Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
ZZismcn'et n"d Prokesch-Gstcn

gewirkt. Er war es, der 1850 den Ausbruch des Krieges verhinderte, er auch,
der nach Olmütz für die ersten Wiederannäherungen an Preußen die ersten
wirksamen, freilich dann von beiden Seiten stark modifizierten Formeln fand.
(Vgl. hierzu M. Lenz, Geschichte Bismarcks 2. Aufl. S. 60.)

Daß Prokesch gleichwohl in Berlin, nach seinen eigenen Worten, damals
(namentlich aber in der ersten Zeit, wo er Preußen seine stolzesten Hoffnungen
kreuzte) die bestgehaßte Persönlichkeit war, lag zu sehr in der Natur der Sache.
Für Bismarck kann aber das Reinpolitische, trotz der Leidenschaftlichkeit des
Auftretens, die Prokesch sür Berlin nachgesagt wurde und ihn in allen spezifisch
preußischen Kreisen einer sehr ungünstigen Beurteilung aussetzte, uicht aus¬
gereicht haben. Wenn wir sehen, wie er jenem gegenüber schon vor seinem
Eintreffen in Frankfurt das verkörperte Übelwollen war, wie er (Poschinger IV. 71)
beim ersten Auftauchen der Nachricht von Proleschs Berufung den Minister von
Manteuffel bittet, ihn vor jenem zu bewahren, daun aber, nachdem diese Be¬
rufung dennoch zur Tatsache geworden, sich nicht scheut, mit Ausdrücken wie
"anrüchiger Charakter", "geistig und körperlich übel berüchtigte Person" (!) und
ähnlichen um sich zu werfen, ja bald darauf das Wort des alten Fritz von
den Kosaken: "Mit solchen ----muß man sich hier herumschlagen" (An
Gerlach S. 43, 50; Hans Blum, "Bismarck" Bd. I S. 415) auf den neuen
Gegner anzuwenden, fo erhellt wohl zweifelsfrei, daß hier von Hause aus ein
mehr noch menschlicher als politischer Gegensatz, daß hier die Kluft eines
Antipodentums geklafft haben muß, die vielleicht überhaupt durch nichts je zu
überbrücken gewesen wäre, die jedenfalls Bismarck zu überbrücken sich nie die
geringste Mühe gegeben hat.

Wir werden später versuchen, diese unausgleichbare Gegensätzlichkeit wenigstens
nach einigen Seiten psychologisch zu erhellen. Hier kann es uns nur darauf
ankommen, daß es Bismarck gar nicht darum zu tun gewesen ist, sie abzu¬
schwächen, und vor allem, daß er es als im Interesse Preußens liegend gehalten
hat, die politischen Gegensätze, welche gerade Prokesch verkörperte, nach Mög¬
lichkeit auszubilden und auszunutzen. Die Hauptbelegstelle findet sich bei
Poschinger IV. 134 (13. Januar 1853): "Ich halte es für politisch richtig,
wenn von unserer Seite ein starkes Verletztsein über diesen Schritt der kaiser¬
lichen Negierung (die Berufung Proleschs) zur Schau getragen und jeder Anschein
vermieden wird, als könne von uns gesagt werden: volenti non fit injurm.
Mir scheint in diesem Falle der Grundsatz anwendbar, nach welchem jemand,
der auf den Fuß getreten wird, wohl tut. seine Verletzung zu übertreiben und
laut zu klagen, damit man künftig behutsamer verfährt. Wir dürfen erwarten,
daß uns in den Augen unserer Verbündeten die Ernennung von Prokesch als
etwas angerechnet werde, was Österreich uns gegenüber wieder gut zu machen
habe, und daß man bei etwaigen Streitigkeiten mit Österreich von Hause aus
geneigt sein werde, die Schuld der unrichtigen Wahl des Präsidialgesandten
beizumessen."


ZZismcn'et n»d Prokesch-Gstcn

gewirkt. Er war es, der 1850 den Ausbruch des Krieges verhinderte, er auch,
der nach Olmütz für die ersten Wiederannäherungen an Preußen die ersten
wirksamen, freilich dann von beiden Seiten stark modifizierten Formeln fand.
(Vgl. hierzu M. Lenz, Geschichte Bismarcks 2. Aufl. S. 60.)

Daß Prokesch gleichwohl in Berlin, nach seinen eigenen Worten, damals
(namentlich aber in der ersten Zeit, wo er Preußen seine stolzesten Hoffnungen
kreuzte) die bestgehaßte Persönlichkeit war, lag zu sehr in der Natur der Sache.
Für Bismarck kann aber das Reinpolitische, trotz der Leidenschaftlichkeit des
Auftretens, die Prokesch sür Berlin nachgesagt wurde und ihn in allen spezifisch
preußischen Kreisen einer sehr ungünstigen Beurteilung aussetzte, uicht aus¬
gereicht haben. Wenn wir sehen, wie er jenem gegenüber schon vor seinem
Eintreffen in Frankfurt das verkörperte Übelwollen war, wie er (Poschinger IV. 71)
beim ersten Auftauchen der Nachricht von Proleschs Berufung den Minister von
Manteuffel bittet, ihn vor jenem zu bewahren, daun aber, nachdem diese Be¬
rufung dennoch zur Tatsache geworden, sich nicht scheut, mit Ausdrücken wie
„anrüchiger Charakter", „geistig und körperlich übel berüchtigte Person" (!) und
ähnlichen um sich zu werfen, ja bald darauf das Wort des alten Fritz von
den Kosaken: „Mit solchen —--muß man sich hier herumschlagen" (An
Gerlach S. 43, 50; Hans Blum, „Bismarck" Bd. I S. 415) auf den neuen
Gegner anzuwenden, fo erhellt wohl zweifelsfrei, daß hier von Hause aus ein
mehr noch menschlicher als politischer Gegensatz, daß hier die Kluft eines
Antipodentums geklafft haben muß, die vielleicht überhaupt durch nichts je zu
überbrücken gewesen wäre, die jedenfalls Bismarck zu überbrücken sich nie die
geringste Mühe gegeben hat.

Wir werden später versuchen, diese unausgleichbare Gegensätzlichkeit wenigstens
nach einigen Seiten psychologisch zu erhellen. Hier kann es uns nur darauf
ankommen, daß es Bismarck gar nicht darum zu tun gewesen ist, sie abzu¬
schwächen, und vor allem, daß er es als im Interesse Preußens liegend gehalten
hat, die politischen Gegensätze, welche gerade Prokesch verkörperte, nach Mög¬
lichkeit auszubilden und auszunutzen. Die Hauptbelegstelle findet sich bei
Poschinger IV. 134 (13. Januar 1853): „Ich halte es für politisch richtig,
wenn von unserer Seite ein starkes Verletztsein über diesen Schritt der kaiser¬
lichen Negierung (die Berufung Proleschs) zur Schau getragen und jeder Anschein
vermieden wird, als könne von uns gesagt werden: volenti non fit injurm.
Mir scheint in diesem Falle der Grundsatz anwendbar, nach welchem jemand,
der auf den Fuß getreten wird, wohl tut. seine Verletzung zu übertreiben und
laut zu klagen, damit man künftig behutsamer verfährt. Wir dürfen erwarten,
daß uns in den Augen unserer Verbündeten die Ernennung von Prokesch als
etwas angerechnet werde, was Österreich uns gegenüber wieder gut zu machen
habe, und daß man bei etwaigen Streitigkeiten mit Österreich von Hause aus
geneigt sein werde, die Schuld der unrichtigen Wahl des Präsidialgesandten
beizumessen."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328122"/>
            <fw type="header" place="top"> ZZismcn'et n»d Prokesch-Gstcn</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_32" prev="#ID_31"> gewirkt. Er war es, der 1850 den Ausbruch des Krieges verhinderte, er auch,<lb/>
der nach Olmütz für die ersten Wiederannäherungen an Preußen die ersten<lb/>
wirksamen, freilich dann von beiden Seiten stark modifizierten Formeln fand.<lb/>
(Vgl. hierzu M. Lenz, Geschichte Bismarcks 2. Aufl. S. 60.)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_33"> Daß Prokesch gleichwohl in Berlin, nach seinen eigenen Worten, damals<lb/>
(namentlich aber in der ersten Zeit, wo er Preußen seine stolzesten Hoffnungen<lb/>
kreuzte) die bestgehaßte Persönlichkeit war, lag zu sehr in der Natur der Sache.<lb/>
Für Bismarck kann aber das Reinpolitische, trotz der Leidenschaftlichkeit des<lb/>
Auftretens, die Prokesch sür Berlin nachgesagt wurde und ihn in allen spezifisch<lb/>
preußischen Kreisen einer sehr ungünstigen Beurteilung aussetzte, uicht aus¬<lb/>
gereicht haben. Wenn wir sehen, wie er jenem gegenüber schon vor seinem<lb/>
Eintreffen in Frankfurt das verkörperte Übelwollen war, wie er (Poschinger IV. 71)<lb/>
beim ersten Auftauchen der Nachricht von Proleschs Berufung den Minister von<lb/>
Manteuffel bittet, ihn vor jenem zu bewahren, daun aber, nachdem diese Be¬<lb/>
rufung dennoch zur Tatsache geworden, sich nicht scheut, mit Ausdrücken wie<lb/>
&#x201E;anrüchiger Charakter", &#x201E;geistig und körperlich übel berüchtigte Person" (!) und<lb/>
ähnlichen um sich zu werfen, ja bald darauf das Wort des alten Fritz von<lb/>
den Kosaken: &#x201E;Mit solchen &#x2014;--muß man sich hier herumschlagen" (An<lb/>
Gerlach S. 43, 50; Hans Blum, &#x201E;Bismarck" Bd. I S. 415) auf den neuen<lb/>
Gegner anzuwenden, fo erhellt wohl zweifelsfrei, daß hier von Hause aus ein<lb/>
mehr noch menschlicher als politischer Gegensatz, daß hier die Kluft eines<lb/>
Antipodentums geklafft haben muß, die vielleicht überhaupt durch nichts je zu<lb/>
überbrücken gewesen wäre, die jedenfalls Bismarck zu überbrücken sich nie die<lb/>
geringste Mühe gegeben hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_34"> Wir werden später versuchen, diese unausgleichbare Gegensätzlichkeit wenigstens<lb/>
nach einigen Seiten psychologisch zu erhellen. Hier kann es uns nur darauf<lb/>
ankommen, daß es Bismarck gar nicht darum zu tun gewesen ist, sie abzu¬<lb/>
schwächen, und vor allem, daß er es als im Interesse Preußens liegend gehalten<lb/>
hat, die politischen Gegensätze, welche gerade Prokesch verkörperte, nach Mög¬<lb/>
lichkeit auszubilden und auszunutzen. Die Hauptbelegstelle findet sich bei<lb/>
Poschinger IV. 134 (13. Januar 1853): &#x201E;Ich halte es für politisch richtig,<lb/>
wenn von unserer Seite ein starkes Verletztsein über diesen Schritt der kaiser¬<lb/>
lichen Negierung (die Berufung Proleschs) zur Schau getragen und jeder Anschein<lb/>
vermieden wird, als könne von uns gesagt werden: volenti non fit injurm.<lb/>
Mir scheint in diesem Falle der Grundsatz anwendbar, nach welchem jemand,<lb/>
der auf den Fuß getreten wird, wohl tut. seine Verletzung zu übertreiben und<lb/>
laut zu klagen, damit man künftig behutsamer verfährt. Wir dürfen erwarten,<lb/>
daß uns in den Augen unserer Verbündeten die Ernennung von Prokesch als<lb/>
etwas angerechnet werde, was Österreich uns gegenüber wieder gut zu machen<lb/>
habe, und daß man bei etwaigen Streitigkeiten mit Österreich von Hause aus<lb/>
geneigt sein werde, die Schuld der unrichtigen Wahl des Präsidialgesandten<lb/>
beizumessen."</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] ZZismcn'et n»d Prokesch-Gstcn gewirkt. Er war es, der 1850 den Ausbruch des Krieges verhinderte, er auch, der nach Olmütz für die ersten Wiederannäherungen an Preußen die ersten wirksamen, freilich dann von beiden Seiten stark modifizierten Formeln fand. (Vgl. hierzu M. Lenz, Geschichte Bismarcks 2. Aufl. S. 60.) Daß Prokesch gleichwohl in Berlin, nach seinen eigenen Worten, damals (namentlich aber in der ersten Zeit, wo er Preußen seine stolzesten Hoffnungen kreuzte) die bestgehaßte Persönlichkeit war, lag zu sehr in der Natur der Sache. Für Bismarck kann aber das Reinpolitische, trotz der Leidenschaftlichkeit des Auftretens, die Prokesch sür Berlin nachgesagt wurde und ihn in allen spezifisch preußischen Kreisen einer sehr ungünstigen Beurteilung aussetzte, uicht aus¬ gereicht haben. Wenn wir sehen, wie er jenem gegenüber schon vor seinem Eintreffen in Frankfurt das verkörperte Übelwollen war, wie er (Poschinger IV. 71) beim ersten Auftauchen der Nachricht von Proleschs Berufung den Minister von Manteuffel bittet, ihn vor jenem zu bewahren, daun aber, nachdem diese Be¬ rufung dennoch zur Tatsache geworden, sich nicht scheut, mit Ausdrücken wie „anrüchiger Charakter", „geistig und körperlich übel berüchtigte Person" (!) und ähnlichen um sich zu werfen, ja bald darauf das Wort des alten Fritz von den Kosaken: „Mit solchen —--muß man sich hier herumschlagen" (An Gerlach S. 43, 50; Hans Blum, „Bismarck" Bd. I S. 415) auf den neuen Gegner anzuwenden, fo erhellt wohl zweifelsfrei, daß hier von Hause aus ein mehr noch menschlicher als politischer Gegensatz, daß hier die Kluft eines Antipodentums geklafft haben muß, die vielleicht überhaupt durch nichts je zu überbrücken gewesen wäre, die jedenfalls Bismarck zu überbrücken sich nie die geringste Mühe gegeben hat. Wir werden später versuchen, diese unausgleichbare Gegensätzlichkeit wenigstens nach einigen Seiten psychologisch zu erhellen. Hier kann es uns nur darauf ankommen, daß es Bismarck gar nicht darum zu tun gewesen ist, sie abzu¬ schwächen, und vor allem, daß er es als im Interesse Preußens liegend gehalten hat, die politischen Gegensätze, welche gerade Prokesch verkörperte, nach Mög¬ lichkeit auszubilden und auszunutzen. Die Hauptbelegstelle findet sich bei Poschinger IV. 134 (13. Januar 1853): „Ich halte es für politisch richtig, wenn von unserer Seite ein starkes Verletztsein über diesen Schritt der kaiser¬ lichen Negierung (die Berufung Proleschs) zur Schau getragen und jeder Anschein vermieden wird, als könne von uns gesagt werden: volenti non fit injurm. Mir scheint in diesem Falle der Grundsatz anwendbar, nach welchem jemand, der auf den Fuß getreten wird, wohl tut. seine Verletzung zu übertreiben und laut zu klagen, damit man künftig behutsamer verfährt. Wir dürfen erwarten, daß uns in den Augen unserer Verbündeten die Ernennung von Prokesch als etwas angerechnet werde, was Österreich uns gegenüber wieder gut zu machen habe, und daß man bei etwaigen Streitigkeiten mit Österreich von Hause aus geneigt sein werde, die Schuld der unrichtigen Wahl des Präsidialgesandten beizumessen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/22>, abgerufen am 27.06.2024.