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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Kardinal Kopps Bedeutung

die Anzeige an die Oberpräsidenten bereits gemacht hätten. Eine Majorität,
allerdings ohne die Nationalliberalen*), war damit für Kopp gesichert.

Bemerkenswert in unserem Zusammenhang ist noch die Haltung des
Zentrums. Die Verteidigung der Vorlage war von Bismarck von Anfang an
mit gleichzeitigen starken Angriffen gegen das Zentrum geführt worden, und
noch in feiner Herrenhausrede spielte er die höchste kirchliche Autorität, mit der
er den Frieden geschlossen, gegen die Zentrumspartei aus. Trotzdem mußte
diese seiner, vom Papste gebilligten Vorlage zustimmen und sich -- zum ersten
Male -- von den Polen trennen, für deren Bistum der Entwurf Ausnahme¬
bestimmungen enthielt. Windthorst tat es, aber er übernahm die Verteidigung
des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause nicht und ebensowenig die der
Koppschen Anträge. Und im nächsten Jahre, dem Jahre des Septennatsstreites,
wiederholte sich dann das gleiche Spiel. Wieder brachte Bismarck eine Reihe
von Kirchennovellen beim Herrenhaus ein, die wieder auf einer vorhergehenden
Verständigung mit dem heiligen Stuhl beruhten und gegen die sich abermals
eine stumme Opposition in den Reihen des Zentrums fühlbar machte. Auch
Kopp brachte wiederum weitergehende Anträge ein, nach seiner Versicherung
auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes, und gab, als er sah, daß er damit
nicht zum Ziele gelangte, die Erklärung ab, er werde auch für die Regierungs¬
vorlage eintreten, um sich nicht in Gegensatz zu der Friedensarbeit zwischen
Staat und Kirche zu setzen. Er hoffte dabei, daß im Abgeordnetenhause in
einem oder dem anderen Punkte die Wünsche der Kirche mehr berücksichtigt
würden. Dort wäre es nun die Aufgabe des Zentrums gewesen, in diesem
Sinne zu wirken. Statt dessen erklärte die "Germania" das Gesetz einfach für
unannehmbar, weil es weder das Jesuitengesetz, noch das Ausweisungsgesetz
aufhebe und darum nicht als die versprochene Gegenleistung für die Gewährung
der Anzeigepflicht gelten könne. Das war offener Gegensatz gegen die Koppsche
Politik, der nur mit Mühe wenigstens äußerlich wieder verkleistert werden konnte
durch einen päpstlichen Spezialgesandten, Galimberü, welcher mit Kopp und Windt¬
horst unterhandelte und die päpstliche Meinung dem Zentrum gegenüber durchsetzte;
er erklärte offen einem Berichterstatter der Kölnischen Zeitung, nach Ansicht des
heiligen Stuhles sei mit der Annahme der Novelle der Kulturkampf beendigt,
und verwies zur Erfüllung kleinerer Wünsche auf den diplomatischen Weg.
Ein Schreiben Leos des Dreizehnter veranlaßte darauf das Zentrum, von einer
Opposition abzulassen. Man verhielt sich völlig passiv, indem man sich nicht
an der Diskussion im Abgeordnetenhause beteiligte; -vielmehr verlas Windthorst
im Namen seiner Fraktion nur die Erklärung, daß sie der Aufforderung
des Papstes Folge leisten werde und für die Vorlage stimme, wenn diese nicht
zu Ungunsten der kirchlichsn Freiheit verändert werde**).




*) Vgl. H. Lücken, Bennigsen. 1910. Bd. 2, S. 626--629.
*) Schultheß - Delbrück, 1887, das. S. 86, 99/104, 111/31.
Kardinal Kopps Bedeutung

die Anzeige an die Oberpräsidenten bereits gemacht hätten. Eine Majorität,
allerdings ohne die Nationalliberalen*), war damit für Kopp gesichert.

Bemerkenswert in unserem Zusammenhang ist noch die Haltung des
Zentrums. Die Verteidigung der Vorlage war von Bismarck von Anfang an
mit gleichzeitigen starken Angriffen gegen das Zentrum geführt worden, und
noch in feiner Herrenhausrede spielte er die höchste kirchliche Autorität, mit der
er den Frieden geschlossen, gegen die Zentrumspartei aus. Trotzdem mußte
diese seiner, vom Papste gebilligten Vorlage zustimmen und sich — zum ersten
Male — von den Polen trennen, für deren Bistum der Entwurf Ausnahme¬
bestimmungen enthielt. Windthorst tat es, aber er übernahm die Verteidigung
des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause nicht und ebensowenig die der
Koppschen Anträge. Und im nächsten Jahre, dem Jahre des Septennatsstreites,
wiederholte sich dann das gleiche Spiel. Wieder brachte Bismarck eine Reihe
von Kirchennovellen beim Herrenhaus ein, die wieder auf einer vorhergehenden
Verständigung mit dem heiligen Stuhl beruhten und gegen die sich abermals
eine stumme Opposition in den Reihen des Zentrums fühlbar machte. Auch
Kopp brachte wiederum weitergehende Anträge ein, nach seiner Versicherung
auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes, und gab, als er sah, daß er damit
nicht zum Ziele gelangte, die Erklärung ab, er werde auch für die Regierungs¬
vorlage eintreten, um sich nicht in Gegensatz zu der Friedensarbeit zwischen
Staat und Kirche zu setzen. Er hoffte dabei, daß im Abgeordnetenhause in
einem oder dem anderen Punkte die Wünsche der Kirche mehr berücksichtigt
würden. Dort wäre es nun die Aufgabe des Zentrums gewesen, in diesem
Sinne zu wirken. Statt dessen erklärte die „Germania" das Gesetz einfach für
unannehmbar, weil es weder das Jesuitengesetz, noch das Ausweisungsgesetz
aufhebe und darum nicht als die versprochene Gegenleistung für die Gewährung
der Anzeigepflicht gelten könne. Das war offener Gegensatz gegen die Koppsche
Politik, der nur mit Mühe wenigstens äußerlich wieder verkleistert werden konnte
durch einen päpstlichen Spezialgesandten, Galimberü, welcher mit Kopp und Windt¬
horst unterhandelte und die päpstliche Meinung dem Zentrum gegenüber durchsetzte;
er erklärte offen einem Berichterstatter der Kölnischen Zeitung, nach Ansicht des
heiligen Stuhles sei mit der Annahme der Novelle der Kulturkampf beendigt,
und verwies zur Erfüllung kleinerer Wünsche auf den diplomatischen Weg.
Ein Schreiben Leos des Dreizehnter veranlaßte darauf das Zentrum, von einer
Opposition abzulassen. Man verhielt sich völlig passiv, indem man sich nicht
an der Diskussion im Abgeordnetenhause beteiligte; -vielmehr verlas Windthorst
im Namen seiner Fraktion nur die Erklärung, daß sie der Aufforderung
des Papstes Folge leisten werde und für die Vorlage stimme, wenn diese nicht
zu Ungunsten der kirchlichsn Freiheit verändert werde**).




*) Vgl. H. Lücken, Bennigsen. 1910. Bd. 2, S. 626—629.
*) Schultheß - Delbrück, 1887, das. S. 86, 99/104, 111/31.
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[0280] Kardinal Kopps Bedeutung die Anzeige an die Oberpräsidenten bereits gemacht hätten. Eine Majorität, allerdings ohne die Nationalliberalen*), war damit für Kopp gesichert. Bemerkenswert in unserem Zusammenhang ist noch die Haltung des Zentrums. Die Verteidigung der Vorlage war von Bismarck von Anfang an mit gleichzeitigen starken Angriffen gegen das Zentrum geführt worden, und noch in feiner Herrenhausrede spielte er die höchste kirchliche Autorität, mit der er den Frieden geschlossen, gegen die Zentrumspartei aus. Trotzdem mußte diese seiner, vom Papste gebilligten Vorlage zustimmen und sich — zum ersten Male — von den Polen trennen, für deren Bistum der Entwurf Ausnahme¬ bestimmungen enthielt. Windthorst tat es, aber er übernahm die Verteidigung des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause nicht und ebensowenig die der Koppschen Anträge. Und im nächsten Jahre, dem Jahre des Septennatsstreites, wiederholte sich dann das gleiche Spiel. Wieder brachte Bismarck eine Reihe von Kirchennovellen beim Herrenhaus ein, die wieder auf einer vorhergehenden Verständigung mit dem heiligen Stuhl beruhten und gegen die sich abermals eine stumme Opposition in den Reihen des Zentrums fühlbar machte. Auch Kopp brachte wiederum weitergehende Anträge ein, nach seiner Versicherung auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes, und gab, als er sah, daß er damit nicht zum Ziele gelangte, die Erklärung ab, er werde auch für die Regierungs¬ vorlage eintreten, um sich nicht in Gegensatz zu der Friedensarbeit zwischen Staat und Kirche zu setzen. Er hoffte dabei, daß im Abgeordnetenhause in einem oder dem anderen Punkte die Wünsche der Kirche mehr berücksichtigt würden. Dort wäre es nun die Aufgabe des Zentrums gewesen, in diesem Sinne zu wirken. Statt dessen erklärte die „Germania" das Gesetz einfach für unannehmbar, weil es weder das Jesuitengesetz, noch das Ausweisungsgesetz aufhebe und darum nicht als die versprochene Gegenleistung für die Gewährung der Anzeigepflicht gelten könne. Das war offener Gegensatz gegen die Koppsche Politik, der nur mit Mühe wenigstens äußerlich wieder verkleistert werden konnte durch einen päpstlichen Spezialgesandten, Galimberü, welcher mit Kopp und Windt¬ horst unterhandelte und die päpstliche Meinung dem Zentrum gegenüber durchsetzte; er erklärte offen einem Berichterstatter der Kölnischen Zeitung, nach Ansicht des heiligen Stuhles sei mit der Annahme der Novelle der Kulturkampf beendigt, und verwies zur Erfüllung kleinerer Wünsche auf den diplomatischen Weg. Ein Schreiben Leos des Dreizehnter veranlaßte darauf das Zentrum, von einer Opposition abzulassen. Man verhielt sich völlig passiv, indem man sich nicht an der Diskussion im Abgeordnetenhause beteiligte; -vielmehr verlas Windthorst im Namen seiner Fraktion nur die Erklärung, daß sie der Aufforderung des Papstes Folge leisten werde und für die Vorlage stimme, wenn diese nicht zu Ungunsten der kirchlichsn Freiheit verändert werde**). *) Vgl. H. Lücken, Bennigsen. 1910. Bd. 2, S. 626—629. *) Schultheß - Delbrück, 1887, das. S. 86, 99/104, 111/31.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/280>, abgerufen am 21.06.2024.