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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Bismarck und Prokesch-Osten

einzugliedern sich anschickte, da schien zeitweilig selbst eine kriegerische Aus¬
einandersetzung mit Österreich in die bedrohlichste Nähe gerückt. Letzteres raffte
sich damals gewaltig auf, und die eine Gestalt Felix Schwarzenbergs erreichte
es, daß nicht nur Preußens Versuche, seine Führerschaft in Deutschland staats¬
rechtlich auszugestalten, zum Scheitern kamen, sondern sogar -- da Österreich
mit eigenen Reformvorschlägen nicht durchdrang -- die alte Ordnung der
Dinge, einschließlich des österreichischen Präsidiums am Bundestage, wieder her¬
gestellt wurde.

Aber freilich war nun nicht mehr daran zu denken, daß in Frankfurt etwa
auch der alte Geist wieder eingekehrt wäre. Vor allem war und blieb Preußen
verwandelt. Trotz Olmütz, wo es zwar gedemütigt, aber nicht besiegt worden
war, ließen sich weder die Leistungen, noch die Hoffnungen, die sich an die
Namen der Paulskirche und Erfurts knüpften, mehr aus seinem politischen
Programme austilgen; und wenn der erneuerte Bund in den nächsten Jahren
nur ein Scheindasein führte, indem es sich bei seinen Verhandlungen und
Abstimmungen meist nur um die unerläßlichsten Attribute deutscher Gemein¬
samkeit, wie die Bundesfestungen, im übrigen um die Liquidation des großen
Bankrotts von 1849, um die Lumpereien des Verfassungslebens der Einzel¬
staaten und ähnliche wichtige Dinge handelte, so darf man wohl sagen, daß
dies Preußen, das nur widerwillig wieder beigetreten war, vollauf in den
Kram paßte, da es im Stillen instinktiv seine Vorbereitungen für seinen
künftigen deutschen Beruf fortsetzte.

Österreich, das sich auch auf der Höhe seiner Erfolge organisatorisch ohn¬
mächtig erwiesen hatte, suchte jetzt um so mehr etwas darin, seine alten Vor¬
rechte, insbesondere die mit der Prästdialstellung ihm gegebene Macht, zur
Geltung zu bringen und gewissermaßen an Preußen auszulassen. Wir wissen
aus Bismarcks humorvollen brieflichen Schilderungen, wie dieses Gebahren der
Nachfolger Schwarzenbergs, namentlich auch in den gesellschaftlichen Formen,
gelegentlich ins Burleske sich verlor und wie gerade er, Bismarck, zuerst diese
Formen zum Ausgangspunkte sich erwählte, um alsbald die ernstesten und
weittragendsten allgemeinen Umwälzungen daran anzuknüpfen.

Denn mit dem Eintreten dieses Mannes begann der Umschwung, der
langsam, aber sicher das Heft Österreichs Hand entreißen sollte. Er war ur¬
sprünglich nicht als Gegner Österreichs nach Frankfurt gekommen -- hatte er
doch felbst die Olmützer Konvention noch gebilligt I --, dies aber dort bald in
einem Grade geworden, daß allgemach alles und jedes, die Revision der Ge¬
schäftsordnung und das kleine häusliche Gezänk am Bundestage so gut wie
die hie und da am Horizonte auftauchenden größeren politischen Fragen, ihm
Handhaben zur Durchführung des jetzt als feine einzige Aufgabe erkannten
Machtkampfes mit Österreich bieten mußten. Seine Persönlichkeit, sein Genie
gewährleisteten ihm den Sieg in diesem Kampfe um so mehr, als er beides
mit unerhörter Willenskraft auf diesen einen Punkt konzentrierte. Den tausend-


Bismarck und Prokesch-Osten

einzugliedern sich anschickte, da schien zeitweilig selbst eine kriegerische Aus¬
einandersetzung mit Österreich in die bedrohlichste Nähe gerückt. Letzteres raffte
sich damals gewaltig auf, und die eine Gestalt Felix Schwarzenbergs erreichte
es, daß nicht nur Preußens Versuche, seine Führerschaft in Deutschland staats¬
rechtlich auszugestalten, zum Scheitern kamen, sondern sogar — da Österreich
mit eigenen Reformvorschlägen nicht durchdrang — die alte Ordnung der
Dinge, einschließlich des österreichischen Präsidiums am Bundestage, wieder her¬
gestellt wurde.

Aber freilich war nun nicht mehr daran zu denken, daß in Frankfurt etwa
auch der alte Geist wieder eingekehrt wäre. Vor allem war und blieb Preußen
verwandelt. Trotz Olmütz, wo es zwar gedemütigt, aber nicht besiegt worden
war, ließen sich weder die Leistungen, noch die Hoffnungen, die sich an die
Namen der Paulskirche und Erfurts knüpften, mehr aus seinem politischen
Programme austilgen; und wenn der erneuerte Bund in den nächsten Jahren
nur ein Scheindasein führte, indem es sich bei seinen Verhandlungen und
Abstimmungen meist nur um die unerläßlichsten Attribute deutscher Gemein¬
samkeit, wie die Bundesfestungen, im übrigen um die Liquidation des großen
Bankrotts von 1849, um die Lumpereien des Verfassungslebens der Einzel¬
staaten und ähnliche wichtige Dinge handelte, so darf man wohl sagen, daß
dies Preußen, das nur widerwillig wieder beigetreten war, vollauf in den
Kram paßte, da es im Stillen instinktiv seine Vorbereitungen für seinen
künftigen deutschen Beruf fortsetzte.

Österreich, das sich auch auf der Höhe seiner Erfolge organisatorisch ohn¬
mächtig erwiesen hatte, suchte jetzt um so mehr etwas darin, seine alten Vor¬
rechte, insbesondere die mit der Prästdialstellung ihm gegebene Macht, zur
Geltung zu bringen und gewissermaßen an Preußen auszulassen. Wir wissen
aus Bismarcks humorvollen brieflichen Schilderungen, wie dieses Gebahren der
Nachfolger Schwarzenbergs, namentlich auch in den gesellschaftlichen Formen,
gelegentlich ins Burleske sich verlor und wie gerade er, Bismarck, zuerst diese
Formen zum Ausgangspunkte sich erwählte, um alsbald die ernstesten und
weittragendsten allgemeinen Umwälzungen daran anzuknüpfen.

Denn mit dem Eintreten dieses Mannes begann der Umschwung, der
langsam, aber sicher das Heft Österreichs Hand entreißen sollte. Er war ur¬
sprünglich nicht als Gegner Österreichs nach Frankfurt gekommen — hatte er
doch felbst die Olmützer Konvention noch gebilligt I —, dies aber dort bald in
einem Grade geworden, daß allgemach alles und jedes, die Revision der Ge¬
schäftsordnung und das kleine häusliche Gezänk am Bundestage so gut wie
die hie und da am Horizonte auftauchenden größeren politischen Fragen, ihm
Handhaben zur Durchführung des jetzt als feine einzige Aufgabe erkannten
Machtkampfes mit Österreich bieten mußten. Seine Persönlichkeit, sein Genie
gewährleisteten ihm den Sieg in diesem Kampfe um so mehr, als er beides
mit unerhörter Willenskraft auf diesen einen Punkt konzentrierte. Den tausend-


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[0603] Bismarck und Prokesch-Osten einzugliedern sich anschickte, da schien zeitweilig selbst eine kriegerische Aus¬ einandersetzung mit Österreich in die bedrohlichste Nähe gerückt. Letzteres raffte sich damals gewaltig auf, und die eine Gestalt Felix Schwarzenbergs erreichte es, daß nicht nur Preußens Versuche, seine Führerschaft in Deutschland staats¬ rechtlich auszugestalten, zum Scheitern kamen, sondern sogar — da Österreich mit eigenen Reformvorschlägen nicht durchdrang — die alte Ordnung der Dinge, einschließlich des österreichischen Präsidiums am Bundestage, wieder her¬ gestellt wurde. Aber freilich war nun nicht mehr daran zu denken, daß in Frankfurt etwa auch der alte Geist wieder eingekehrt wäre. Vor allem war und blieb Preußen verwandelt. Trotz Olmütz, wo es zwar gedemütigt, aber nicht besiegt worden war, ließen sich weder die Leistungen, noch die Hoffnungen, die sich an die Namen der Paulskirche und Erfurts knüpften, mehr aus seinem politischen Programme austilgen; und wenn der erneuerte Bund in den nächsten Jahren nur ein Scheindasein führte, indem es sich bei seinen Verhandlungen und Abstimmungen meist nur um die unerläßlichsten Attribute deutscher Gemein¬ samkeit, wie die Bundesfestungen, im übrigen um die Liquidation des großen Bankrotts von 1849, um die Lumpereien des Verfassungslebens der Einzel¬ staaten und ähnliche wichtige Dinge handelte, so darf man wohl sagen, daß dies Preußen, das nur widerwillig wieder beigetreten war, vollauf in den Kram paßte, da es im Stillen instinktiv seine Vorbereitungen für seinen künftigen deutschen Beruf fortsetzte. Österreich, das sich auch auf der Höhe seiner Erfolge organisatorisch ohn¬ mächtig erwiesen hatte, suchte jetzt um so mehr etwas darin, seine alten Vor¬ rechte, insbesondere die mit der Prästdialstellung ihm gegebene Macht, zur Geltung zu bringen und gewissermaßen an Preußen auszulassen. Wir wissen aus Bismarcks humorvollen brieflichen Schilderungen, wie dieses Gebahren der Nachfolger Schwarzenbergs, namentlich auch in den gesellschaftlichen Formen, gelegentlich ins Burleske sich verlor und wie gerade er, Bismarck, zuerst diese Formen zum Ausgangspunkte sich erwählte, um alsbald die ernstesten und weittragendsten allgemeinen Umwälzungen daran anzuknüpfen. Denn mit dem Eintreten dieses Mannes begann der Umschwung, der langsam, aber sicher das Heft Österreichs Hand entreißen sollte. Er war ur¬ sprünglich nicht als Gegner Österreichs nach Frankfurt gekommen — hatte er doch felbst die Olmützer Konvention noch gebilligt I —, dies aber dort bald in einem Grade geworden, daß allgemach alles und jedes, die Revision der Ge¬ schäftsordnung und das kleine häusliche Gezänk am Bundestage so gut wie die hie und da am Horizonte auftauchenden größeren politischen Fragen, ihm Handhaben zur Durchführung des jetzt als feine einzige Aufgabe erkannten Machtkampfes mit Österreich bieten mußten. Seine Persönlichkeit, sein Genie gewährleisteten ihm den Sieg in diesem Kampfe um so mehr, als er beides mit unerhörter Willenskraft auf diesen einen Punkt konzentrierte. Den tausend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/603>, abgerufen am 29.12.2024.