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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Kardinal Ropps Bedeutung

Für Kopps Lebenswerk ist der Gegensatz, der sich hier auftat, sehr
charakteristisch. Es war eine Art Krise innerhalb des politischen Katholizismus;
die einen wollten die prinzipielle Gegensätzlichkeit der "protestantischen Regierung"
gegenüber aufrecht erhalten, und die anderen, die Kurie und Kopp, wollten in
eine neue Bahn hinein und den Frieden mit dieser Regierung haben. Die
Verteilung der Rollen scheint auf den ersten Blick etwas seltsam. Und doch ist
es begreiflich, und wird uns, wenn wir den Dingen etwas weiter nachgehen,
den letzten Schlüssel liefern zum Verständnis dessen, was Kopp für die
Umwandlung der klerikalen Politik in Deutschland getan hat. Das Zentrum
war emporgekommen im Gegensatze zu dem werdenden kleindentschen Reiche
unter preußischer Spitze. Mögen die historischen Voraussetzungen im einzelnen
auch noch so zahlreich sein, so bleibt doch als Ursache der endgültigen Kon¬
solidierung des Zentrums die Tatsache, daß die alten Führer des politischen
Katholizismus in dem neu sich bildenden Reiche nicht die Freiheit und Gleichheit
ihrer Konfessionsverwandten gewährleistet zu sehen glaubten, daß also der innere
Gegensatz gegen die Reichsgründung, sowie sie der Gang der Dinge nun einmal
gebracht hatte, das primum moveng der Einigung gewesen ist. Dagegen
spricht auch nicht, daß man das kleinere Reich lieber hinnahm als die alte
Zersplitterung, nachdem einmal die Würfel gefallen waren. Die geistigen und
kulturellen Kämpfe, die sofort im neuen Reiche ausbrachen und dann ebenfalls in
den Kulturkampf ausmündeten, verstärkten diesen Gegensatz nur um so mehr; die
Gründer des Zentrums lebten sich in den Groll der Besiegten von 1866 ein
und schlössen ihren Bund mit Welsen. Polen und Elsässern, ihr Führer selbst
war einer der Unterlegenen von Königgrätz. Dabei wuchs die Partei -- denn
sie hatte ja die Märtyrer --, aber sie konnte, weil sie eine konfessionelle
Minorität vertrat, nie so viel in sich aufnehmen, daß sie dadurch das ganze
Reich nach ihrem Wunsche hätte umformen können. Unentwegte, prinzipientreue
Naturen, wie es die alten Zentrumshäupter waren, blieben darum doch auf
ihrem Standpunkte beharren; aber neben ihnen kam nun die jüngere Generation
empor, die nicht mehr die Romantik und den Traum der Paulskirche mit¬
gemacht hatte, und darum auch 1866 weniger enttäuscht worden war. Und
dann gab es auch feinere, geschmeidigere Naturen, welche sich aufs Paktieren
mit dem Gegner und auf schrittweises Zurückgewinnen des verlorenen Bodens
einlassen wollten; bei solcher Taktik konnte man mit der Macht, die man in
die Wagschale zu werfen hatte, mehr anfangen. Auf diese Künste aber hatte
sich die Kurie von jeher am besten verstanden. Was hatte es für einen Sinn,
beständig zu protestieren, wenn man die Dinge doch nicht gewaltsam ändern
konnte? Warum sollte man nicht den Staat umfassen und an ihm groß zu
werden suchen, um ihn dann langsam zu wandeln? Sollte man in Berlin nie
eine Stütze finden, nachdem Wien seine alte Bedeutung verloren hatte und wenn
Paris bald für die Kurie außer Frage kommt! Von diesem Standpunkte aus war
eine friedliche Vereinbarung mit dem neuen Reiche nur zu empfehlen, in diesem


Kardinal Ropps Bedeutung

Für Kopps Lebenswerk ist der Gegensatz, der sich hier auftat, sehr
charakteristisch. Es war eine Art Krise innerhalb des politischen Katholizismus;
die einen wollten die prinzipielle Gegensätzlichkeit der „protestantischen Regierung"
gegenüber aufrecht erhalten, und die anderen, die Kurie und Kopp, wollten in
eine neue Bahn hinein und den Frieden mit dieser Regierung haben. Die
Verteilung der Rollen scheint auf den ersten Blick etwas seltsam. Und doch ist
es begreiflich, und wird uns, wenn wir den Dingen etwas weiter nachgehen,
den letzten Schlüssel liefern zum Verständnis dessen, was Kopp für die
Umwandlung der klerikalen Politik in Deutschland getan hat. Das Zentrum
war emporgekommen im Gegensatze zu dem werdenden kleindentschen Reiche
unter preußischer Spitze. Mögen die historischen Voraussetzungen im einzelnen
auch noch so zahlreich sein, so bleibt doch als Ursache der endgültigen Kon¬
solidierung des Zentrums die Tatsache, daß die alten Führer des politischen
Katholizismus in dem neu sich bildenden Reiche nicht die Freiheit und Gleichheit
ihrer Konfessionsverwandten gewährleistet zu sehen glaubten, daß also der innere
Gegensatz gegen die Reichsgründung, sowie sie der Gang der Dinge nun einmal
gebracht hatte, das primum moveng der Einigung gewesen ist. Dagegen
spricht auch nicht, daß man das kleinere Reich lieber hinnahm als die alte
Zersplitterung, nachdem einmal die Würfel gefallen waren. Die geistigen und
kulturellen Kämpfe, die sofort im neuen Reiche ausbrachen und dann ebenfalls in
den Kulturkampf ausmündeten, verstärkten diesen Gegensatz nur um so mehr; die
Gründer des Zentrums lebten sich in den Groll der Besiegten von 1866 ein
und schlössen ihren Bund mit Welsen. Polen und Elsässern, ihr Führer selbst
war einer der Unterlegenen von Königgrätz. Dabei wuchs die Partei — denn
sie hatte ja die Märtyrer —, aber sie konnte, weil sie eine konfessionelle
Minorität vertrat, nie so viel in sich aufnehmen, daß sie dadurch das ganze
Reich nach ihrem Wunsche hätte umformen können. Unentwegte, prinzipientreue
Naturen, wie es die alten Zentrumshäupter waren, blieben darum doch auf
ihrem Standpunkte beharren; aber neben ihnen kam nun die jüngere Generation
empor, die nicht mehr die Romantik und den Traum der Paulskirche mit¬
gemacht hatte, und darum auch 1866 weniger enttäuscht worden war. Und
dann gab es auch feinere, geschmeidigere Naturen, welche sich aufs Paktieren
mit dem Gegner und auf schrittweises Zurückgewinnen des verlorenen Bodens
einlassen wollten; bei solcher Taktik konnte man mit der Macht, die man in
die Wagschale zu werfen hatte, mehr anfangen. Auf diese Künste aber hatte
sich die Kurie von jeher am besten verstanden. Was hatte es für einen Sinn,
beständig zu protestieren, wenn man die Dinge doch nicht gewaltsam ändern
konnte? Warum sollte man nicht den Staat umfassen und an ihm groß zu
werden suchen, um ihn dann langsam zu wandeln? Sollte man in Berlin nie
eine Stütze finden, nachdem Wien seine alte Bedeutung verloren hatte und wenn
Paris bald für die Kurie außer Frage kommt! Von diesem Standpunkte aus war
eine friedliche Vereinbarung mit dem neuen Reiche nur zu empfehlen, in diesem


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[0281] Kardinal Ropps Bedeutung Für Kopps Lebenswerk ist der Gegensatz, der sich hier auftat, sehr charakteristisch. Es war eine Art Krise innerhalb des politischen Katholizismus; die einen wollten die prinzipielle Gegensätzlichkeit der „protestantischen Regierung" gegenüber aufrecht erhalten, und die anderen, die Kurie und Kopp, wollten in eine neue Bahn hinein und den Frieden mit dieser Regierung haben. Die Verteilung der Rollen scheint auf den ersten Blick etwas seltsam. Und doch ist es begreiflich, und wird uns, wenn wir den Dingen etwas weiter nachgehen, den letzten Schlüssel liefern zum Verständnis dessen, was Kopp für die Umwandlung der klerikalen Politik in Deutschland getan hat. Das Zentrum war emporgekommen im Gegensatze zu dem werdenden kleindentschen Reiche unter preußischer Spitze. Mögen die historischen Voraussetzungen im einzelnen auch noch so zahlreich sein, so bleibt doch als Ursache der endgültigen Kon¬ solidierung des Zentrums die Tatsache, daß die alten Führer des politischen Katholizismus in dem neu sich bildenden Reiche nicht die Freiheit und Gleichheit ihrer Konfessionsverwandten gewährleistet zu sehen glaubten, daß also der innere Gegensatz gegen die Reichsgründung, sowie sie der Gang der Dinge nun einmal gebracht hatte, das primum moveng der Einigung gewesen ist. Dagegen spricht auch nicht, daß man das kleinere Reich lieber hinnahm als die alte Zersplitterung, nachdem einmal die Würfel gefallen waren. Die geistigen und kulturellen Kämpfe, die sofort im neuen Reiche ausbrachen und dann ebenfalls in den Kulturkampf ausmündeten, verstärkten diesen Gegensatz nur um so mehr; die Gründer des Zentrums lebten sich in den Groll der Besiegten von 1866 ein und schlössen ihren Bund mit Welsen. Polen und Elsässern, ihr Führer selbst war einer der Unterlegenen von Königgrätz. Dabei wuchs die Partei — denn sie hatte ja die Märtyrer —, aber sie konnte, weil sie eine konfessionelle Minorität vertrat, nie so viel in sich aufnehmen, daß sie dadurch das ganze Reich nach ihrem Wunsche hätte umformen können. Unentwegte, prinzipientreue Naturen, wie es die alten Zentrumshäupter waren, blieben darum doch auf ihrem Standpunkte beharren; aber neben ihnen kam nun die jüngere Generation empor, die nicht mehr die Romantik und den Traum der Paulskirche mit¬ gemacht hatte, und darum auch 1866 weniger enttäuscht worden war. Und dann gab es auch feinere, geschmeidigere Naturen, welche sich aufs Paktieren mit dem Gegner und auf schrittweises Zurückgewinnen des verlorenen Bodens einlassen wollten; bei solcher Taktik konnte man mit der Macht, die man in die Wagschale zu werfen hatte, mehr anfangen. Auf diese Künste aber hatte sich die Kurie von jeher am besten verstanden. Was hatte es für einen Sinn, beständig zu protestieren, wenn man die Dinge doch nicht gewaltsam ändern konnte? Warum sollte man nicht den Staat umfassen und an ihm groß zu werden suchen, um ihn dann langsam zu wandeln? Sollte man in Berlin nie eine Stütze finden, nachdem Wien seine alte Bedeutung verloren hatte und wenn Paris bald für die Kurie außer Frage kommt! Von diesem Standpunkte aus war eine friedliche Vereinbarung mit dem neuen Reiche nur zu empfehlen, in diesem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/281>, abgerufen am 21.06.2024.