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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

und schön, aber mit der ruhigen Würde der Frau, die sich ihres Wertes bewußt
ist, und Sebastian abgeklärt und voll von Nächstenliebe.

So ganz genau hätte Josias sich sein Gefühl niemals erklären können,
aber er stapfte mit klirrenden Schritten auf den Wiltberg zu, schlug ihn auf die
Schulter und lachte vor Freude.

"Herr, seid Ihr es wirklich, und die Schlacht bei der Konzer Brücke hat
Euch nichts getan? Ich sah Euch wie tot liegen, nachdem Ihr Euch brav
geschlagen hattet, und ich habe Euch wahrhaftig betrauert!"

"Der Allmächtige hat mich behütet und die grauen Brüder flickten mich
wieder zusammen!" entgegnete Sebastian lächelnd. Wie er sich jetzt um¬
wandte, sah man, daß er schief ging und daß er mitunter nicht leicht atmete.

"Ihr rettetet mir damals das Leben, Herr!" fuhr Josias eifrig fort, "und
wenn ich Euch in diesen schrecklichen Zeiten mit etwas helfen kann, dann tue
ich es mit Freuden!"

"Hier hilft nur die Zeit und wenn es einmal Frieden werden möchte!"
entgegnete Sebastian und verbeugte sich vor dem Herzog, der auch auf ihn
zutrat, ihn erkannte und sehr viel Freundliches sagte. Weil er der Vornehmste
war, so ging er mit Herrn von Wiltberg voran, und Heilwig mit ihrem Mann
folgte ihm. Sie waren schweigsam geworden. Ernsthaft sah die Frau von
Sehestedt auf die kleinen in Schutt und Asche liegenden Gassen, und ihre Ge¬
danken gingen rückwärts. Damals kam die Liebe wie ein Blitzstrahl über sie,
sie hatte ihr entsagen müssen, und neben ihr schritt Josias, der ihr immer treu
geblieben war, der jetzt geduldig ihre Kälte trug, ihre Einsilbigkeit, ihre Launen.
Er war anders als der, den sie damals so liebte, aber der hatte sie lange ver¬
gessen über der Arbeit an der heiligen Gmoveva! Eifrig redete er auf den
Herzog ein, berichtete vom Krieg, vom Elend der Einwohner. Hatte er jemals
wieder ihrer gedacht?

Sebastian von Wiltberg wandte sich um und zeigte auf ein winziges
Häuschen, das sich duckte unter einem größeren und an dem kein Rauch, noch
andere Verwüstung zu sehen war.

"Es ist bewahrt geblieben!" sagte er und klopfte an die Tür, die gleich
aufging. Eine ältere Frau stand in der Öffnung, mit demselben angstvollen
Ausdruck, wie er damals allen vom Krieg Bedrängten eigen war. Dann sah
sie Heilwig. und schlug die Hände zusammen.

"Das Fräulein aus dem Turm!"

"Ein Fräulein bin ich lange nicht mehr, aber ich kenne dich auch wieder,
Kätha!" rief Heilwig, ihr die Hand reichend.

"Ja ich bin es, edle Frau, und wenn ich es auch gut bei der edlen Frau
von Brewer gehabt habe, so wollte ich doch lieber wieder nach Manen und zu
meinem Junker! Besonders, wo all das Schlimme kam!"

Kätha wischte sich die Augen, und als die zwei fremden Herren mit Sebastian in
sein kleines Wohngemach traten, schob sie Heilwig in die kleine erbärmliche Küche.


Die Hexe von Mayen

und schön, aber mit der ruhigen Würde der Frau, die sich ihres Wertes bewußt
ist, und Sebastian abgeklärt und voll von Nächstenliebe.

So ganz genau hätte Josias sich sein Gefühl niemals erklären können,
aber er stapfte mit klirrenden Schritten auf den Wiltberg zu, schlug ihn auf die
Schulter und lachte vor Freude.

„Herr, seid Ihr es wirklich, und die Schlacht bei der Konzer Brücke hat
Euch nichts getan? Ich sah Euch wie tot liegen, nachdem Ihr Euch brav
geschlagen hattet, und ich habe Euch wahrhaftig betrauert!"

„Der Allmächtige hat mich behütet und die grauen Brüder flickten mich
wieder zusammen!" entgegnete Sebastian lächelnd. Wie er sich jetzt um¬
wandte, sah man, daß er schief ging und daß er mitunter nicht leicht atmete.

„Ihr rettetet mir damals das Leben, Herr!" fuhr Josias eifrig fort, „und
wenn ich Euch in diesen schrecklichen Zeiten mit etwas helfen kann, dann tue
ich es mit Freuden!"

„Hier hilft nur die Zeit und wenn es einmal Frieden werden möchte!"
entgegnete Sebastian und verbeugte sich vor dem Herzog, der auch auf ihn
zutrat, ihn erkannte und sehr viel Freundliches sagte. Weil er der Vornehmste
war, so ging er mit Herrn von Wiltberg voran, und Heilwig mit ihrem Mann
folgte ihm. Sie waren schweigsam geworden. Ernsthaft sah die Frau von
Sehestedt auf die kleinen in Schutt und Asche liegenden Gassen, und ihre Ge¬
danken gingen rückwärts. Damals kam die Liebe wie ein Blitzstrahl über sie,
sie hatte ihr entsagen müssen, und neben ihr schritt Josias, der ihr immer treu
geblieben war, der jetzt geduldig ihre Kälte trug, ihre Einsilbigkeit, ihre Launen.
Er war anders als der, den sie damals so liebte, aber der hatte sie lange ver¬
gessen über der Arbeit an der heiligen Gmoveva! Eifrig redete er auf den
Herzog ein, berichtete vom Krieg, vom Elend der Einwohner. Hatte er jemals
wieder ihrer gedacht?

Sebastian von Wiltberg wandte sich um und zeigte auf ein winziges
Häuschen, das sich duckte unter einem größeren und an dem kein Rauch, noch
andere Verwüstung zu sehen war.

„Es ist bewahrt geblieben!" sagte er und klopfte an die Tür, die gleich
aufging. Eine ältere Frau stand in der Öffnung, mit demselben angstvollen
Ausdruck, wie er damals allen vom Krieg Bedrängten eigen war. Dann sah
sie Heilwig. und schlug die Hände zusammen.

„Das Fräulein aus dem Turm!"

„Ein Fräulein bin ich lange nicht mehr, aber ich kenne dich auch wieder,
Kätha!" rief Heilwig, ihr die Hand reichend.

„Ja ich bin es, edle Frau, und wenn ich es auch gut bei der edlen Frau
von Brewer gehabt habe, so wollte ich doch lieber wieder nach Manen und zu
meinem Junker! Besonders, wo all das Schlimme kam!"

Kätha wischte sich die Augen, und als die zwei fremden Herren mit Sebastian in
sein kleines Wohngemach traten, schob sie Heilwig in die kleine erbärmliche Küche.


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[0242] Die Hexe von Mayen und schön, aber mit der ruhigen Würde der Frau, die sich ihres Wertes bewußt ist, und Sebastian abgeklärt und voll von Nächstenliebe. So ganz genau hätte Josias sich sein Gefühl niemals erklären können, aber er stapfte mit klirrenden Schritten auf den Wiltberg zu, schlug ihn auf die Schulter und lachte vor Freude. „Herr, seid Ihr es wirklich, und die Schlacht bei der Konzer Brücke hat Euch nichts getan? Ich sah Euch wie tot liegen, nachdem Ihr Euch brav geschlagen hattet, und ich habe Euch wahrhaftig betrauert!" „Der Allmächtige hat mich behütet und die grauen Brüder flickten mich wieder zusammen!" entgegnete Sebastian lächelnd. Wie er sich jetzt um¬ wandte, sah man, daß er schief ging und daß er mitunter nicht leicht atmete. „Ihr rettetet mir damals das Leben, Herr!" fuhr Josias eifrig fort, „und wenn ich Euch in diesen schrecklichen Zeiten mit etwas helfen kann, dann tue ich es mit Freuden!" „Hier hilft nur die Zeit und wenn es einmal Frieden werden möchte!" entgegnete Sebastian und verbeugte sich vor dem Herzog, der auch auf ihn zutrat, ihn erkannte und sehr viel Freundliches sagte. Weil er der Vornehmste war, so ging er mit Herrn von Wiltberg voran, und Heilwig mit ihrem Mann folgte ihm. Sie waren schweigsam geworden. Ernsthaft sah die Frau von Sehestedt auf die kleinen in Schutt und Asche liegenden Gassen, und ihre Ge¬ danken gingen rückwärts. Damals kam die Liebe wie ein Blitzstrahl über sie, sie hatte ihr entsagen müssen, und neben ihr schritt Josias, der ihr immer treu geblieben war, der jetzt geduldig ihre Kälte trug, ihre Einsilbigkeit, ihre Launen. Er war anders als der, den sie damals so liebte, aber der hatte sie lange ver¬ gessen über der Arbeit an der heiligen Gmoveva! Eifrig redete er auf den Herzog ein, berichtete vom Krieg, vom Elend der Einwohner. Hatte er jemals wieder ihrer gedacht? Sebastian von Wiltberg wandte sich um und zeigte auf ein winziges Häuschen, das sich duckte unter einem größeren und an dem kein Rauch, noch andere Verwüstung zu sehen war. „Es ist bewahrt geblieben!" sagte er und klopfte an die Tür, die gleich aufging. Eine ältere Frau stand in der Öffnung, mit demselben angstvollen Ausdruck, wie er damals allen vom Krieg Bedrängten eigen war. Dann sah sie Heilwig. und schlug die Hände zusammen. „Das Fräulein aus dem Turm!" „Ein Fräulein bin ich lange nicht mehr, aber ich kenne dich auch wieder, Kätha!" rief Heilwig, ihr die Hand reichend. „Ja ich bin es, edle Frau, und wenn ich es auch gut bei der edlen Frau von Brewer gehabt habe, so wollte ich doch lieber wieder nach Manen und zu meinem Junker! Besonders, wo all das Schlimme kam!" Kätha wischte sich die Augen, und als die zwei fremden Herren mit Sebastian in sein kleines Wohngemach traten, schob sie Heilwig in die kleine erbärmliche Küche.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/242>, abgerufen am 25.07.2024.