Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen Rhein her kamen kleine Flatterwolken gezogen. Vielleicht brachten sie ein Ge¬ Heilwig sah ihren Vetter an, als erwartete sie noch mehr Nachricht von ihm, "Wie geht es dem Junker Wiltberg?" fragte sie. Josias sah sie noch immer nicht an. "Er liegt in seinem Haus und wird von einer Magd, sie soll Kütha heißen, Er schwieg, und Heilwig erhob sich. "Helft mir, daß ich nach Manen reite, um nach ihm zu sehen!" "Wenn der Junker etwas von Euch will, dann sollte er billig zu Euch Der Sehestedt hatte einen trockenen Klang in der Stimme, aber das "Herr Vetter, das wird er nicht wagen. Wir sind die Befreier und unser "Ihr wollt ihn wirklich heiraten?" "Ganz gewiß!" "Aber Ihr seid mir versprochen seit einer Reihe von Jahren!" Josias heftete seine Augen jetzt auf Heilwig, die zu lachen begann. "Lieber Vetter, Ihr habt ehemals so wenig an mich gedacht, wie ich an Sie rückte dem Junker näher und faßte seine Hand. "Lieber Vetter, helft mir bei meinem Herrn Vater! Er ist kalt gegen mich Sie war rot geworden, Tränen standen in ihren Augen und ihr Atem "An die Liebe habe ich nimmer geglaubt, wie sie in Büchern beschrieben "Liebe Base," Josias Stimme schwankte nun auch: "Was wollt Ihr mit Die Hexe von Mayen Rhein her kamen kleine Flatterwolken gezogen. Vielleicht brachten sie ein Ge¬ Heilwig sah ihren Vetter an, als erwartete sie noch mehr Nachricht von ihm, „Wie geht es dem Junker Wiltberg?" fragte sie. Josias sah sie noch immer nicht an. „Er liegt in seinem Haus und wird von einer Magd, sie soll Kütha heißen, Er schwieg, und Heilwig erhob sich. „Helft mir, daß ich nach Manen reite, um nach ihm zu sehen!" „Wenn der Junker etwas von Euch will, dann sollte er billig zu Euch Der Sehestedt hatte einen trockenen Klang in der Stimme, aber das „Herr Vetter, das wird er nicht wagen. Wir sind die Befreier und unser „Ihr wollt ihn wirklich heiraten?" „Ganz gewiß!" „Aber Ihr seid mir versprochen seit einer Reihe von Jahren!" Josias heftete seine Augen jetzt auf Heilwig, die zu lachen begann. „Lieber Vetter, Ihr habt ehemals so wenig an mich gedacht, wie ich an Sie rückte dem Junker näher und faßte seine Hand. „Lieber Vetter, helft mir bei meinem Herrn Vater! Er ist kalt gegen mich Sie war rot geworden, Tränen standen in ihren Augen und ihr Atem „An die Liebe habe ich nimmer geglaubt, wie sie in Büchern beschrieben „Liebe Base," Josias Stimme schwankte nun auch: „Was wollt Ihr mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0609" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328075"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2852" prev="#ID_2851"> Rhein her kamen kleine Flatterwolken gezogen. 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Die Hexe von Mayen
Rhein her kamen kleine Flatterwolken gezogen. Vielleicht brachten sie ein Ge¬
witter und kühlten die Lust.
Heilwig sah ihren Vetter an, als erwartete sie noch mehr Nachricht von ihm,
aber er richtete den Blick vor sich und stutzte beide Hände auf seinen langen
Degen. Sein sonst so sorgloses Gesicht trug einen ernsthaften Ausdruck. Heilwig
achtete nicht darauf,
„Wie geht es dem Junker Wiltberg?" fragte sie.
Josias sah sie noch immer nicht an.
„Er liegt in seinem Haus und wird von einer Magd, sie soll Kütha heißen,
gepflegt. Hat schon Wein getrunken und ist in den Garten gegangen. Wird
wohl bald wieder gesund sein!"
Er schwieg, und Heilwig erhob sich.
„Helft mir, daß ich nach Manen reite, um nach ihm zu sehen!"
„Wenn der Junker etwas von Euch will, dann sollte er billig zu Euch
kommen!"
Der Sehestedt hatte einen trockenen Klang in der Stimme, aber das
Mädchen wurde ungeduldig.
„Herr Vetter, das wird er nicht wagen. Wir sind die Befreier und unser
Wesen ist rauh. Er aber ist zart. Ich sehne mich nach ihm, wie ich mich nach
ihm bangte, seitdem ich ihn sah. Ihr wißt, er rettete mich vor Schrecklichem;
nun ist es an mir, den ersten Schritt zu tun!"
„Ihr wollt ihn wirklich heiraten?"
„Ganz gewiß!"
„Aber Ihr seid mir versprochen seit einer Reihe von Jahren!"
Josias heftete seine Augen jetzt auf Heilwig, die zu lachen begann.
„Lieber Vetter, Ihr habt ehemals so wenig an mich gedacht, wie ich an
Euch. Mag sein, daß es sür unsere Güter das beste wäre, wir heirateten uns;
aber warum sollen wir für unsere Güter und nicht für uns leben? Ich habe
es nicht gewußt; aber es gibt doch auch Liebe in der Welt, und nach dieser
will ich mich richten!"
Sie rückte dem Junker näher und faßte seine Hand.
„Lieber Vetter, helft mir bei meinem Herrn Vater! Er ist kalt gegen mich
und ich weiß, daß er keine Lust hat zu dem Wiltberg. Ich aber bin sein ein¬
ziges Kind und möchte gern glücklich werden. Lieber Vetter, wollt Ihr mir
nicht zu meinem Glück verhelfen?"
Sie war rot geworden, Tränen standen in ihren Augen und ihr Atem
ging schnell.
„An die Liebe habe ich nimmer geglaubt, wie sie in Büchern beschrieben
wird", fuhr sie fort. „Nun aber kenne ich sie, und warum darf ich sie nicht
kosten?"
„Liebe Base," Josias Stimme schwankte nun auch: „Was wollt Ihr mit
einem so fremden Kerl in unserem Holstenland, den kein Mensch kennt und
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