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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Aardinal Ropps Bedeutung

sie waren ja alle durch ihre feindliche Stellung gegen Bismarck politisch ver¬
braucht. Eine Verständigung in der Frage der durch Urteilspruch des kirch¬
lichen Staatsgerichtshofes erledigten Bischofsstühle war auch nur im Zusammen¬
hang mit der Liquidierung des ganzen kirchlichen Streites zu ermöglichen. So
konnte es zu der seit Beginn des Kulturkampfes ersten Verständigung bei der
Neubesetzung eines Bistums nur dort kommen, wo es sich um einen durch
Todesfall verwaisten Sitz handelte. Dieser Fall war in Trier und Fulda.
Bei beiden Gelegenheiten zeigte die Regierung eine äußerst weitgehende Nach¬
giebigkeit, um die gewünschte Annäherung zu ermöglichen, und so wurden 1881
Korum in Trier und Georg Kopp in Fulda Bischöfe. Das Opfer, das die
preußische Negierung bei dem einen, dem Erzpriester Korum von Straßburg,
brachte, war groß, und ihre letzten Absichten dabei sind auch heute noch nicht
ganz klar; bei dem anderen aber, bei Kopp, ist es sicher, daß sie in ihm einen
Bischof zu finden hoffte, der zur Beruhigung des katholischen Volkes beitragen,
für den Frieden zwischen Staat und Kirche wirken werde und in diesem Sinne
auch die abgerissenen Beziehungen zwischen Staat und Kirche wieder anzu¬
knüpfen befähigt sei. Man möchte fast sagen, Regierung und Vatikan gaben
ihm mit dem Bischofsstab zugleich den Auftrag, an der beiderseitigen Versöhnung
zu arbeiten. Das sollte mit zu seinen Amtspflichten gehören, die ihm die Wahl auf¬
erlegte; als offizieller Friedensstifter erschien er unter den Streitern des Klerikalismus.

Er war damals schon eine Persönlichkeit und so etwas wie ein Programm;
darum verfiel man auf ihn. Er hatte schon damals gewußt, eigene Wege zu
wandeln und hatte schon in den Wirren des Kulturkampfes dem Staate gegen¬
über sich entgegenkommender gezeigt als die anderen -- bei allem strengen
Festhalten an den kirchlichen Grundsätzen. Das mochte wahrlich nicht
leicht gewesen sein für den Domkapitular und Generalvikar des preußischen
Bistums Hildesheim, und auch er hatte es schließlich im Widerstand gegen
die Staatsgesetze auf hohe Geldstrafen ankommen lassen; aber im ganzen war
es ihm doch geglückt, zwischen den gefährlichen Klippen hindurchzusegeln. So
konnte er der Anerkennung beider Mächte gewiß sein -- wenigstens dann, als
sie zueinander wollten; und das zeugt immerhin für die Feinheit seines politischen
Taktes, die sich selbst in dieser schwierigen Lage bewährt hatte. Das wird
es denn auch gewesen sein, was den Vatikan bewog, sich mit Umgehung des
wahlberechtigten Domkapitels, das in den Kulturkampfzeiten auf ein einziges
Mitglied zusammengeschmolzen war, direkt mit der Regierung über seine Er¬
nennung zu verständigen. Und daß diese ihrerseits den Erwählten von dem
durch die Maigesetze vorgeschriebenen Staatseid dispensierte, zeigt, wie
sehr gleich mit seiner Berufung der Abbau der Maigesetze einsetzt und wie
viel sich die Regierung von Kopps Wirksamkeit in seiner Diözese und wohl auch
in den Ausgleichsverhandlungen mit Rom versprach.

Den auf ihn von beiden Seiten gesetzten Erwartungen hat der neue Bischof
bald genug entsprochen: er wurde offenbar ein Vermittler zwischen Rom und


Aardinal Ropps Bedeutung

sie waren ja alle durch ihre feindliche Stellung gegen Bismarck politisch ver¬
braucht. Eine Verständigung in der Frage der durch Urteilspruch des kirch¬
lichen Staatsgerichtshofes erledigten Bischofsstühle war auch nur im Zusammen¬
hang mit der Liquidierung des ganzen kirchlichen Streites zu ermöglichen. So
konnte es zu der seit Beginn des Kulturkampfes ersten Verständigung bei der
Neubesetzung eines Bistums nur dort kommen, wo es sich um einen durch
Todesfall verwaisten Sitz handelte. Dieser Fall war in Trier und Fulda.
Bei beiden Gelegenheiten zeigte die Regierung eine äußerst weitgehende Nach¬
giebigkeit, um die gewünschte Annäherung zu ermöglichen, und so wurden 1881
Korum in Trier und Georg Kopp in Fulda Bischöfe. Das Opfer, das die
preußische Negierung bei dem einen, dem Erzpriester Korum von Straßburg,
brachte, war groß, und ihre letzten Absichten dabei sind auch heute noch nicht
ganz klar; bei dem anderen aber, bei Kopp, ist es sicher, daß sie in ihm einen
Bischof zu finden hoffte, der zur Beruhigung des katholischen Volkes beitragen,
für den Frieden zwischen Staat und Kirche wirken werde und in diesem Sinne
auch die abgerissenen Beziehungen zwischen Staat und Kirche wieder anzu¬
knüpfen befähigt sei. Man möchte fast sagen, Regierung und Vatikan gaben
ihm mit dem Bischofsstab zugleich den Auftrag, an der beiderseitigen Versöhnung
zu arbeiten. Das sollte mit zu seinen Amtspflichten gehören, die ihm die Wahl auf¬
erlegte; als offizieller Friedensstifter erschien er unter den Streitern des Klerikalismus.

Er war damals schon eine Persönlichkeit und so etwas wie ein Programm;
darum verfiel man auf ihn. Er hatte schon damals gewußt, eigene Wege zu
wandeln und hatte schon in den Wirren des Kulturkampfes dem Staate gegen¬
über sich entgegenkommender gezeigt als die anderen — bei allem strengen
Festhalten an den kirchlichen Grundsätzen. Das mochte wahrlich nicht
leicht gewesen sein für den Domkapitular und Generalvikar des preußischen
Bistums Hildesheim, und auch er hatte es schließlich im Widerstand gegen
die Staatsgesetze auf hohe Geldstrafen ankommen lassen; aber im ganzen war
es ihm doch geglückt, zwischen den gefährlichen Klippen hindurchzusegeln. So
konnte er der Anerkennung beider Mächte gewiß sein — wenigstens dann, als
sie zueinander wollten; und das zeugt immerhin für die Feinheit seines politischen
Taktes, die sich selbst in dieser schwierigen Lage bewährt hatte. Das wird
es denn auch gewesen sein, was den Vatikan bewog, sich mit Umgehung des
wahlberechtigten Domkapitels, das in den Kulturkampfzeiten auf ein einziges
Mitglied zusammengeschmolzen war, direkt mit der Regierung über seine Er¬
nennung zu verständigen. Und daß diese ihrerseits den Erwählten von dem
durch die Maigesetze vorgeschriebenen Staatseid dispensierte, zeigt, wie
sehr gleich mit seiner Berufung der Abbau der Maigesetze einsetzt und wie
viel sich die Regierung von Kopps Wirksamkeit in seiner Diözese und wohl auch
in den Ausgleichsverhandlungen mit Rom versprach.

Den auf ihn von beiden Seiten gesetzten Erwartungen hat der neue Bischof
bald genug entsprochen: er wurde offenbar ein Vermittler zwischen Rom und


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[0275] Aardinal Ropps Bedeutung sie waren ja alle durch ihre feindliche Stellung gegen Bismarck politisch ver¬ braucht. Eine Verständigung in der Frage der durch Urteilspruch des kirch¬ lichen Staatsgerichtshofes erledigten Bischofsstühle war auch nur im Zusammen¬ hang mit der Liquidierung des ganzen kirchlichen Streites zu ermöglichen. So konnte es zu der seit Beginn des Kulturkampfes ersten Verständigung bei der Neubesetzung eines Bistums nur dort kommen, wo es sich um einen durch Todesfall verwaisten Sitz handelte. Dieser Fall war in Trier und Fulda. Bei beiden Gelegenheiten zeigte die Regierung eine äußerst weitgehende Nach¬ giebigkeit, um die gewünschte Annäherung zu ermöglichen, und so wurden 1881 Korum in Trier und Georg Kopp in Fulda Bischöfe. Das Opfer, das die preußische Negierung bei dem einen, dem Erzpriester Korum von Straßburg, brachte, war groß, und ihre letzten Absichten dabei sind auch heute noch nicht ganz klar; bei dem anderen aber, bei Kopp, ist es sicher, daß sie in ihm einen Bischof zu finden hoffte, der zur Beruhigung des katholischen Volkes beitragen, für den Frieden zwischen Staat und Kirche wirken werde und in diesem Sinne auch die abgerissenen Beziehungen zwischen Staat und Kirche wieder anzu¬ knüpfen befähigt sei. Man möchte fast sagen, Regierung und Vatikan gaben ihm mit dem Bischofsstab zugleich den Auftrag, an der beiderseitigen Versöhnung zu arbeiten. Das sollte mit zu seinen Amtspflichten gehören, die ihm die Wahl auf¬ erlegte; als offizieller Friedensstifter erschien er unter den Streitern des Klerikalismus. Er war damals schon eine Persönlichkeit und so etwas wie ein Programm; darum verfiel man auf ihn. Er hatte schon damals gewußt, eigene Wege zu wandeln und hatte schon in den Wirren des Kulturkampfes dem Staate gegen¬ über sich entgegenkommender gezeigt als die anderen — bei allem strengen Festhalten an den kirchlichen Grundsätzen. Das mochte wahrlich nicht leicht gewesen sein für den Domkapitular und Generalvikar des preußischen Bistums Hildesheim, und auch er hatte es schließlich im Widerstand gegen die Staatsgesetze auf hohe Geldstrafen ankommen lassen; aber im ganzen war es ihm doch geglückt, zwischen den gefährlichen Klippen hindurchzusegeln. So konnte er der Anerkennung beider Mächte gewiß sein — wenigstens dann, als sie zueinander wollten; und das zeugt immerhin für die Feinheit seines politischen Taktes, die sich selbst in dieser schwierigen Lage bewährt hatte. Das wird es denn auch gewesen sein, was den Vatikan bewog, sich mit Umgehung des wahlberechtigten Domkapitels, das in den Kulturkampfzeiten auf ein einziges Mitglied zusammengeschmolzen war, direkt mit der Regierung über seine Er¬ nennung zu verständigen. Und daß diese ihrerseits den Erwählten von dem durch die Maigesetze vorgeschriebenen Staatseid dispensierte, zeigt, wie sehr gleich mit seiner Berufung der Abbau der Maigesetze einsetzt und wie viel sich die Regierung von Kopps Wirksamkeit in seiner Diözese und wohl auch in den Ausgleichsverhandlungen mit Rom versprach. Den auf ihn von beiden Seiten gesetzten Erwartungen hat der neue Bischof bald genug entsprochen: er wurde offenbar ein Vermittler zwischen Rom und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/275>, abgerufen am 21.06.2024.