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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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der Kurie von der Regierung nahegelegt, ihm den erledigten Stuhl des Fürst¬
bischofs von Breslau zu übertragen; der glückliche Abschluß des Kulturkampfes
machte Rampolla dem Wunsche geneigt, und so wurde Bischof Kopp im
Oktober 1887 mit Umgehung der Vorschlagsliste des Domkapitels zum Fürst¬
bischof ernannt -- der Dank von Kirche und Staat für die eben zum Abschluß
gebrachte Versöhnung. In dieser neuen Stellung trat nun gerade die Polen¬
srage mit den Jahren immer mehr an ihn heran. Denn nicht nur wurde das
Vorrücken des Polentums im allgemeinen immer stärker; die großpolnische Pro¬
paganda griff auch gerade in seine oberschlesischen Diözesanbezirke über und
fand naturgemäß in polnischen Geistlichen eifrige Förderer. Dagegen trat Kopp
entschieden auf. 1903 bedrohte er die Leser der nationalpolnischen Presse in
einem Hirtenbriefe mit den schwersten Strafen des Kirchenregimentes und fand
in dem darauf folgenden Prozesse durchaus die Zustimmung der Zentrumspresse,
für die sein Wirken nur von Vorteil sein konnte. Der Haß der Polen gegen
ihn wurde mit den Jahren immer heftiger, sie nannten ihn einen gefährlichen
Germanisator, der Religion und Priester in die Dienste seiner chauvinistischen
Bestrebungen stelle"). Auf der andern Seite aber verweigerte er, wieder in
Übereinstimmung mit dem Zentrum, der Regierung 1908 die Gefolgschaft
beim Enteignungsgesetz*"); wir werden indessen sehen, daß dem Fürstbischof
diese Haltung doch auch noch aus einem anderen, sehr charakteristischen
Grunde geboten schien.

Die neunziger Jahre sind die eigentlichen Zeiten dieser Zentrumswandlungen.
In ihrem Anfange, unter Caprivi, lehnt das Zentrum die Heeresvorlage noch
ab und läßt es darauf ankommen, daß die zum Ausgleich mit der Regierung
bereite Minderheit ihren Austritt aus der Partei erklärt. Es ist die
erste wirklich große Krisis dieses Wandlungsprozesses, und Kopp steht dabei
völlig auf der Seite der zwölf Sezessionisten, von denen nicht weniger als sieben
Schlester sind und deren Führer Hume und Porsch ihm sehr nahe stehen. Unter
Hohenlohe erfolgt dann allmählich die Annäherung an die Reichsregierung und die
nationalen Parteien"*"): Lieber und Bennigsen machen zusammen alle größeren
Gesetze, besonders die Flottenvorlage, das Bürgerliche Gesetzbuch und die Reichs¬
finanzreform im Liederschen Sinne. Höhepunkt und Abschluß dieser Periode
bilden die Ereignisse, die mit der Palästinareise Wilhelms des Zweiten vom
Jahre 1898 verknüpft sind: der deutsche Klerikalismus, der das Reich in sich
einbeziehen will, tritt jetzt den Ansprüchen der französischen Klerikalen auf das
altgeheiligte Protektorat Frankreichs im Orient und Rampollas Franzosenfreund¬
lichkeit entgegen -- und wieder ist Kopp der Fürsprecher für eine Annäherung
des Vatikans an den Kaiser, wenngleich auch seine diplomatische Mission scheitert.





") Wippermann, Deutscher Geschichtskalender 1903. Bd. I, S. 214--216; 1904, Bd. I,
S. 206--2091 1906, Bd. II, S. 73--76.
5") Ebenda 1903. Bd. I, S. 7--14,
Vgl. Martin spähn, Ernst Lieber. Gothn 1906. Besonders S. 46 ff.

der Kurie von der Regierung nahegelegt, ihm den erledigten Stuhl des Fürst¬
bischofs von Breslau zu übertragen; der glückliche Abschluß des Kulturkampfes
machte Rampolla dem Wunsche geneigt, und so wurde Bischof Kopp im
Oktober 1887 mit Umgehung der Vorschlagsliste des Domkapitels zum Fürst¬
bischof ernannt — der Dank von Kirche und Staat für die eben zum Abschluß
gebrachte Versöhnung. In dieser neuen Stellung trat nun gerade die Polen¬
srage mit den Jahren immer mehr an ihn heran. Denn nicht nur wurde das
Vorrücken des Polentums im allgemeinen immer stärker; die großpolnische Pro¬
paganda griff auch gerade in seine oberschlesischen Diözesanbezirke über und
fand naturgemäß in polnischen Geistlichen eifrige Förderer. Dagegen trat Kopp
entschieden auf. 1903 bedrohte er die Leser der nationalpolnischen Presse in
einem Hirtenbriefe mit den schwersten Strafen des Kirchenregimentes und fand
in dem darauf folgenden Prozesse durchaus die Zustimmung der Zentrumspresse,
für die sein Wirken nur von Vorteil sein konnte. Der Haß der Polen gegen
ihn wurde mit den Jahren immer heftiger, sie nannten ihn einen gefährlichen
Germanisator, der Religion und Priester in die Dienste seiner chauvinistischen
Bestrebungen stelle"). Auf der andern Seite aber verweigerte er, wieder in
Übereinstimmung mit dem Zentrum, der Regierung 1908 die Gefolgschaft
beim Enteignungsgesetz*"); wir werden indessen sehen, daß dem Fürstbischof
diese Haltung doch auch noch aus einem anderen, sehr charakteristischen
Grunde geboten schien.

Die neunziger Jahre sind die eigentlichen Zeiten dieser Zentrumswandlungen.
In ihrem Anfange, unter Caprivi, lehnt das Zentrum die Heeresvorlage noch
ab und läßt es darauf ankommen, daß die zum Ausgleich mit der Regierung
bereite Minderheit ihren Austritt aus der Partei erklärt. Es ist die
erste wirklich große Krisis dieses Wandlungsprozesses, und Kopp steht dabei
völlig auf der Seite der zwölf Sezessionisten, von denen nicht weniger als sieben
Schlester sind und deren Führer Hume und Porsch ihm sehr nahe stehen. Unter
Hohenlohe erfolgt dann allmählich die Annäherung an die Reichsregierung und die
nationalen Parteien"*"): Lieber und Bennigsen machen zusammen alle größeren
Gesetze, besonders die Flottenvorlage, das Bürgerliche Gesetzbuch und die Reichs¬
finanzreform im Liederschen Sinne. Höhepunkt und Abschluß dieser Periode
bilden die Ereignisse, die mit der Palästinareise Wilhelms des Zweiten vom
Jahre 1898 verknüpft sind: der deutsche Klerikalismus, der das Reich in sich
einbeziehen will, tritt jetzt den Ansprüchen der französischen Klerikalen auf das
altgeheiligte Protektorat Frankreichs im Orient und Rampollas Franzosenfreund¬
lichkeit entgegen — und wieder ist Kopp der Fürsprecher für eine Annäherung
des Vatikans an den Kaiser, wenngleich auch seine diplomatische Mission scheitert.





") Wippermann, Deutscher Geschichtskalender 1903. Bd. I, S. 214—216; 1904, Bd. I,
S. 206—2091 1906, Bd. II, S. 73—76.
5") Ebenda 1903. Bd. I, S. 7—14,
Vgl. Martin spähn, Ernst Lieber. Gothn 1906. Besonders S. 46 ff.
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[0283] der Kurie von der Regierung nahegelegt, ihm den erledigten Stuhl des Fürst¬ bischofs von Breslau zu übertragen; der glückliche Abschluß des Kulturkampfes machte Rampolla dem Wunsche geneigt, und so wurde Bischof Kopp im Oktober 1887 mit Umgehung der Vorschlagsliste des Domkapitels zum Fürst¬ bischof ernannt — der Dank von Kirche und Staat für die eben zum Abschluß gebrachte Versöhnung. In dieser neuen Stellung trat nun gerade die Polen¬ srage mit den Jahren immer mehr an ihn heran. Denn nicht nur wurde das Vorrücken des Polentums im allgemeinen immer stärker; die großpolnische Pro¬ paganda griff auch gerade in seine oberschlesischen Diözesanbezirke über und fand naturgemäß in polnischen Geistlichen eifrige Förderer. Dagegen trat Kopp entschieden auf. 1903 bedrohte er die Leser der nationalpolnischen Presse in einem Hirtenbriefe mit den schwersten Strafen des Kirchenregimentes und fand in dem darauf folgenden Prozesse durchaus die Zustimmung der Zentrumspresse, für die sein Wirken nur von Vorteil sein konnte. Der Haß der Polen gegen ihn wurde mit den Jahren immer heftiger, sie nannten ihn einen gefährlichen Germanisator, der Religion und Priester in die Dienste seiner chauvinistischen Bestrebungen stelle"). Auf der andern Seite aber verweigerte er, wieder in Übereinstimmung mit dem Zentrum, der Regierung 1908 die Gefolgschaft beim Enteignungsgesetz*"); wir werden indessen sehen, daß dem Fürstbischof diese Haltung doch auch noch aus einem anderen, sehr charakteristischen Grunde geboten schien. Die neunziger Jahre sind die eigentlichen Zeiten dieser Zentrumswandlungen. In ihrem Anfange, unter Caprivi, lehnt das Zentrum die Heeresvorlage noch ab und läßt es darauf ankommen, daß die zum Ausgleich mit der Regierung bereite Minderheit ihren Austritt aus der Partei erklärt. Es ist die erste wirklich große Krisis dieses Wandlungsprozesses, und Kopp steht dabei völlig auf der Seite der zwölf Sezessionisten, von denen nicht weniger als sieben Schlester sind und deren Führer Hume und Porsch ihm sehr nahe stehen. Unter Hohenlohe erfolgt dann allmählich die Annäherung an die Reichsregierung und die nationalen Parteien"*"): Lieber und Bennigsen machen zusammen alle größeren Gesetze, besonders die Flottenvorlage, das Bürgerliche Gesetzbuch und die Reichs¬ finanzreform im Liederschen Sinne. Höhepunkt und Abschluß dieser Periode bilden die Ereignisse, die mit der Palästinareise Wilhelms des Zweiten vom Jahre 1898 verknüpft sind: der deutsche Klerikalismus, der das Reich in sich einbeziehen will, tritt jetzt den Ansprüchen der französischen Klerikalen auf das altgeheiligte Protektorat Frankreichs im Orient und Rampollas Franzosenfreund¬ lichkeit entgegen — und wieder ist Kopp der Fürsprecher für eine Annäherung des Vatikans an den Kaiser, wenngleich auch seine diplomatische Mission scheitert. ") Wippermann, Deutscher Geschichtskalender 1903. Bd. I, S. 214—216; 1904, Bd. I, S. 206—2091 1906, Bd. II, S. 73—76. 5") Ebenda 1903. Bd. I, S. 7—14, Vgl. Martin spähn, Ernst Lieber. Gothn 1906. Besonders S. 46 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/283>, abgerufen am 21.06.2024.