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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Britische Heerosprobleme

nämlich, daß die englische Flotte und die der verbündeten Mächte gänzlich von
der Bildfläche verschwunden sind.

Zwar behauptete Lord Roberts, daß es für einen Feind nicht nötig sei,
dauernd die Überlegenheit zur See zu besitzen und dieser sich vielleicht unter
dem Schutze der Witterung, hauptsächlich des Nebels, der englischen Küste
unbemerkt nähern könne.

Hierzu nimmt auch Wilson in Hamiltons Buch Stellung, und führt aus,
daß dann die längs der Küste stationierten Unterseeboote und Torpedoboote
rasch herbeieilen und die Transportflotte in den Grund bohren würden. Nach
seiner Meinung kann es bei dem heutigen Stand der Flottenstürken überhaupt
nicht zu einer solchen Annäherung an die englische Küste kommen. Selbst wenn
die zur Landung auf englischem Boden bestimmte Armee nur 70 000 Mann
stark ist, wird die Transportflotte doch ein so schwerfälliger Körper sein, daß
sie nicht hoffen kann, unentdeckt das Netz der englischen Aufklärungsschiffe zu
durchbrechen. Einmal entdeckt, wird sich diese Flotte, die mit Rücksicht auf die
langsamen Transportschiffe nur 10 bis 12 Seemeilen laufen kann, nicht dem
feindlichen Angriff durch die Flucht entziehen können, und sie wird, während
die Begleitschiffe in den Kampf verwickelt sind, von den Torpedobooten und
den Unterseebooten zum Sinken gebracht werden.

Setzen wir aber einmal voraus, daß diese Expeditionsarmee gegen alle
Erwartung den englischen Boden erreicht, so wäre sie doch gänzlich von ihren
rückwärtigen Verbindungen, vor allem von der Munitionszufuhr abgeschnitten.
Sie würde vielleicht zu Anfang Erfolge gegen die Territorialtruppen aufweisen
können, müßte aber schließlich der vom Hauptkriegsschauplatz auf dem Kontinent
zurückgerufenen englischen Expeditionsarmee auf die Dauer unterliegen.

Nimmt man aber an, daß England infolge von Aufständen in den Kolonien
während eines Krieges auf dem Kontinent Teile seiner Feldarmee nach seinen
Außenstationen entsandt hat, und eine auf englischem Boden gekantete Expe¬
ditionsarmee dauernd siegreich bleibt, so könnten diese Erfolge doch nicht eventuelle
Mißerfolge der Hauptarmee auf den: Kontinent ausgleichen.

Ein Grundsatz der höheren Truppenführung lautet, daß man stark an der
entscheidenden Stelle sein muß. Diese entscheidende Stelle kann aber für die
deutsche Armee niemals auf englischem Boden liegen.

Wenn also die Vertreter der englischen Regierung jede Jnvasionsgefahr
verneinen und damit den Hauptbeweisgrund für die Dringlichkeit der Ein¬
führung der allgemeinen Wehrpflicht hinfällig machen, so kann man ihnen darin
nur Recht geben. Admiral Wilson hat sich seinerzeit sicherlich auch Deutschland
gegenüber mit seinen sachlichen Ausführungen ein Verdienst erworben, indem er
viel zur Beruhigung derjenigen Leute in England beigetragen hat, die sich seinen
Beweisgründen nicht absichtlich verschließen wollen.

Der Lordschatzkanzler Viscount Haldane hat sowohl in Hamiltons Buch,
als auch wieder im vergangenen Jahre im Oberhaus ganz im Sinne Wilsons


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Britische Heerosprobleme

nämlich, daß die englische Flotte und die der verbündeten Mächte gänzlich von
der Bildfläche verschwunden sind.

Zwar behauptete Lord Roberts, daß es für einen Feind nicht nötig sei,
dauernd die Überlegenheit zur See zu besitzen und dieser sich vielleicht unter
dem Schutze der Witterung, hauptsächlich des Nebels, der englischen Küste
unbemerkt nähern könne.

Hierzu nimmt auch Wilson in Hamiltons Buch Stellung, und führt aus,
daß dann die längs der Küste stationierten Unterseeboote und Torpedoboote
rasch herbeieilen und die Transportflotte in den Grund bohren würden. Nach
seiner Meinung kann es bei dem heutigen Stand der Flottenstürken überhaupt
nicht zu einer solchen Annäherung an die englische Küste kommen. Selbst wenn
die zur Landung auf englischem Boden bestimmte Armee nur 70 000 Mann
stark ist, wird die Transportflotte doch ein so schwerfälliger Körper sein, daß
sie nicht hoffen kann, unentdeckt das Netz der englischen Aufklärungsschiffe zu
durchbrechen. Einmal entdeckt, wird sich diese Flotte, die mit Rücksicht auf die
langsamen Transportschiffe nur 10 bis 12 Seemeilen laufen kann, nicht dem
feindlichen Angriff durch die Flucht entziehen können, und sie wird, während
die Begleitschiffe in den Kampf verwickelt sind, von den Torpedobooten und
den Unterseebooten zum Sinken gebracht werden.

Setzen wir aber einmal voraus, daß diese Expeditionsarmee gegen alle
Erwartung den englischen Boden erreicht, so wäre sie doch gänzlich von ihren
rückwärtigen Verbindungen, vor allem von der Munitionszufuhr abgeschnitten.
Sie würde vielleicht zu Anfang Erfolge gegen die Territorialtruppen aufweisen
können, müßte aber schließlich der vom Hauptkriegsschauplatz auf dem Kontinent
zurückgerufenen englischen Expeditionsarmee auf die Dauer unterliegen.

Nimmt man aber an, daß England infolge von Aufständen in den Kolonien
während eines Krieges auf dem Kontinent Teile seiner Feldarmee nach seinen
Außenstationen entsandt hat, und eine auf englischem Boden gekantete Expe¬
ditionsarmee dauernd siegreich bleibt, so könnten diese Erfolge doch nicht eventuelle
Mißerfolge der Hauptarmee auf den: Kontinent ausgleichen.

Ein Grundsatz der höheren Truppenführung lautet, daß man stark an der
entscheidenden Stelle sein muß. Diese entscheidende Stelle kann aber für die
deutsche Armee niemals auf englischem Boden liegen.

Wenn also die Vertreter der englischen Regierung jede Jnvasionsgefahr
verneinen und damit den Hauptbeweisgrund für die Dringlichkeit der Ein¬
führung der allgemeinen Wehrpflicht hinfällig machen, so kann man ihnen darin
nur Recht geben. Admiral Wilson hat sich seinerzeit sicherlich auch Deutschland
gegenüber mit seinen sachlichen Ausführungen ein Verdienst erworben, indem er
viel zur Beruhigung derjenigen Leute in England beigetragen hat, die sich seinen
Beweisgründen nicht absichtlich verschließen wollen.

Der Lordschatzkanzler Viscount Haldane hat sowohl in Hamiltons Buch,
als auch wieder im vergangenen Jahre im Oberhaus ganz im Sinne Wilsons


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/591>, abgerufen am 04.01.2025.