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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Aardinal Uopps Bedeutung

dein Vatikan, und hat schon dadurch allein einen ganz hervorragenden Einfluß
auf die Wandlung gewonnen, die sich allmählich auch in der Haltung der
Klerikalen dem Staate gegenüber vollzog*). Vom Standpunkt des preußischen
Staates und seiner Traditionen war es immerhin sehr viel, daß man die Selbst¬
tätige Vermittlung eines preußischen Untertanen und katholischen Prälaten bei
Unterhandlungen mit der römischen Macht in Anspruch nahm, ohne daß dieser
Vermittler, wie man es einige Jahre vorher mit dem Kardinal Hohenlohe im
Sinne hatte, als staatlicher Beauftragter fungierte und von den Interessen des
Staates ausging. Regel der preußischen Kirchenpolitik war das bisher nie
gewesen. Solange die "katholische Abteilung" bestanden hatte, waren zwar die
Stimmen des deutscheu Episkopates wenigstens indirekt gehört worden, aber
auch da waren im großen und ganzen die Abmachungen in Nom selbst ge¬
schlossen worden zwischen den" Regierungsvertreter und der römischen Kanzlei,
die alle Dinge nur vom Standpunkt der päpstlichen Zentralisation aus zu
beurteilen vermochte. Vollends aber früher, unter Hardenberg und Altenstein,
war es preußischer Grundsatz gewesen, alle Fragen schlechtweg zwischen Berlin und
Vatikan abzumachen, ohne daß die Bischöfe, die doch jedenfalls mehr als die
römische Kanzlei von der wirklichen Lage der Dinge in Deutschland wußten,
gehört wurden. Das alles faßte Bismarck jetzt ganz anders an. Er wollte
Frieden haben und brauchte jemanden, der im Vatikan gehört wurde und den
Theoretikern dort klar machte, daß ohne ein gewisses Maß von Konzessionen
der auch im Vatikan gewünschte Friede nicht zu haben sei. Daß ein solcher
Abschluß unter Umständen nicht ungefährlich war, kam für Bismarck als Bedenken
neben der gebieterischen Not der derzeitigen Lage erst zu zweit in Betracht. Die
Hauptsache blieb, daß durch den neuen Bischof die Zentrumspartei, die
sich so gern als die wahre Repräsentantin der katholischen Interessen in Deutsch¬
land aufspielte, nun gerade in dieser, die Kirche am nächsten berührenden Sache
ausgeschaltet war. Damit mußte allein schon die diplomatische Tätigkeit Kopps
an sich, ganz abgesehen von dem Sinne, in dem sie von ihm ausgeübt wurde,
für das Zentrum unangenehm werden. Dieses war auf ganz bestimmte kirchen¬
politische Ziele, auch in den Einzelfragen, so ziemlich festgelegt und hatte eine
große Anzahl von Bedingungen als notwendige Voraussetzung jeder friedlichen
Einigung hingestellt. Die Zentrumspartei beruhte zudem in ihrer ganzen
Existenz auf dem Glauben des katholischen Volksteils, daß sie die einzig zuver¬
lässige und unentbehrliche Vertreterin seiner kirchlichen Interessen in der Politik
sei; und nun mußte sie zusehen, daß jetzt über ihren Kopf hinweg der
große diplomatische Apparat in Bewegung gesetzt wurde, an dem sie selber nicht



*) Wenn zu der Zeit, wo die Verhandlungen noch schwebten, Kopps Anteilnahme daran
von der Kurie durch das auf ausdrücklichen Päpstlichen Wunsch veröffentlichte Schreiben des
Kardinalstaatssekretärs Jakobini an Kopp von: 4. Dezember 1886 bestritten wurde, so ist
das natürlich kein historischer Gegenbeweis. Kopp selbst hat sich im Herrenhaus als offizieller
Beauftragter bezeichnet.
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dein Vatikan, und hat schon dadurch allein einen ganz hervorragenden Einfluß
auf die Wandlung gewonnen, die sich allmählich auch in der Haltung der
Klerikalen dem Staate gegenüber vollzog*). Vom Standpunkt des preußischen
Staates und seiner Traditionen war es immerhin sehr viel, daß man die Selbst¬
tätige Vermittlung eines preußischen Untertanen und katholischen Prälaten bei
Unterhandlungen mit der römischen Macht in Anspruch nahm, ohne daß dieser
Vermittler, wie man es einige Jahre vorher mit dem Kardinal Hohenlohe im
Sinne hatte, als staatlicher Beauftragter fungierte und von den Interessen des
Staates ausging. Regel der preußischen Kirchenpolitik war das bisher nie
gewesen. Solange die „katholische Abteilung" bestanden hatte, waren zwar die
Stimmen des deutscheu Episkopates wenigstens indirekt gehört worden, aber
auch da waren im großen und ganzen die Abmachungen in Nom selbst ge¬
schlossen worden zwischen den« Regierungsvertreter und der römischen Kanzlei,
die alle Dinge nur vom Standpunkt der päpstlichen Zentralisation aus zu
beurteilen vermochte. Vollends aber früher, unter Hardenberg und Altenstein,
war es preußischer Grundsatz gewesen, alle Fragen schlechtweg zwischen Berlin und
Vatikan abzumachen, ohne daß die Bischöfe, die doch jedenfalls mehr als die
römische Kanzlei von der wirklichen Lage der Dinge in Deutschland wußten,
gehört wurden. Das alles faßte Bismarck jetzt ganz anders an. Er wollte
Frieden haben und brauchte jemanden, der im Vatikan gehört wurde und den
Theoretikern dort klar machte, daß ohne ein gewisses Maß von Konzessionen
der auch im Vatikan gewünschte Friede nicht zu haben sei. Daß ein solcher
Abschluß unter Umständen nicht ungefährlich war, kam für Bismarck als Bedenken
neben der gebieterischen Not der derzeitigen Lage erst zu zweit in Betracht. Die
Hauptsache blieb, daß durch den neuen Bischof die Zentrumspartei, die
sich so gern als die wahre Repräsentantin der katholischen Interessen in Deutsch¬
land aufspielte, nun gerade in dieser, die Kirche am nächsten berührenden Sache
ausgeschaltet war. Damit mußte allein schon die diplomatische Tätigkeit Kopps
an sich, ganz abgesehen von dem Sinne, in dem sie von ihm ausgeübt wurde,
für das Zentrum unangenehm werden. Dieses war auf ganz bestimmte kirchen¬
politische Ziele, auch in den Einzelfragen, so ziemlich festgelegt und hatte eine
große Anzahl von Bedingungen als notwendige Voraussetzung jeder friedlichen
Einigung hingestellt. Die Zentrumspartei beruhte zudem in ihrer ganzen
Existenz auf dem Glauben des katholischen Volksteils, daß sie die einzig zuver¬
lässige und unentbehrliche Vertreterin seiner kirchlichen Interessen in der Politik
sei; und nun mußte sie zusehen, daß jetzt über ihren Kopf hinweg der
große diplomatische Apparat in Bewegung gesetzt wurde, an dem sie selber nicht



*) Wenn zu der Zeit, wo die Verhandlungen noch schwebten, Kopps Anteilnahme daran
von der Kurie durch das auf ausdrücklichen Päpstlichen Wunsch veröffentlichte Schreiben des
Kardinalstaatssekretärs Jakobini an Kopp von: 4. Dezember 1886 bestritten wurde, so ist
das natürlich kein historischer Gegenbeweis. Kopp selbst hat sich im Herrenhaus als offizieller
Beauftragter bezeichnet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/276>, abgerufen am 21.06.2024.