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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Bismarck und Prokesch - Gstcn

Hiermit ist gleichsam programmatisch festgelegt, was dann in der Folge
auch geschehen ist, daß jede Unfreundlichkeit, jede Inkorrektheit von österreichischer
Seite grundsätzlich aufgebauscht und stark aufgetragen werden müsse.

Wenn also Bismarck hier Prokesch als Schwarzenberger. als "in den
Streitigkeiten mit Preußen vorzugsweise kundigen und routinierten Vertreter"
beanstandet, so ist er wenigstens keinen Augenblick darüber in Zweifel gewesen,
daß er selbst der österreichischen Negierung gegenüber im gleichen Lichte dastehe.
So schreibt er (Poschinger IV. 235), als es einmal in Frage kam, daß er als
Gesandter nach Wien ginge: "In Wien, fürchte ich, würde man die Mittel
und die Neigung haben, mich für meine hiesigen Sünden gegen Österreich zu
strafen."

Schärfstgespannte politische, und dazu, wie wir noch sehen werden, unaus-
gleichbare menschliche Gegensätze: das waren also die Vorbedingungen des Zu¬
sammenwirkens dieser beiden Männer am Bundestage. Dazu -- als einzigstes
vielleicht, neben dem hingebendsten Patriotismus beiderseits, ihnen Gemeinsame
-- ein leidenschaftliches Temperament, das von Prokesch nie verleugnet, aber
auch von Bismarck ehrlich zugegeben wird (An den Minister von Manteuffel,
bei Poschinger II. 180): "daß mir, besonders außer Dienst, nicht selten mehr
Ruhe und Zurückhaltung zu wünschen wäre, sieht niemand deutlicher als ich
selbst." So konnte es kaum anders kommen, als es kam, nämlich daß das
vom ersten Augenblicke an unmögliche Verhältnis mit der Zeit, trotz Prokeschs
immer erneuter Versuche es zu bessern, nur immer schlechter wurde. Das Unglück
wollte es, daß gegen Schluß Bismarck gar um Prokeschs willen noch einen amt¬
lichen Verweis bekam (unverschuldet, wenn wir ihm glauben dürfen, das Nähere
bei Gerlach S. 209 ff.) und so auch noch das Moment verletzter Ehre und
persönlicher Rachsucht hinzukam, um das Maß überlaufen zu machen und in den
eisigen Abschiedsworten, welche Bismarck dem scheidenden Bundestagspräsidenten
zu widmen amtlich gezwungen war, und welche mit seinen Begrüßungsworten,
die er sich im Februar 1853 abgerungen hatte, immer noch grell genug kon¬
trastieren, diesem ganzen Stück Frankfurt ein Ende schlecht, alles schlecht zu
bereiten, das seines Gleichen suchen dürfte.

Nach diesem allen wird man das, was diese drei Jahre einschließen an
Gehässigkeiten, an Verkennungen, an Verunglimpfungen, mindestens begreifen.
Kein Schritt Prokeschs. der nicht belauert, kein Akt. der nicht verdächtigt, kein
Vorzug, der nicht verkleinert wird, bis schließlich buchstäblich an ihm kein gutes
Haar bleibt, indem selbst die offenbaren Züge vollster Harmlosigkeit allermin¬
destens parodiert werden. Zuzeiten gemahnen die Anschwärzungen Bismarcks
fast ans Burleske, und eine seiner letzten Äußerungen vor Prokeschs scheiden
(bei Poschinger IV. 239): "Prokesch spielt die Rolle des Bösewichts in dem
langweiligen Bundesroman bis ans Ende" wirkt wenigstens auf den, der vom
wahren Wesen dieses Mannes einen nicht ganz oberflächlichen Begriff hat. als
unfreiwillige Selbstironisierung, wie er sie nicht besser hätte geben können.


Bismarck und Prokesch - Gstcn

Hiermit ist gleichsam programmatisch festgelegt, was dann in der Folge
auch geschehen ist, daß jede Unfreundlichkeit, jede Inkorrektheit von österreichischer
Seite grundsätzlich aufgebauscht und stark aufgetragen werden müsse.

Wenn also Bismarck hier Prokesch als Schwarzenberger. als „in den
Streitigkeiten mit Preußen vorzugsweise kundigen und routinierten Vertreter"
beanstandet, so ist er wenigstens keinen Augenblick darüber in Zweifel gewesen,
daß er selbst der österreichischen Negierung gegenüber im gleichen Lichte dastehe.
So schreibt er (Poschinger IV. 235), als es einmal in Frage kam, daß er als
Gesandter nach Wien ginge: „In Wien, fürchte ich, würde man die Mittel
und die Neigung haben, mich für meine hiesigen Sünden gegen Österreich zu
strafen."

Schärfstgespannte politische, und dazu, wie wir noch sehen werden, unaus-
gleichbare menschliche Gegensätze: das waren also die Vorbedingungen des Zu¬
sammenwirkens dieser beiden Männer am Bundestage. Dazu — als einzigstes
vielleicht, neben dem hingebendsten Patriotismus beiderseits, ihnen Gemeinsame
— ein leidenschaftliches Temperament, das von Prokesch nie verleugnet, aber
auch von Bismarck ehrlich zugegeben wird (An den Minister von Manteuffel,
bei Poschinger II. 180): „daß mir, besonders außer Dienst, nicht selten mehr
Ruhe und Zurückhaltung zu wünschen wäre, sieht niemand deutlicher als ich
selbst." So konnte es kaum anders kommen, als es kam, nämlich daß das
vom ersten Augenblicke an unmögliche Verhältnis mit der Zeit, trotz Prokeschs
immer erneuter Versuche es zu bessern, nur immer schlechter wurde. Das Unglück
wollte es, daß gegen Schluß Bismarck gar um Prokeschs willen noch einen amt¬
lichen Verweis bekam (unverschuldet, wenn wir ihm glauben dürfen, das Nähere
bei Gerlach S. 209 ff.) und so auch noch das Moment verletzter Ehre und
persönlicher Rachsucht hinzukam, um das Maß überlaufen zu machen und in den
eisigen Abschiedsworten, welche Bismarck dem scheidenden Bundestagspräsidenten
zu widmen amtlich gezwungen war, und welche mit seinen Begrüßungsworten,
die er sich im Februar 1853 abgerungen hatte, immer noch grell genug kon¬
trastieren, diesem ganzen Stück Frankfurt ein Ende schlecht, alles schlecht zu
bereiten, das seines Gleichen suchen dürfte.

Nach diesem allen wird man das, was diese drei Jahre einschließen an
Gehässigkeiten, an Verkennungen, an Verunglimpfungen, mindestens begreifen.
Kein Schritt Prokeschs. der nicht belauert, kein Akt. der nicht verdächtigt, kein
Vorzug, der nicht verkleinert wird, bis schließlich buchstäblich an ihm kein gutes
Haar bleibt, indem selbst die offenbaren Züge vollster Harmlosigkeit allermin¬
destens parodiert werden. Zuzeiten gemahnen die Anschwärzungen Bismarcks
fast ans Burleske, und eine seiner letzten Äußerungen vor Prokeschs scheiden
(bei Poschinger IV. 239): „Prokesch spielt die Rolle des Bösewichts in dem
langweiligen Bundesroman bis ans Ende" wirkt wenigstens auf den, der vom
wahren Wesen dieses Mannes einen nicht ganz oberflächlichen Begriff hat. als
unfreiwillige Selbstironisierung, wie er sie nicht besser hätte geben können.


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[0023] Bismarck und Prokesch - Gstcn Hiermit ist gleichsam programmatisch festgelegt, was dann in der Folge auch geschehen ist, daß jede Unfreundlichkeit, jede Inkorrektheit von österreichischer Seite grundsätzlich aufgebauscht und stark aufgetragen werden müsse. Wenn also Bismarck hier Prokesch als Schwarzenberger. als „in den Streitigkeiten mit Preußen vorzugsweise kundigen und routinierten Vertreter" beanstandet, so ist er wenigstens keinen Augenblick darüber in Zweifel gewesen, daß er selbst der österreichischen Negierung gegenüber im gleichen Lichte dastehe. So schreibt er (Poschinger IV. 235), als es einmal in Frage kam, daß er als Gesandter nach Wien ginge: „In Wien, fürchte ich, würde man die Mittel und die Neigung haben, mich für meine hiesigen Sünden gegen Österreich zu strafen." Schärfstgespannte politische, und dazu, wie wir noch sehen werden, unaus- gleichbare menschliche Gegensätze: das waren also die Vorbedingungen des Zu¬ sammenwirkens dieser beiden Männer am Bundestage. Dazu — als einzigstes vielleicht, neben dem hingebendsten Patriotismus beiderseits, ihnen Gemeinsame — ein leidenschaftliches Temperament, das von Prokesch nie verleugnet, aber auch von Bismarck ehrlich zugegeben wird (An den Minister von Manteuffel, bei Poschinger II. 180): „daß mir, besonders außer Dienst, nicht selten mehr Ruhe und Zurückhaltung zu wünschen wäre, sieht niemand deutlicher als ich selbst." So konnte es kaum anders kommen, als es kam, nämlich daß das vom ersten Augenblicke an unmögliche Verhältnis mit der Zeit, trotz Prokeschs immer erneuter Versuche es zu bessern, nur immer schlechter wurde. Das Unglück wollte es, daß gegen Schluß Bismarck gar um Prokeschs willen noch einen amt¬ lichen Verweis bekam (unverschuldet, wenn wir ihm glauben dürfen, das Nähere bei Gerlach S. 209 ff.) und so auch noch das Moment verletzter Ehre und persönlicher Rachsucht hinzukam, um das Maß überlaufen zu machen und in den eisigen Abschiedsworten, welche Bismarck dem scheidenden Bundestagspräsidenten zu widmen amtlich gezwungen war, und welche mit seinen Begrüßungsworten, die er sich im Februar 1853 abgerungen hatte, immer noch grell genug kon¬ trastieren, diesem ganzen Stück Frankfurt ein Ende schlecht, alles schlecht zu bereiten, das seines Gleichen suchen dürfte. Nach diesem allen wird man das, was diese drei Jahre einschließen an Gehässigkeiten, an Verkennungen, an Verunglimpfungen, mindestens begreifen. Kein Schritt Prokeschs. der nicht belauert, kein Akt. der nicht verdächtigt, kein Vorzug, der nicht verkleinert wird, bis schließlich buchstäblich an ihm kein gutes Haar bleibt, indem selbst die offenbaren Züge vollster Harmlosigkeit allermin¬ destens parodiert werden. Zuzeiten gemahnen die Anschwärzungen Bismarcks fast ans Burleske, und eine seiner letzten Äußerungen vor Prokeschs scheiden (bei Poschinger IV. 239): „Prokesch spielt die Rolle des Bösewichts in dem langweiligen Bundesroman bis ans Ende" wirkt wenigstens auf den, der vom wahren Wesen dieses Mannes einen nicht ganz oberflächlichen Begriff hat. als unfreiwillige Selbstironisierung, wie er sie nicht besser hätte geben können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/23>, abgerufen am 24.07.2024.