben — wenigstens auf den Dörfern — zu dem Prinzip
der eigenen Schulen, die von der Kirchgemeinde unterhalten werden, zurück¬
kehren können. Wenn dieser Weg rechtlich zulässig ist, so käme es nur darauf
an, die Bauern jeder Gemeinde mit der nötigen Opferwilligkeit zu erfüllen.
Manche Versäumnis aus früherer Zeit wäre damit wieder gut zu machen.

Mit der schwierigen kulturellen Lage der Schwaben hängt es zusammen,
daß sie, abgesehen davon, daß viele immer noch gleichgültig beiseite stehen, keine
national führende Oberschicht haben: es besteht eine Kluft zwischen den Bauern
und „Herrischen". Seit einigen Jahren bildet sich in den freien Berufen eine
deutsche Intelligenz, die auch die politische Führung der ungarländischen deutschen
Volkspartei hat. Aber die Zahl dieser Männer ist noch zu klein; an vielen
Orten fehlt den Bauern immer noch ein nationalbewußter Führer. Auch hier
richten sich unwillkürlich die Blicke nach Siebenbürgen, und aus der Reihe der
Schwaben erschallt die Forderung*): zu nationalen Führern der Schwaben
„sollten sich möglichst viele siebenbürger Sachsen hergeben".

Man sieht: wenn der Schwabe in Not ist, soll der Sachse helfen. Man
hat ein außerordentliches Zutrauen zu dem, was die Sachsen leisten könnten,
wenn sie nur wollten. Aber die Sachsen können nicht zaubern. Und auch die
Schwaben können nicht zaubern. Auf keine andere Weise können sie ihre Lage
bessern, als durch die mühsame, nüchterne, viel persönliche Opfer erfordernde
Arbeit, die zu dem Aufbau der nationalen Organisation nötig ist. Diese
nationale Selbstbesinnung, diese nationale Erneuerung von innen heraus hat
bereits begonnen.

Nach Lage der Dinge müssen dabei die Schwaben ihren eigenen Weg
gehen. Der Versuch, die Sachsen vor ihren Wagen zu spannen, wäre außer¬
ordentlich gefährlich; denn er würde die Sachsen schädigen, ohne den Schwaben
zu nützen. Die „Deutsche Gemeinbürgschaft" kann von feiten der Schwaben
vorläufig nur darin bestehen, daß sie die Sachsen nicht in den Augen der
madjarischen Regierung kompromittieren.

Aber auf ganz andere Weise können die Sachsen gleichwohl die Lehrmeister
der Schwaben werden: wenn nämlich die Schwaben bei der nationalen Organi¬
sation ihres Volksstammes die Methoden, welche die Sachsen in ihrer nationalen
Schutzarbeit erstrebt haben, übernehmen und verbessern. Auch damit ist bereits
der Anfang gemacht.



*) In derselben Nummer des Deutsch-ungarischen Bolksfreundes.
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[0307] Streiflichter auf das deutsch-ungarische Problem Ungarische aber als Fremdsprache gelehrt werden muß, halten können. Während also die Sachsen ihre deutschen Schulen von ihrem eigenen Gelde erhalten, wollen die Schwaben, daß in den Staatsschulen ihrer Gemeinden die deutsche Sprache eingeführt wird. Das ist natürlich sehr viel billiger — aber der Staat wird kaum dazu zu bringen sein. Jedenfalls haben die Sachsen nicht im mindesten die Macht, derartiges durchzusetzen. Es wäre vielmehr zu erwägen, ob nicht die Schwaben — wenigstens auf den Dörfern — zu dem Prinzip der eigenen Schulen, die von der Kirchgemeinde unterhalten werden, zurück¬ kehren können. Wenn dieser Weg rechtlich zulässig ist, so käme es nur darauf an, die Bauern jeder Gemeinde mit der nötigen Opferwilligkeit zu erfüllen. Manche Versäumnis aus früherer Zeit wäre damit wieder gut zu machen. Mit der schwierigen kulturellen Lage der Schwaben hängt es zusammen, daß sie, abgesehen davon, daß viele immer noch gleichgültig beiseite stehen, keine national führende Oberschicht haben: es besteht eine Kluft zwischen den Bauern und „Herrischen". Seit einigen Jahren bildet sich in den freien Berufen eine deutsche Intelligenz, die auch die politische Führung der ungarländischen deutschen Volkspartei hat. Aber die Zahl dieser Männer ist noch zu klein; an vielen Orten fehlt den Bauern immer noch ein nationalbewußter Führer. Auch hier richten sich unwillkürlich die Blicke nach Siebenbürgen, und aus der Reihe der Schwaben erschallt die Forderung*): zu nationalen Führern der Schwaben „sollten sich möglichst viele siebenbürger Sachsen hergeben". Man sieht: wenn der Schwabe in Not ist, soll der Sachse helfen. Man hat ein außerordentliches Zutrauen zu dem, was die Sachsen leisten könnten, wenn sie nur wollten. Aber die Sachsen können nicht zaubern. Und auch die Schwaben können nicht zaubern. Auf keine andere Weise können sie ihre Lage bessern, als durch die mühsame, nüchterne, viel persönliche Opfer erfordernde Arbeit, die zu dem Aufbau der nationalen Organisation nötig ist. Diese nationale Selbstbesinnung, diese nationale Erneuerung von innen heraus hat bereits begonnen. Nach Lage der Dinge müssen dabei die Schwaben ihren eigenen Weg gehen. Der Versuch, die Sachsen vor ihren Wagen zu spannen, wäre außer¬ ordentlich gefährlich; denn er würde die Sachsen schädigen, ohne den Schwaben zu nützen. Die „Deutsche Gemeinbürgschaft" kann von feiten der Schwaben vorläufig nur darin bestehen, daß sie die Sachsen nicht in den Augen der madjarischen Regierung kompromittieren. Aber auf ganz andere Weise können die Sachsen gleichwohl die Lehrmeister der Schwaben werden: wenn nämlich die Schwaben bei der nationalen Organi¬ sation ihres Volksstammes die Methoden, welche die Sachsen in ihrer nationalen Schutzarbeit erstrebt haben, übernehmen und verbessern. Auch damit ist bereits der Anfang gemacht. *) In derselben Nummer des Deutsch-ungarischen Bolksfreundes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/307>, abgerufen am 24.07.2024.