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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayer

"Mein Lieber, die Frauenzimmer sind eben anders als wir. Sie wollen
ein wenig gut behandelt sein und man darf nicht jeden Tag auf die Jagd
reiten oder anderen Lustbarkeiten nachgehen. Man muß auch einmal daheim
sitzen, seine Junker erziehen und sich von den Sorgen der Wirtschaft berichten
lassen. Das tut dem Frauenzimmer gut; es hat doch mancherlei Mühe und
Leiden, von denen wir Männer nichts wissen."

Der Herzog sprach eindringlich und Josias hörte ernsthaft zu. In den
letzten Jahren war er allerdings sehr viel von Haus weggewesen; nicht allein
zur Jagd, sondern auch zu Versammlungen der Ritterschaft, zu Festen, wo die
Frauen nicht gewünscht wurden. Und um seine wilden Junker bekümmerte er
sich sehr selten. Er war so in Gedanken, daß er nicht hörte, wie der Herzog
an der Schelle zog und dem eintretenden Diener einen Befehl zurief. Und
dann stand plötzlich eine elende Gestalt im Zimmer. Ein Zerlumpter, Ver¬
hungerter, einer, der den rechten Fuß nachzog und dem Elend und Sünde aus
dem verwüsteten Gesicht sprachen.

"Du bist der Stadtschreiber von Manen?"

"Ich war es, gnädiger HerrI"

"Und nun bist du ein Mordbrenner geworden?"

"Was soll man machen? Die Welt ist wider mich, so bin ich auch wider
sie gewesen!"

"Ein übles Geschäft!" sagte der Herzog ernst und der Gefangene beugte
den Kopf, daß seine Ketten klirrten.

"Braucht mich nicht zu ernähren, Gnädiger! Ich bin, wie ich bin, und
ich werde dahinfahren in meinen Sünden! Laßt mich nicht allzulang auf den
Galgen warten!"

"Du hast nie eine Mutter gehabt, die dich ermahnte?"

Der Gefangene fuhr zusammen, dann lachte er wieder.

"Ich bin nicht für Rührung, edler HerrI Ich sage es noch einmal: die
Welt ist wider mich gewesen, da ist es besser zur Hölle zu fahrenl"

"Weshalb hast du damals deine Stadt verraten?"

"Weil ich Geld haben wollte, edler Herr! Ich wollte reich werden und
dann zu den Franzosen. Aber sie wollten mich nicht, sie bezahlten mich sogar
nicht und lachten mich aus. Sagten, ich sollte mich freuen, daß sie mich nicht
hängten. Wenn alle Menschen schlecht sind, warum soll ich es nicht sein?"

Der Herzog wandte sich an Josias.

"Herr von Sehestedt, wollt Ihr den Kerl noch etwas fragen?"

Josias schüttelte den Kopf, aber der Gefangene sah ihn mit seinen bösen
Augen an.

"Die Jungfrau von Sehestedt habe ich mal lieb gehabt. Die einzige in
meinem Leben, von der ich es sagen kann. Aber der Junker Wiltberg nahm
sie mir weg -- ich hätte ihn gern zu Tode hungern lassen!"


Die Hexe von Mayer

„Mein Lieber, die Frauenzimmer sind eben anders als wir. Sie wollen
ein wenig gut behandelt sein und man darf nicht jeden Tag auf die Jagd
reiten oder anderen Lustbarkeiten nachgehen. Man muß auch einmal daheim
sitzen, seine Junker erziehen und sich von den Sorgen der Wirtschaft berichten
lassen. Das tut dem Frauenzimmer gut; es hat doch mancherlei Mühe und
Leiden, von denen wir Männer nichts wissen."

Der Herzog sprach eindringlich und Josias hörte ernsthaft zu. In den
letzten Jahren war er allerdings sehr viel von Haus weggewesen; nicht allein
zur Jagd, sondern auch zu Versammlungen der Ritterschaft, zu Festen, wo die
Frauen nicht gewünscht wurden. Und um seine wilden Junker bekümmerte er
sich sehr selten. Er war so in Gedanken, daß er nicht hörte, wie der Herzog
an der Schelle zog und dem eintretenden Diener einen Befehl zurief. Und
dann stand plötzlich eine elende Gestalt im Zimmer. Ein Zerlumpter, Ver¬
hungerter, einer, der den rechten Fuß nachzog und dem Elend und Sünde aus
dem verwüsteten Gesicht sprachen.

„Du bist der Stadtschreiber von Manen?"

„Ich war es, gnädiger HerrI"

„Und nun bist du ein Mordbrenner geworden?"

„Was soll man machen? Die Welt ist wider mich, so bin ich auch wider
sie gewesen!"

„Ein übles Geschäft!" sagte der Herzog ernst und der Gefangene beugte
den Kopf, daß seine Ketten klirrten.

„Braucht mich nicht zu ernähren, Gnädiger! Ich bin, wie ich bin, und
ich werde dahinfahren in meinen Sünden! Laßt mich nicht allzulang auf den
Galgen warten!"

„Du hast nie eine Mutter gehabt, die dich ermahnte?"

Der Gefangene fuhr zusammen, dann lachte er wieder.

„Ich bin nicht für Rührung, edler HerrI Ich sage es noch einmal: die
Welt ist wider mich gewesen, da ist es besser zur Hölle zu fahrenl"

„Weshalb hast du damals deine Stadt verraten?"

„Weil ich Geld haben wollte, edler Herr! Ich wollte reich werden und
dann zu den Franzosen. Aber sie wollten mich nicht, sie bezahlten mich sogar
nicht und lachten mich aus. Sagten, ich sollte mich freuen, daß sie mich nicht
hängten. Wenn alle Menschen schlecht sind, warum soll ich es nicht sein?"

Der Herzog wandte sich an Josias.

„Herr von Sehestedt, wollt Ihr den Kerl noch etwas fragen?"

Josias schüttelte den Kopf, aber der Gefangene sah ihn mit seinen bösen
Augen an.

„Die Jungfrau von Sehestedt habe ich mal lieb gehabt. Die einzige in
meinem Leben, von der ich es sagen kann. Aber der Junker Wiltberg nahm
sie mir weg — ich hätte ihn gern zu Tode hungern lassen!"


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[0182] Die Hexe von Mayer „Mein Lieber, die Frauenzimmer sind eben anders als wir. Sie wollen ein wenig gut behandelt sein und man darf nicht jeden Tag auf die Jagd reiten oder anderen Lustbarkeiten nachgehen. Man muß auch einmal daheim sitzen, seine Junker erziehen und sich von den Sorgen der Wirtschaft berichten lassen. Das tut dem Frauenzimmer gut; es hat doch mancherlei Mühe und Leiden, von denen wir Männer nichts wissen." Der Herzog sprach eindringlich und Josias hörte ernsthaft zu. In den letzten Jahren war er allerdings sehr viel von Haus weggewesen; nicht allein zur Jagd, sondern auch zu Versammlungen der Ritterschaft, zu Festen, wo die Frauen nicht gewünscht wurden. Und um seine wilden Junker bekümmerte er sich sehr selten. Er war so in Gedanken, daß er nicht hörte, wie der Herzog an der Schelle zog und dem eintretenden Diener einen Befehl zurief. Und dann stand plötzlich eine elende Gestalt im Zimmer. Ein Zerlumpter, Ver¬ hungerter, einer, der den rechten Fuß nachzog und dem Elend und Sünde aus dem verwüsteten Gesicht sprachen. „Du bist der Stadtschreiber von Manen?" „Ich war es, gnädiger HerrI" „Und nun bist du ein Mordbrenner geworden?" „Was soll man machen? Die Welt ist wider mich, so bin ich auch wider sie gewesen!" „Ein übles Geschäft!" sagte der Herzog ernst und der Gefangene beugte den Kopf, daß seine Ketten klirrten. „Braucht mich nicht zu ernähren, Gnädiger! Ich bin, wie ich bin, und ich werde dahinfahren in meinen Sünden! Laßt mich nicht allzulang auf den Galgen warten!" „Du hast nie eine Mutter gehabt, die dich ermahnte?" Der Gefangene fuhr zusammen, dann lachte er wieder. „Ich bin nicht für Rührung, edler HerrI Ich sage es noch einmal: die Welt ist wider mich gewesen, da ist es besser zur Hölle zu fahrenl" „Weshalb hast du damals deine Stadt verraten?" „Weil ich Geld haben wollte, edler Herr! Ich wollte reich werden und dann zu den Franzosen. Aber sie wollten mich nicht, sie bezahlten mich sogar nicht und lachten mich aus. Sagten, ich sollte mich freuen, daß sie mich nicht hängten. Wenn alle Menschen schlecht sind, warum soll ich es nicht sein?" Der Herzog wandte sich an Josias. „Herr von Sehestedt, wollt Ihr den Kerl noch etwas fragen?" Josias schüttelte den Kopf, aber der Gefangene sah ihn mit seinen bösen Augen an. „Die Jungfrau von Sehestedt habe ich mal lieb gehabt. Die einzige in meinem Leben, von der ich es sagen kann. Aber der Junker Wiltberg nahm sie mir weg — ich hätte ihn gern zu Tode hungern lassen!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/182>, abgerufen am 28.06.2024.