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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

"Die edle Frau hat sich wenig verändert!" sagte Bruder Basilio und sah sie
freundlich an. "Ah, es muß gut wohnen sein in dem Nordenland. Da
bleiben die Haare golden und die Runzeln stellen sich nicht ein!"

Vor der Kirche war eine große Holzhütte errichtet. Hier speisten die Mönche,
da ihr Refektorium in Trümmern lag, und hier boten sie den Reisenden eine
einfache Erfrischung, die gern angenommen wurde. Hier war es, wo Heilwig
zu ihrem Mann ging und ihn um etliche Gulden bat, die sie dem Prior für
seine Kirche schenken wollte. Der Evangelische entsprach wortlos dem Wunsch
seiner Gattin.

"Es sind zwar Papisten!" sagteer nachher halb entschuldigend zum Herzog,
der aber lächelte nur.

"Da wir uns evangelisch nennen, so wollen wir auch evangelisch handeln,
lieber Herr!"

Lange blieb die kleine Gesellschaft nicht in Laach; was sollte sie da? Ein
wenig hatten sie geholfen und ein wenig Trost gebracht; es war besser, die
Mönche ihrer Arbeit zu überlassen. Wortlos ritten die Herren und sahen sich
auch nicht um, nur Frau Heilwig hielt noch einmal ihr Pferd an und blickte
zurück auf den blauen See, auf die Ruine von'Laach, auf den einst so stolzen
Wald. Der war verwüstet und verbrannt, aber, wie das Kloster wieder auf¬
erstehen würde, so würde der Wald wieder wachsen. Denn die Natur war
gnädig, wenn der Mensch zu arbeiten verstand. Und der Mensch mußte.nicht
allein innerlich, sondern auch äußerlich an sich arbeiten.

In Niedermendig waren viele Häuser zerstört und wer von den Einwohnern
hier war, der sah feindselig auf die Vornehmen, die hoch zu Roß kamen und
nicht verhungert oder zerlumpt waren.

Aber der Hof der Frau von Bremer war mit derselben hohen Mauer um¬
geben, wie einstmals, und auf der Mauer saß ein großer weißer Kater und
betrachtete die Ankömmlinge.

Josias klopfte an die schwere Eisentür und ans einem Guckfenster schob
sich ein alter grauhaariger Kopf.

"Hier wird nimmer offen gemacht! Zu essen gibt es nix und kaput zu
schlagen auch nix mehr!"

Es half nichts, daß Josias versicherte, daß der Feind nicht mehr in der
Nähe wäre und daß die Fremden der edlen Frau von Bremer eine kurze Auf¬
wartung machen wollten; die Tür ging nicht auf, der Kater schnurrte gleich¬
mütig von oben hinab und die alte Stimme zeterte einige Verwünschungen.

"Die alte Grill läßt keinen herein, wenn die Frau nit daheim ist," sagte
ein Bauer, der aus einer Hütte auftauchte. "Quer im Kopf ist sie, und eine
Hexe obendrein. Aber sie ist ein guter Kettenhund!"

Es blieb den Reitern nichts anderes übrig, als ihre Pferde gen Manen
zu lenken, das gar bald vor ihnen lag. Der schiefe Kirchturm stand noch und
die vier Türme der Stadtmauer. Aber der alte Gefangenentnrm war bis auf


Die Hexe von Mayen

„Die edle Frau hat sich wenig verändert!" sagte Bruder Basilio und sah sie
freundlich an. „Ah, es muß gut wohnen sein in dem Nordenland. Da
bleiben die Haare golden und die Runzeln stellen sich nicht ein!"

Vor der Kirche war eine große Holzhütte errichtet. Hier speisten die Mönche,
da ihr Refektorium in Trümmern lag, und hier boten sie den Reisenden eine
einfache Erfrischung, die gern angenommen wurde. Hier war es, wo Heilwig
zu ihrem Mann ging und ihn um etliche Gulden bat, die sie dem Prior für
seine Kirche schenken wollte. Der Evangelische entsprach wortlos dem Wunsch
seiner Gattin.

„Es sind zwar Papisten!" sagteer nachher halb entschuldigend zum Herzog,
der aber lächelte nur.

„Da wir uns evangelisch nennen, so wollen wir auch evangelisch handeln,
lieber Herr!"

Lange blieb die kleine Gesellschaft nicht in Laach; was sollte sie da? Ein
wenig hatten sie geholfen und ein wenig Trost gebracht; es war besser, die
Mönche ihrer Arbeit zu überlassen. Wortlos ritten die Herren und sahen sich
auch nicht um, nur Frau Heilwig hielt noch einmal ihr Pferd an und blickte
zurück auf den blauen See, auf die Ruine von'Laach, auf den einst so stolzen
Wald. Der war verwüstet und verbrannt, aber, wie das Kloster wieder auf¬
erstehen würde, so würde der Wald wieder wachsen. Denn die Natur war
gnädig, wenn der Mensch zu arbeiten verstand. Und der Mensch mußte.nicht
allein innerlich, sondern auch äußerlich an sich arbeiten.

In Niedermendig waren viele Häuser zerstört und wer von den Einwohnern
hier war, der sah feindselig auf die Vornehmen, die hoch zu Roß kamen und
nicht verhungert oder zerlumpt waren.

Aber der Hof der Frau von Bremer war mit derselben hohen Mauer um¬
geben, wie einstmals, und auf der Mauer saß ein großer weißer Kater und
betrachtete die Ankömmlinge.

Josias klopfte an die schwere Eisentür und ans einem Guckfenster schob
sich ein alter grauhaariger Kopf.

„Hier wird nimmer offen gemacht! Zu essen gibt es nix und kaput zu
schlagen auch nix mehr!"

Es half nichts, daß Josias versicherte, daß der Feind nicht mehr in der
Nähe wäre und daß die Fremden der edlen Frau von Bremer eine kurze Auf¬
wartung machen wollten; die Tür ging nicht auf, der Kater schnurrte gleich¬
mütig von oben hinab und die alte Stimme zeterte einige Verwünschungen.

„Die alte Grill läßt keinen herein, wenn die Frau nit daheim ist," sagte
ein Bauer, der aus einer Hütte auftauchte. „Quer im Kopf ist sie, und eine
Hexe obendrein. Aber sie ist ein guter Kettenhund!"

Es blieb den Reitern nichts anderes übrig, als ihre Pferde gen Manen
zu lenken, das gar bald vor ihnen lag. Der schiefe Kirchturm stand noch und
die vier Türme der Stadtmauer. Aber der alte Gefangenentnrm war bis auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/240>, abgerufen am 25.07.2024.