Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Rcichsspiegel weiß und die einen Tatbestand voraussetzt, der hier nicht nachzuweisen war, Mehr als solche Überschreitungen aber kann doch auch die vollkommenste Das elsässische Volk ist durch Beleidigung und Verweigerung gebührender Rcichsspiegel weiß und die einen Tatbestand voraussetzt, der hier nicht nachzuweisen war, Mehr als solche Überschreitungen aber kann doch auch die vollkommenste Das elsässische Volk ist durch Beleidigung und Verweigerung gebührender <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0580" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328046"/> <fw type="header" place="top"> Rcichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2699" prev="#ID_2698"> weiß und die einen Tatbestand voraussetzt, der hier nicht nachzuweisen war,<lb/> wird eine unparteiische Beurteilung jener Zaberner Vorgänge zu dem Ergebnis<lb/> gelangen müssen, daß militärisches Einschreiten geboten war. Man kann doch<lb/> nicht verkennen, daß durch das frech herausfordernde Betragen des Straßen¬<lb/> pöbels eine auf die Dauer unerträgliche Lage geschaffen und doch nicht deshalb<lb/> weiter zu dulden war, weil der erste Anstoß von militärischer Seite erfolgt ist.<lb/> Hier ist ein fester Tatbestand. Der Widerspruch der Zeugen im Prozeß erklärt<lb/> sich im Grunde doch daraus, daß Bejahung und Verneinung sich auf zwei ver¬<lb/> schiedene, bei der Prozeßleitung nicht klar auseinander gehaltene Dinge bezogen:<lb/> eine wirklich bedenkliche Störung der allgemeinen Ruhe, geschweige denn eine<lb/> Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hat schwerlich stattgefunden, wohl aber<lb/> eine fortgesetzte arge Belästigung und sogar Bedrohung einzelner Offiziere, und<lb/> zwar in ihrer Eigenschaft als Angehörige des Heeres, auf ihrem Gange zu<lb/> und von ihrem Berufsdienst, ja selbst auf dem Marsche, und daraus erwuchs<lb/> für sie und ihren Vorgesetzten das Recht und auch die Pflicht zur Selbsthilfe,<lb/> zur Notwehr, deren Grenzen für die Angehörigen des Heeres, sobald der An¬<lb/> griff ihrem Berufscharakter gilt, auch weiter gezogen sind und sein müssen, als<lb/> für den Privatmann. Man vergleiche die fachwissenschaftliche Erörterung dieser<lb/> Frage und den Hinweis auf das Recht der sogenannten „Anstaltspolizei" in<lb/> Ur. 3 dieses Jahrganges der Grenzboten. Will man aber der Volksseele das<lb/> Recht gewahrt wissen, überzukochen und oft recht geräuschvoll überzukochen, so<lb/> sollte man es dem Soldatengemüte nicht absprechen, zumal es sich unzweifel¬<lb/> haft herausgestellt hat, daß dieses hier nicht zum ersten Male, sondern in lang¬<lb/> jähriger Wiederholung und ohne selbstverschuldeten Anlaß auf schwere Proben<lb/> gestellt worden ist. Es hat auch in diesem Falle an sich gehalten, bis die<lb/> Unzulänglichkeit der von der staatlichen und städtischen Behörde angeordneten<lb/> Schutzmaßregeln die Lage auch für die Zukunft bedenklich zu gestalten drohte<lb/> und Dienst und Ansehen zugleich auf längere Zeit hinaus gefährdet schienen.<lb/> Gewalt war hier gutes Recht. Was aber auch die Bestgesinnten in<lb/> Erregung brachte und Eingewanderte und Eingeborene zu einem weit durchs<lb/> ganze Reich widerhallenden Protest vereinigte, das war die wohl begreifliche,<lb/> aber beklagenswerte Anwendung der Gewalt, die auch über jene weitere Grenze<lb/> noch hinausgriff, indem sie Freiheit und Sicherheit ganz unbeteiligter Personen<lb/> bedrohte. Vor einer solchen Überschreitung muß der rechtliche Mann hier und<lb/> überall für immer geschützt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2700"> Mehr als solche Überschreitungen aber kann doch auch die vollkommenste<lb/> Gesetzgebung nicht hindern; die Möglichkeit peinlicher Zusammenstöße wird fort¬<lb/> bestehen, solange die inneren Ursachen weiterwirken, aus denen auch das<lb/> Zaberner Ereignis hervorgegangen ist. Sie liegen doch auch zahlreich auf<lb/> seiten unserer Bevölkerung.</p><lb/> <p xml:id="ID_2701" next="#ID_2702"> Das elsässische Volk ist durch Beleidigung und Verweigerung gebührender<lb/> Genugtuung gereizt worden, und diese Stimmung ist in Zabern durch einen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0580]
Rcichsspiegel
weiß und die einen Tatbestand voraussetzt, der hier nicht nachzuweisen war,
wird eine unparteiische Beurteilung jener Zaberner Vorgänge zu dem Ergebnis
gelangen müssen, daß militärisches Einschreiten geboten war. Man kann doch
nicht verkennen, daß durch das frech herausfordernde Betragen des Straßen¬
pöbels eine auf die Dauer unerträgliche Lage geschaffen und doch nicht deshalb
weiter zu dulden war, weil der erste Anstoß von militärischer Seite erfolgt ist.
Hier ist ein fester Tatbestand. Der Widerspruch der Zeugen im Prozeß erklärt
sich im Grunde doch daraus, daß Bejahung und Verneinung sich auf zwei ver¬
schiedene, bei der Prozeßleitung nicht klar auseinander gehaltene Dinge bezogen:
eine wirklich bedenkliche Störung der allgemeinen Ruhe, geschweige denn eine
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hat schwerlich stattgefunden, wohl aber
eine fortgesetzte arge Belästigung und sogar Bedrohung einzelner Offiziere, und
zwar in ihrer Eigenschaft als Angehörige des Heeres, auf ihrem Gange zu
und von ihrem Berufsdienst, ja selbst auf dem Marsche, und daraus erwuchs
für sie und ihren Vorgesetzten das Recht und auch die Pflicht zur Selbsthilfe,
zur Notwehr, deren Grenzen für die Angehörigen des Heeres, sobald der An¬
griff ihrem Berufscharakter gilt, auch weiter gezogen sind und sein müssen, als
für den Privatmann. Man vergleiche die fachwissenschaftliche Erörterung dieser
Frage und den Hinweis auf das Recht der sogenannten „Anstaltspolizei" in
Ur. 3 dieses Jahrganges der Grenzboten. Will man aber der Volksseele das
Recht gewahrt wissen, überzukochen und oft recht geräuschvoll überzukochen, so
sollte man es dem Soldatengemüte nicht absprechen, zumal es sich unzweifel¬
haft herausgestellt hat, daß dieses hier nicht zum ersten Male, sondern in lang¬
jähriger Wiederholung und ohne selbstverschuldeten Anlaß auf schwere Proben
gestellt worden ist. Es hat auch in diesem Falle an sich gehalten, bis die
Unzulänglichkeit der von der staatlichen und städtischen Behörde angeordneten
Schutzmaßregeln die Lage auch für die Zukunft bedenklich zu gestalten drohte
und Dienst und Ansehen zugleich auf längere Zeit hinaus gefährdet schienen.
Gewalt war hier gutes Recht. Was aber auch die Bestgesinnten in
Erregung brachte und Eingewanderte und Eingeborene zu einem weit durchs
ganze Reich widerhallenden Protest vereinigte, das war die wohl begreifliche,
aber beklagenswerte Anwendung der Gewalt, die auch über jene weitere Grenze
noch hinausgriff, indem sie Freiheit und Sicherheit ganz unbeteiligter Personen
bedrohte. Vor einer solchen Überschreitung muß der rechtliche Mann hier und
überall für immer geschützt werden.
Mehr als solche Überschreitungen aber kann doch auch die vollkommenste
Gesetzgebung nicht hindern; die Möglichkeit peinlicher Zusammenstöße wird fort¬
bestehen, solange die inneren Ursachen weiterwirken, aus denen auch das
Zaberner Ereignis hervorgegangen ist. Sie liegen doch auch zahlreich auf
seiten unserer Bevölkerung.
Das elsässische Volk ist durch Beleidigung und Verweigerung gebührender
Genugtuung gereizt worden, und diese Stimmung ist in Zabern durch einen
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