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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Das preußische Grnndteilgesetz

aus deutscher und 124 903 Hektar aus polnischer Hand erworben. Namentlich
in den letzten Jahren hat die polnische Jnnenkolonisation und Besitzfestigung die
deutsche bei weitem geschlagen und das war keineswegs der Sinn jener
preußisch-deutschen Aktion, sür die jetzt rund eine Milliarde Mark ausgeworfen
worden ist.

Hier soll nun also das neue Gesetz mit Einspruchs- und Vorkaufsrecht
Hilfe bringen. Es wird bewußt darauf hingearbeitet, Käufer vom Grundstücks¬
markte zu verscheuchen. Nach der Einführung des staatlichen Vorkaufsrechts
entsteht für den Käufer jedesmal die Unsicherheit, ob er das Stück Land tat¬
sächlich behalten, oder ob der Staat in seine Stelle treten werde. Das ver¬
dirbt den Spekulationskäufern, die möglichst bald mit Gewinn weiter verkaufen
wollen, das Geschäft, vorausgesetzt, daß es dem Gesetzgeber noch gelingt, den
Umgehungen auf dem Wege der Scheinverpachtungen usw. vorzubeugen. Sie
werden, so nimmt man an, sich vom Grundstückshandel und vom Parzellieren
zurückziehen und diese Arbeit gemeinnützigen oder auch sonst anerkannt tüchtigen
Landgesellschaften überlassen müssen. Auch dadurch wird, wie man hofft, die
innere Kolonisation gefördert werden, daß die Ansiedlungskommission und die
Besiedlungsgesellschaften in Zukunft nicht, wie bislang, auf mehr oder minder
zufällige Angebote angewiesen sein werden, sondern daß sie rechtzeitigen Einblick
in die Bewegung des Gütermarktes erhalten, und alle zum Verkauf angebotenen
Güter und Grundstücksteile auf ihre Verwendbarkeit für Kolonisationszwecke
prüfen können. Auf die Art hofft man erheblich mehr Planmäßigkeit in die
Siedlungspolitik zu bringen. Ob das alles wirklich geschehen wird, und ob
alle Vorbedingungen dazu gegeben sind, darüber nachher noch einige Worte.

Zuvor seien die wichtigeren Nebenbestimmungen des Entwurfs erwähnt.
Es soll vorkaufsberechtigt sein der Staat, der sein Vorkaufsrecht auch an
Kommunalverbände abtreten kann, so daß -- eine sehr dankenswerte Neuerung --
diese um die Städte herum Ansiedlungen zu schaffen und ihren Gewerbetreibenden
ein kaufkräftiges Hinterland zu erschließen in der Lage sein werden. Ferner
können gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaften und ähnliche Vereinigungen vom
Staat als Stellvertreter eingesetzt werden. Hier muß auch den nach verstündigen
Erwerbsgrundsätzen geleiteten Landbanken ein Arbeitsfeld vorbehalten bleiben,
weil mit lauter Gemeinnützigkeit und behördlicher Vorsehung der Ersatz der
Güterschlächter im praktischen Leben nicht durchgeführt werden wird. Wir wollen
doch nicht vergessen, daß die Zunahme der Bodenzerstückelung eine Folge¬
erscheinung des Gesetzes ist, daß der Boden den Weg zum leistungsfähigsten
und tüchtigsten Wirt sucht und dieser Weg läßt sich nicht allein durch die Be¬
hörden finden. Daß den polnischen Ansiedlungsgesellschaften, ob sie nun auch
auf Gemeinnützigkeit in ihrem Sinne Anspruch erheben oder nicht, in Zukunft
kein freies Feld mehr für ihre die preußische Ausiedlungspolitik durchkreuzende
Arbeit gelassen werden darf, ist eine unerläßliche nationale Forderung und muß
mehr noch als es der Entwurf vorsieht, als klare und einwandfreie Tendenz


Das preußische Grnndteilgesetz

aus deutscher und 124 903 Hektar aus polnischer Hand erworben. Namentlich
in den letzten Jahren hat die polnische Jnnenkolonisation und Besitzfestigung die
deutsche bei weitem geschlagen und das war keineswegs der Sinn jener
preußisch-deutschen Aktion, sür die jetzt rund eine Milliarde Mark ausgeworfen
worden ist.

Hier soll nun also das neue Gesetz mit Einspruchs- und Vorkaufsrecht
Hilfe bringen. Es wird bewußt darauf hingearbeitet, Käufer vom Grundstücks¬
markte zu verscheuchen. Nach der Einführung des staatlichen Vorkaufsrechts
entsteht für den Käufer jedesmal die Unsicherheit, ob er das Stück Land tat¬
sächlich behalten, oder ob der Staat in seine Stelle treten werde. Das ver¬
dirbt den Spekulationskäufern, die möglichst bald mit Gewinn weiter verkaufen
wollen, das Geschäft, vorausgesetzt, daß es dem Gesetzgeber noch gelingt, den
Umgehungen auf dem Wege der Scheinverpachtungen usw. vorzubeugen. Sie
werden, so nimmt man an, sich vom Grundstückshandel und vom Parzellieren
zurückziehen und diese Arbeit gemeinnützigen oder auch sonst anerkannt tüchtigen
Landgesellschaften überlassen müssen. Auch dadurch wird, wie man hofft, die
innere Kolonisation gefördert werden, daß die Ansiedlungskommission und die
Besiedlungsgesellschaften in Zukunft nicht, wie bislang, auf mehr oder minder
zufällige Angebote angewiesen sein werden, sondern daß sie rechtzeitigen Einblick
in die Bewegung des Gütermarktes erhalten, und alle zum Verkauf angebotenen
Güter und Grundstücksteile auf ihre Verwendbarkeit für Kolonisationszwecke
prüfen können. Auf die Art hofft man erheblich mehr Planmäßigkeit in die
Siedlungspolitik zu bringen. Ob das alles wirklich geschehen wird, und ob
alle Vorbedingungen dazu gegeben sind, darüber nachher noch einige Worte.

Zuvor seien die wichtigeren Nebenbestimmungen des Entwurfs erwähnt.
Es soll vorkaufsberechtigt sein der Staat, der sein Vorkaufsrecht auch an
Kommunalverbände abtreten kann, so daß — eine sehr dankenswerte Neuerung —
diese um die Städte herum Ansiedlungen zu schaffen und ihren Gewerbetreibenden
ein kaufkräftiges Hinterland zu erschließen in der Lage sein werden. Ferner
können gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaften und ähnliche Vereinigungen vom
Staat als Stellvertreter eingesetzt werden. Hier muß auch den nach verstündigen
Erwerbsgrundsätzen geleiteten Landbanken ein Arbeitsfeld vorbehalten bleiben,
weil mit lauter Gemeinnützigkeit und behördlicher Vorsehung der Ersatz der
Güterschlächter im praktischen Leben nicht durchgeführt werden wird. Wir wollen
doch nicht vergessen, daß die Zunahme der Bodenzerstückelung eine Folge¬
erscheinung des Gesetzes ist, daß der Boden den Weg zum leistungsfähigsten
und tüchtigsten Wirt sucht und dieser Weg läßt sich nicht allein durch die Be¬
hörden finden. Daß den polnischen Ansiedlungsgesellschaften, ob sie nun auch
auf Gemeinnützigkeit in ihrem Sinne Anspruch erheben oder nicht, in Zukunft
kein freies Feld mehr für ihre die preußische Ausiedlungspolitik durchkreuzende
Arbeit gelassen werden darf, ist eine unerläßliche nationale Forderung und muß
mehr noch als es der Entwurf vorsieht, als klare und einwandfreie Tendenz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/544>, abgerufen am 04.01.2025.