Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Victor Blüthgcn

Es ist die Natur, die den Lyriker immer von neuem anzieht. Es wird aus dem
Naturobjekt das für den Menschen darin schlummernde Gefühl herausgeholt. Doch
nicht bloß das Versonnene und Grüblerische gewinnt Wort im Verse, auch die
leidenschaftliche Weltliche, das tiefe Empfinden für Frau und Kind, die restlose
Hingabe an Schwärmen und Arbeiten. Die Freude an der Jagd, die Träume
der Nacht, die Sehnsucht nach der Jugend, die Erfahrungen des Lebens sprechen
sich aus: immer eigenartig und farbig, immer klar und kräftig. Manneslyrik ist
es, Manneslyrik, deren schwere Melancholie ein ernst verstandenes und verwaltetes
Glücksgefühl nicht verbergen kann.

Denn Victor Blüthgen ist ja kein Grübler, kein kopfhängerischer Philosoph,
auch kein pedantischer Weltanschauungsprediger noch blinder Eigenbrötler, sondern
ein Sonnen- und Sommermensch. Er sieht die Welt, wie sie ist, aber er weiß auch,
wie Erinnerung alles Trübe und Dunkle vergoldet. Und so hat er als Dichter es
stets für seine Aufgabe gehalten, diesen goldenen Glanz und Duft in seinen Werken
aufzufangen und nachzubilden. Er ist nicht, was wir eine große Persönlichkeit
nennen, aber eine Persönlichkeit in seinem Bereich ist er doch. Deshalb wird
es auch in kommenden Zeiten immer wieder Leser geben, die einige unter¬
haltende, geisterfüllte Stunden in der Gesellschaft dieses vornehmen, klugen,
teilnehmenden Mannes, wie seine Prosawerke ihn zeigen, verbringen, ihre Kinder
zu seinen Märchen führen und sich durch seine Lyrik sagen lassen mögen, wie das
Herz weint und jubelt in der Menschen Brust.




Victor Blüthgcn

Es ist die Natur, die den Lyriker immer von neuem anzieht. Es wird aus dem
Naturobjekt das für den Menschen darin schlummernde Gefühl herausgeholt. Doch
nicht bloß das Versonnene und Grüblerische gewinnt Wort im Verse, auch die
leidenschaftliche Weltliche, das tiefe Empfinden für Frau und Kind, die restlose
Hingabe an Schwärmen und Arbeiten. Die Freude an der Jagd, die Träume
der Nacht, die Sehnsucht nach der Jugend, die Erfahrungen des Lebens sprechen
sich aus: immer eigenartig und farbig, immer klar und kräftig. Manneslyrik ist
es, Manneslyrik, deren schwere Melancholie ein ernst verstandenes und verwaltetes
Glücksgefühl nicht verbergen kann.

Denn Victor Blüthgen ist ja kein Grübler, kein kopfhängerischer Philosoph,
auch kein pedantischer Weltanschauungsprediger noch blinder Eigenbrötler, sondern
ein Sonnen- und Sommermensch. Er sieht die Welt, wie sie ist, aber er weiß auch,
wie Erinnerung alles Trübe und Dunkle vergoldet. Und so hat er als Dichter es
stets für seine Aufgabe gehalten, diesen goldenen Glanz und Duft in seinen Werken
aufzufangen und nachzubilden. Er ist nicht, was wir eine große Persönlichkeit
nennen, aber eine Persönlichkeit in seinem Bereich ist er doch. Deshalb wird
es auch in kommenden Zeiten immer wieder Leser geben, die einige unter¬
haltende, geisterfüllte Stunden in der Gesellschaft dieses vornehmen, klugen,
teilnehmenden Mannes, wie seine Prosawerke ihn zeigen, verbringen, ihre Kinder
zu seinen Märchen führen und sich durch seine Lyrik sagen lassen mögen, wie das
Herz weint und jubelt in der Menschen Brust.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327521"/>
          <fw type="header" place="top"> Victor Blüthgcn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_135" prev="#ID_134"> Es ist die Natur, die den Lyriker immer von neuem anzieht. Es wird aus dem<lb/>
Naturobjekt das für den Menschen darin schlummernde Gefühl herausgeholt. Doch<lb/>
nicht bloß das Versonnene und Grüblerische gewinnt Wort im Verse, auch die<lb/>
leidenschaftliche Weltliche, das tiefe Empfinden für Frau und Kind, die restlose<lb/>
Hingabe an Schwärmen und Arbeiten. Die Freude an der Jagd, die Träume<lb/>
der Nacht, die Sehnsucht nach der Jugend, die Erfahrungen des Lebens sprechen<lb/>
sich aus: immer eigenartig und farbig, immer klar und kräftig. Manneslyrik ist<lb/>
es, Manneslyrik, deren schwere Melancholie ein ernst verstandenes und verwaltetes<lb/>
Glücksgefühl nicht verbergen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_136"> Denn Victor Blüthgen ist ja kein Grübler, kein kopfhängerischer Philosoph,<lb/>
auch kein pedantischer Weltanschauungsprediger noch blinder Eigenbrötler, sondern<lb/>
ein Sonnen- und Sommermensch. Er sieht die Welt, wie sie ist, aber er weiß auch,<lb/>
wie Erinnerung alles Trübe und Dunkle vergoldet. Und so hat er als Dichter es<lb/>
stets für seine Aufgabe gehalten, diesen goldenen Glanz und Duft in seinen Werken<lb/>
aufzufangen und nachzubilden. Er ist nicht, was wir eine große Persönlichkeit<lb/>
nennen, aber eine Persönlichkeit in seinem Bereich ist er doch. Deshalb wird<lb/>
es auch in kommenden Zeiten immer wieder Leser geben, die einige unter¬<lb/>
haltende, geisterfüllte Stunden in der Gesellschaft dieses vornehmen, klugen,<lb/>
teilnehmenden Mannes, wie seine Prosawerke ihn zeigen, verbringen, ihre Kinder<lb/>
zu seinen Märchen führen und sich durch seine Lyrik sagen lassen mögen, wie das<lb/>
Herz weint und jubelt in der Menschen Brust.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] Victor Blüthgcn Es ist die Natur, die den Lyriker immer von neuem anzieht. Es wird aus dem Naturobjekt das für den Menschen darin schlummernde Gefühl herausgeholt. Doch nicht bloß das Versonnene und Grüblerische gewinnt Wort im Verse, auch die leidenschaftliche Weltliche, das tiefe Empfinden für Frau und Kind, die restlose Hingabe an Schwärmen und Arbeiten. Die Freude an der Jagd, die Träume der Nacht, die Sehnsucht nach der Jugend, die Erfahrungen des Lebens sprechen sich aus: immer eigenartig und farbig, immer klar und kräftig. Manneslyrik ist es, Manneslyrik, deren schwere Melancholie ein ernst verstandenes und verwaltetes Glücksgefühl nicht verbergen kann. Denn Victor Blüthgen ist ja kein Grübler, kein kopfhängerischer Philosoph, auch kein pedantischer Weltanschauungsprediger noch blinder Eigenbrötler, sondern ein Sonnen- und Sommermensch. Er sieht die Welt, wie sie ist, aber er weiß auch, wie Erinnerung alles Trübe und Dunkle vergoldet. Und so hat er als Dichter es stets für seine Aufgabe gehalten, diesen goldenen Glanz und Duft in seinen Werken aufzufangen und nachzubilden. Er ist nicht, was wir eine große Persönlichkeit nennen, aber eine Persönlichkeit in seinem Bereich ist er doch. Deshalb wird es auch in kommenden Zeiten immer wieder Leser geben, die einige unter¬ haltende, geisterfüllte Stunden in der Gesellschaft dieses vornehmen, klugen, teilnehmenden Mannes, wie seine Prosawerke ihn zeigen, verbringen, ihre Kinder zu seinen Märchen führen und sich durch seine Lyrik sagen lassen mögen, wie das Herz weint und jubelt in der Menschen Brust.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/55
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/55>, abgerufen am 29.12.2024.