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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Aardincil Ropps Bedeutung

Sinne handelten, wie wir soeben gesehen, Vatikan und Kopp bei der Beilegung
des Kulturkampfes; es ist der Grundgedanke der Politik, welche Kopp verfolgte
und zunächst gegen die ihm im Lebensalter vorangehende Generation der
Zentrumsväter durchzusetzen hatte.

Es fragte sich nur, ob es gelingen würde, das Zentrum auf diese Bahn hin¬
überzuführen. Wir haben, um die Schwierigkeiten und Widerstände zu zeigen, die
Hergange des ersten Versuches ausführlich erzählt. Er war gelungen, weil die
Staatsgewalt große Belohnung bot, und auf den Willen der Staatsgewalt wird
es natürlich auch in der Folgezeit gar sehr ankommen. Überhaupt soll nun
nicht gesagt sein, daß Kopp allein diese Umwandlung bewirkt habe. Die Logik
der Tatsachen legte sie nahe und führte auch an anderen Orten zu ähnlichen
Schlüssen: im selben Jahre 1886, in dem Kopp in Preußen an einer Annäherung
an den Staat arbeitete und die alten Zentrumsführer gegen ihren Willen zu
einer entgegenkommenderen Haltung bringen wollte, ist es in Baden z. B.
gerade ein Zentrumsführer, Lender, gewesen, der seine Parteigenossen in den
gleichen kirchenpolitischen Fragen zu einer ähnlichen klugen Politik der Zurück¬
haltung führen wollte und darob scharfe Angriffe der "Germania" erfahren mußte.
Also Kopp ist keineswegs der einzige gewesen, der die Dinge so gesehen hat;
aber seine Unermüdlichkeit hat doch am meisten dafür getan, den Klerikalismus
aus der Stimmung des Kulturkampfes heraus in seine "Reichsfreundlichkeit"
unter dem vierten Kanzler zu führen. Kopp hat oft in dieser Richtung weiter
zu gehen beabsichtigt, als das Zentrum ging; aber dieses fühlte sich eben durch
Rücksichten auf die Stimmung der Wähler gebunden, während Kopp auch darin
ganz anders dachte.

Am deutlichsten wird das alles, wenn man die Stellungnahme verfolgt,
die Kopp durch sein ganzes politisches Wirken hindurch in der preußischen Polen¬
frage von Anfang an ohne irgendeine Wandlung eingenommen und bewahrt
hat. Die Polenfrage war ja der schwerste Stein des Anstoßes zwischen Bismarck
und dem Zentrum, und dieses "erregende Moment" ist auch niemals beseitigt
worden; aber man hat es doch dann zu umgehen gewußt, wenn das Zentrum
einmal zur Regierungspartei zählte. Bischof Kopp dagegen ist der preußischen
Polenpolitik noch erheblich näher gekommen als das Zentrum, schon bei seinem
ersten Auftreten im Herrenhaus. Damals hatte Windthorst im Reichstag ein
Mißtrauensvotum gegen die Regierung wegen polnischer Ausweisungen zur An¬
nahme gebracht und im Abgeordnetenhause von vorbedachten Maßregeln gegen
das Vordringen des Katholizismus gesprochen. Dem stimmte im Herrenhause
der Fürst Radziwill bei; Kopp trat dagegen auf, und wenn er sich auch nach¬
her der Abstimmung enthielt, so war seine Rede doch auf ein Zutrauensvotum
an die Regierung und jedenfalls auf eine Zurückweisung des Windthorstschen
Vorwurfes von einer Erneuerung des Kulturkampfes in anderer Gestalt hinaus¬
gekommen. Bald sollte Kopp Gelegenheit werden, noch tiefer in die Polen-
frage verstrickt zu werden. Es wurde nämlich wegen seiner versöhnlichen Haltung


Aardincil Ropps Bedeutung

Sinne handelten, wie wir soeben gesehen, Vatikan und Kopp bei der Beilegung
des Kulturkampfes; es ist der Grundgedanke der Politik, welche Kopp verfolgte
und zunächst gegen die ihm im Lebensalter vorangehende Generation der
Zentrumsväter durchzusetzen hatte.

Es fragte sich nur, ob es gelingen würde, das Zentrum auf diese Bahn hin¬
überzuführen. Wir haben, um die Schwierigkeiten und Widerstände zu zeigen, die
Hergange des ersten Versuches ausführlich erzählt. Er war gelungen, weil die
Staatsgewalt große Belohnung bot, und auf den Willen der Staatsgewalt wird
es natürlich auch in der Folgezeit gar sehr ankommen. Überhaupt soll nun
nicht gesagt sein, daß Kopp allein diese Umwandlung bewirkt habe. Die Logik
der Tatsachen legte sie nahe und führte auch an anderen Orten zu ähnlichen
Schlüssen: im selben Jahre 1886, in dem Kopp in Preußen an einer Annäherung
an den Staat arbeitete und die alten Zentrumsführer gegen ihren Willen zu
einer entgegenkommenderen Haltung bringen wollte, ist es in Baden z. B.
gerade ein Zentrumsführer, Lender, gewesen, der seine Parteigenossen in den
gleichen kirchenpolitischen Fragen zu einer ähnlichen klugen Politik der Zurück¬
haltung führen wollte und darob scharfe Angriffe der „Germania" erfahren mußte.
Also Kopp ist keineswegs der einzige gewesen, der die Dinge so gesehen hat;
aber seine Unermüdlichkeit hat doch am meisten dafür getan, den Klerikalismus
aus der Stimmung des Kulturkampfes heraus in seine „Reichsfreundlichkeit"
unter dem vierten Kanzler zu führen. Kopp hat oft in dieser Richtung weiter
zu gehen beabsichtigt, als das Zentrum ging; aber dieses fühlte sich eben durch
Rücksichten auf die Stimmung der Wähler gebunden, während Kopp auch darin
ganz anders dachte.

Am deutlichsten wird das alles, wenn man die Stellungnahme verfolgt,
die Kopp durch sein ganzes politisches Wirken hindurch in der preußischen Polen¬
frage von Anfang an ohne irgendeine Wandlung eingenommen und bewahrt
hat. Die Polenfrage war ja der schwerste Stein des Anstoßes zwischen Bismarck
und dem Zentrum, und dieses „erregende Moment" ist auch niemals beseitigt
worden; aber man hat es doch dann zu umgehen gewußt, wenn das Zentrum
einmal zur Regierungspartei zählte. Bischof Kopp dagegen ist der preußischen
Polenpolitik noch erheblich näher gekommen als das Zentrum, schon bei seinem
ersten Auftreten im Herrenhaus. Damals hatte Windthorst im Reichstag ein
Mißtrauensvotum gegen die Regierung wegen polnischer Ausweisungen zur An¬
nahme gebracht und im Abgeordnetenhause von vorbedachten Maßregeln gegen
das Vordringen des Katholizismus gesprochen. Dem stimmte im Herrenhause
der Fürst Radziwill bei; Kopp trat dagegen auf, und wenn er sich auch nach¬
her der Abstimmung enthielt, so war seine Rede doch auf ein Zutrauensvotum
an die Regierung und jedenfalls auf eine Zurückweisung des Windthorstschen
Vorwurfes von einer Erneuerung des Kulturkampfes in anderer Gestalt hinaus¬
gekommen. Bald sollte Kopp Gelegenheit werden, noch tiefer in die Polen-
frage verstrickt zu werden. Es wurde nämlich wegen seiner versöhnlichen Haltung


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[0282] Aardincil Ropps Bedeutung Sinne handelten, wie wir soeben gesehen, Vatikan und Kopp bei der Beilegung des Kulturkampfes; es ist der Grundgedanke der Politik, welche Kopp verfolgte und zunächst gegen die ihm im Lebensalter vorangehende Generation der Zentrumsväter durchzusetzen hatte. Es fragte sich nur, ob es gelingen würde, das Zentrum auf diese Bahn hin¬ überzuführen. Wir haben, um die Schwierigkeiten und Widerstände zu zeigen, die Hergange des ersten Versuches ausführlich erzählt. Er war gelungen, weil die Staatsgewalt große Belohnung bot, und auf den Willen der Staatsgewalt wird es natürlich auch in der Folgezeit gar sehr ankommen. Überhaupt soll nun nicht gesagt sein, daß Kopp allein diese Umwandlung bewirkt habe. Die Logik der Tatsachen legte sie nahe und führte auch an anderen Orten zu ähnlichen Schlüssen: im selben Jahre 1886, in dem Kopp in Preußen an einer Annäherung an den Staat arbeitete und die alten Zentrumsführer gegen ihren Willen zu einer entgegenkommenderen Haltung bringen wollte, ist es in Baden z. B. gerade ein Zentrumsführer, Lender, gewesen, der seine Parteigenossen in den gleichen kirchenpolitischen Fragen zu einer ähnlichen klugen Politik der Zurück¬ haltung führen wollte und darob scharfe Angriffe der „Germania" erfahren mußte. Also Kopp ist keineswegs der einzige gewesen, der die Dinge so gesehen hat; aber seine Unermüdlichkeit hat doch am meisten dafür getan, den Klerikalismus aus der Stimmung des Kulturkampfes heraus in seine „Reichsfreundlichkeit" unter dem vierten Kanzler zu führen. Kopp hat oft in dieser Richtung weiter zu gehen beabsichtigt, als das Zentrum ging; aber dieses fühlte sich eben durch Rücksichten auf die Stimmung der Wähler gebunden, während Kopp auch darin ganz anders dachte. Am deutlichsten wird das alles, wenn man die Stellungnahme verfolgt, die Kopp durch sein ganzes politisches Wirken hindurch in der preußischen Polen¬ frage von Anfang an ohne irgendeine Wandlung eingenommen und bewahrt hat. Die Polenfrage war ja der schwerste Stein des Anstoßes zwischen Bismarck und dem Zentrum, und dieses „erregende Moment" ist auch niemals beseitigt worden; aber man hat es doch dann zu umgehen gewußt, wenn das Zentrum einmal zur Regierungspartei zählte. Bischof Kopp dagegen ist der preußischen Polenpolitik noch erheblich näher gekommen als das Zentrum, schon bei seinem ersten Auftreten im Herrenhaus. Damals hatte Windthorst im Reichstag ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung wegen polnischer Ausweisungen zur An¬ nahme gebracht und im Abgeordnetenhause von vorbedachten Maßregeln gegen das Vordringen des Katholizismus gesprochen. Dem stimmte im Herrenhause der Fürst Radziwill bei; Kopp trat dagegen auf, und wenn er sich auch nach¬ her der Abstimmung enthielt, so war seine Rede doch auf ein Zutrauensvotum an die Regierung und jedenfalls auf eine Zurückweisung des Windthorstschen Vorwurfes von einer Erneuerung des Kulturkampfes in anderer Gestalt hinaus¬ gekommen. Bald sollte Kopp Gelegenheit werden, noch tiefer in die Polen- frage verstrickt zu werden. Es wurde nämlich wegen seiner versöhnlichen Haltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/282>, abgerufen am 21.06.2024.