Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayeii im Stall sitzt, hat heute nicht fressen können, weil der Köter ihm alles wegnahm. Er stand eilig auf, verschwand in dem Stall und zog dann bald einen "Es ist eine feine SorteI" sagte der Büttel, während er den: Junker Sebastian war so erstaunt, daß er erst wieder zu sich kam, als der Büttel Die Hexe von Mayeii im Stall sitzt, hat heute nicht fressen können, weil der Köter ihm alles wegnahm. Er stand eilig auf, verschwand in dem Stall und zog dann bald einen „Es ist eine feine SorteI" sagte der Büttel, während er den: Junker Sebastian war so erstaunt, daß er erst wieder zu sich kam, als der Büttel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327553"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayeii</fw><lb/> <p xml:id="ID_285" prev="#ID_284"> im Stall sitzt, hat heute nicht fressen können, weil der Köter ihm alles wegnahm.<lb/> Wenn Ihr ihn beherberget, soll Kätha schon gelegentlich ein paar Knochen und<lb/> eine Wursthaut bringen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_286"> Er stand eilig auf, verschwand in dem Stall und zog dann bald einen<lb/> magern Hund hervor, der die Zähne fletschte und drohend knurrte. Ein mittel¬<lb/> großes Tier, mit grauschwarzem, stichelhaarigen Fell, kurz verschnittenen<lb/> Ohren und einem Schwanzstummel, der gradeaus stand, wie eine Holzstange.</p><lb/> <p xml:id="ID_287"> „Es ist eine feine SorteI" sagte der Büttel, während er den: Junker<lb/> einen verschallten Riemen in die Hand drückte. „Ehemals, als ich noch selbst<lb/> einmal nach Koblenz kam, hab' ich die vornehnien Herren oft mit so einem<lb/> Hund laufen sehen. Dieser mag auch von einem Herrensitz stammen, man<lb/> kann es nie wissen! Und nun nix für ungut, Herr Junker! Aber ich muß<lb/> zum Stadtschreiber und ihm meinen Bericht erstatten!"</p><lb/> <p xml:id="ID_288" next="#ID_289"> Sebastian war so erstaunt, daß er erst wieder zu sich kam, als der Büttel<lb/> seinen Weinkrug hinter den Herd setzte, in sein Wams fuhr und seinen Besuch<lb/> mit sanfter Gewalt auf die Gasse schob. Dann lief er so eilig davon, wie<lb/> seine krummen Beine es gestatteten und hörte auch nicht, als Sebastian seinen<lb/> Namen rief. Gleich verschwand er uni die nächste Ecke und der Herr von<lb/> Wiltberg stand da und wußte nicht recht, ob er lache», oder sich ärgern sollte.<lb/> Ihm war es bisher noch nicht in den Sinn gekommen, über Jnpp Nappich<lb/> nachzudenken. Der Büttel war ein Büttel und brauchte nichts anderes zu sein;<lb/> jetzt kam es ihm vor, als habe ihn dieser ein wenig zum besten gehabt. Zum<lb/> wenigsten hatte er ihm keine Frage beantwortet und ihm nur einen elenden<lb/> Hund zur Aufbewahrung gegeben! Der infame Kerl! Sebastian stampfte mit<lb/> dein Fuß und stieß einen Fluch aus. Darüber schämte er sich allerdings, aber<lb/> er war doch so böse, daß er beschloß, den Hund zu ersäufen. Dicht hinter<lb/> seiner Stadtmauer floß der Graben, und das Loch war auch da. Also konnte<lb/> er das Tier leicht vom Leben zum Tode bringen und war ihn eben so schnell<lb/> los, wie er ihn kriegte. Hastig ging er seinem Häuschen zu, riß den Hund<lb/> mit sich und wollte sich nicht ärgern. Ein Büttel war kein Mensch, im Ver¬<lb/> gleich mit einem Edelmann, der Anwartschaft hatte auf eine Dompräbende.<lb/> Aber der Kerl war doch frech gewesen. Was ging es ihm an, daß der Junker<lb/> von Schulden lebte und was sollte die Geschichte mit den Benediktinern zu<lb/> Laach? Natürlich mußten die Mönche fleißig sein, dafür waren sie Mönche;<lb/> aber ein rheinischer Edelmann brauchte nicht den Boden zu beackern und zu<lb/> arbeiten wie ein Bauer! Gewiß, Sebastian wollte natürlich einmal nach Laach.<lb/> Als Kind, als sein Vater noch in Sinzig wohnte, war er schon einmal da ge¬<lb/> wesen. Aber es war lange her und damals hatte er sich mehr an den schönen<lb/> Blumen des Klostergartens gefreut, als an den schwarzen Kutten der Mönche.<lb/> Es hatte gute Forellen gegeben und einen leichten Wein; dem armen<lb/> Sebastian lief das Wasser im Munde zusammen. Denn sein Magen war so leer,<lb/> daß er ihm fast weh tat. „Heiliger Sebastian, bitt für mich!" murmelte er.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Die Hexe von Mayeii
im Stall sitzt, hat heute nicht fressen können, weil der Köter ihm alles wegnahm.
Wenn Ihr ihn beherberget, soll Kätha schon gelegentlich ein paar Knochen und
eine Wursthaut bringen!"
Er stand eilig auf, verschwand in dem Stall und zog dann bald einen
magern Hund hervor, der die Zähne fletschte und drohend knurrte. Ein mittel¬
großes Tier, mit grauschwarzem, stichelhaarigen Fell, kurz verschnittenen
Ohren und einem Schwanzstummel, der gradeaus stand, wie eine Holzstange.
„Es ist eine feine SorteI" sagte der Büttel, während er den: Junker
einen verschallten Riemen in die Hand drückte. „Ehemals, als ich noch selbst
einmal nach Koblenz kam, hab' ich die vornehnien Herren oft mit so einem
Hund laufen sehen. Dieser mag auch von einem Herrensitz stammen, man
kann es nie wissen! Und nun nix für ungut, Herr Junker! Aber ich muß
zum Stadtschreiber und ihm meinen Bericht erstatten!"
Sebastian war so erstaunt, daß er erst wieder zu sich kam, als der Büttel
seinen Weinkrug hinter den Herd setzte, in sein Wams fuhr und seinen Besuch
mit sanfter Gewalt auf die Gasse schob. Dann lief er so eilig davon, wie
seine krummen Beine es gestatteten und hörte auch nicht, als Sebastian seinen
Namen rief. Gleich verschwand er uni die nächste Ecke und der Herr von
Wiltberg stand da und wußte nicht recht, ob er lache», oder sich ärgern sollte.
Ihm war es bisher noch nicht in den Sinn gekommen, über Jnpp Nappich
nachzudenken. Der Büttel war ein Büttel und brauchte nichts anderes zu sein;
jetzt kam es ihm vor, als habe ihn dieser ein wenig zum besten gehabt. Zum
wenigsten hatte er ihm keine Frage beantwortet und ihm nur einen elenden
Hund zur Aufbewahrung gegeben! Der infame Kerl! Sebastian stampfte mit
dein Fuß und stieß einen Fluch aus. Darüber schämte er sich allerdings, aber
er war doch so böse, daß er beschloß, den Hund zu ersäufen. Dicht hinter
seiner Stadtmauer floß der Graben, und das Loch war auch da. Also konnte
er das Tier leicht vom Leben zum Tode bringen und war ihn eben so schnell
los, wie er ihn kriegte. Hastig ging er seinem Häuschen zu, riß den Hund
mit sich und wollte sich nicht ärgern. Ein Büttel war kein Mensch, im Ver¬
gleich mit einem Edelmann, der Anwartschaft hatte auf eine Dompräbende.
Aber der Kerl war doch frech gewesen. Was ging es ihm an, daß der Junker
von Schulden lebte und was sollte die Geschichte mit den Benediktinern zu
Laach? Natürlich mußten die Mönche fleißig sein, dafür waren sie Mönche;
aber ein rheinischer Edelmann brauchte nicht den Boden zu beackern und zu
arbeiten wie ein Bauer! Gewiß, Sebastian wollte natürlich einmal nach Laach.
Als Kind, als sein Vater noch in Sinzig wohnte, war er schon einmal da ge¬
wesen. Aber es war lange her und damals hatte er sich mehr an den schönen
Blumen des Klostergartens gefreut, als an den schwarzen Kutten der Mönche.
Es hatte gute Forellen gegeben und einen leichten Wein; dem armen
Sebastian lief das Wasser im Munde zusammen. Denn sein Magen war so leer,
daß er ihm fast weh tat. „Heiliger Sebastian, bitt für mich!" murmelte er.
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