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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Das preußische Grundteilgcsetz

1910 zur Gesetzgebung gegen Güterzertrümmerung entschlossen und bei dieser
Gelegenheit hat in der bayerischen Abgeordnetenkammer am 7. Mai 1910 der
Staatsminister von Brettreich in einer interessanten Statistik vorgeführt, daß in
den letzten zwölf Jahren die Erträge des gewerbsmäßigen Güterhandels und
die sonstigen Spesen und Zwischengewinne der bayerischen Landwirtschaft allein
bei einer Zerschlagung von 200 000 Hektar rund 90 Millionen Mark gekostet
haben, so daß allein hierdurch eine Verteuerung des Bodens um 450 Mark
für den Hektar entstanden ist. Der Landhunger muß also wie unter Umständen
jeder Hunger teuer bezahlt werden. Für Preußen wird keine eingehende
statistische Begründung gegeben, wie die Motive zum Gesetzentwurf überhaupt
etwas dünn geraten sind. Wir wissen aber, daß die Preissteigerung im Ge¬
biete der Posener Ansiedlungskommission in den letzten Jahren geradezu
^schreckend eingesetzt hat.

Es mußten als Durchschnittspreis von der Ansiedlungskommission für den
Hektar gezahlt werden:

1911 : 1095 M., oder das 134,7 fache des Grundsteuerreinertrags
1912:1400 " " ., 141,1 " "
1913:1821 " " " 173.1 " "

Die hohen Bodenpreise haben erfahrungsgemäß den ganzen Grundbesitz im
Osten mobilisiert und die Kenner von Land und Leuten erklären, daß dort viel
Wohlhabenheit, Heimatgesühl und Vaterlandsliebe dazu gehöre, nicht zu verkaufen.

schweren Schaden hat davon die innere Kolonisation. In dieser Hinsicht
heißt es in der Begründung der Vorlage zutreffend: Unter den ungesunden
Güterpreisen leidet die vom Staate betriebene oder unterstützte Ansiedlungs-
tätigkeit. Bei der gewerbsmäßigen Zerstückelung treten hinter den Geschäfts- und
Gewinnrücksichten die Rücksichten auf die Landeskultur und die Fürsorge sür
das wirtschaftliche Fortkommen der Käufer gewöhnlich zurück. Die besten und
wertvollsten Landstücke, nach denen die Hauptnachfrage besteht, werden häufig
vorweg verkauft. Es bleibt ein unwirtschaftlich zerschnittenes, von Inventar
entblößtes, mit Gebäuden überlastetes Nestgrundstück übrig. Wald wird oft
niedergeschlagen oder zur AbHolzung veräußert, der abgeholzte Boden bleibt
imaufgeforstet. Ansiedler werden auf Stellen angesetzt, die nach Größe und
Bodenarten unzweckmäßig zusammengesetzt, schlecht ausgestaltet, wenig leistungs¬
fähig und mit Schulden überlastet sind.

Bei der Posener Ansiedlungskommission war die Kalamität darin besonders
fühlbar geworden, daß ihr in der Hauptsache nur das angeboten wurde, was
die privaten Güterparzellenten und die neunundzwanzig polnischen Anstedlungs-
banken übrig gelassen hatten, und wollte sie nicht vom Enteignungsrecht Gebrauch
machen, das bei dem hohen Preisstand überaus kostspielig war, so mußte sie
nehmen, was eben angeboten wurde und das war leider Gottes hauptsächlich
deutsches Land, während polnisches zurückgehalten wurde oder einen anderen
Weg nahm. Bis Ende 1903 hat die Ansiedlungskommission 313 657 Hektar


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Das preußische Grundteilgcsetz

1910 zur Gesetzgebung gegen Güterzertrümmerung entschlossen und bei dieser
Gelegenheit hat in der bayerischen Abgeordnetenkammer am 7. Mai 1910 der
Staatsminister von Brettreich in einer interessanten Statistik vorgeführt, daß in
den letzten zwölf Jahren die Erträge des gewerbsmäßigen Güterhandels und
die sonstigen Spesen und Zwischengewinne der bayerischen Landwirtschaft allein
bei einer Zerschlagung von 200 000 Hektar rund 90 Millionen Mark gekostet
haben, so daß allein hierdurch eine Verteuerung des Bodens um 450 Mark
für den Hektar entstanden ist. Der Landhunger muß also wie unter Umständen
jeder Hunger teuer bezahlt werden. Für Preußen wird keine eingehende
statistische Begründung gegeben, wie die Motive zum Gesetzentwurf überhaupt
etwas dünn geraten sind. Wir wissen aber, daß die Preissteigerung im Ge¬
biete der Posener Ansiedlungskommission in den letzten Jahren geradezu
^schreckend eingesetzt hat.

Es mußten als Durchschnittspreis von der Ansiedlungskommission für den
Hektar gezahlt werden:

1911 : 1095 M., oder das 134,7 fache des Grundsteuerreinertrags
1912:1400 „ „ ., 141,1 „ „
1913:1821 „ „ „ 173.1 „ „

Die hohen Bodenpreise haben erfahrungsgemäß den ganzen Grundbesitz im
Osten mobilisiert und die Kenner von Land und Leuten erklären, daß dort viel
Wohlhabenheit, Heimatgesühl und Vaterlandsliebe dazu gehöre, nicht zu verkaufen.

schweren Schaden hat davon die innere Kolonisation. In dieser Hinsicht
heißt es in der Begründung der Vorlage zutreffend: Unter den ungesunden
Güterpreisen leidet die vom Staate betriebene oder unterstützte Ansiedlungs-
tätigkeit. Bei der gewerbsmäßigen Zerstückelung treten hinter den Geschäfts- und
Gewinnrücksichten die Rücksichten auf die Landeskultur und die Fürsorge sür
das wirtschaftliche Fortkommen der Käufer gewöhnlich zurück. Die besten und
wertvollsten Landstücke, nach denen die Hauptnachfrage besteht, werden häufig
vorweg verkauft. Es bleibt ein unwirtschaftlich zerschnittenes, von Inventar
entblößtes, mit Gebäuden überlastetes Nestgrundstück übrig. Wald wird oft
niedergeschlagen oder zur AbHolzung veräußert, der abgeholzte Boden bleibt
imaufgeforstet. Ansiedler werden auf Stellen angesetzt, die nach Größe und
Bodenarten unzweckmäßig zusammengesetzt, schlecht ausgestaltet, wenig leistungs¬
fähig und mit Schulden überlastet sind.

Bei der Posener Ansiedlungskommission war die Kalamität darin besonders
fühlbar geworden, daß ihr in der Hauptsache nur das angeboten wurde, was
die privaten Güterparzellenten und die neunundzwanzig polnischen Anstedlungs-
banken übrig gelassen hatten, und wollte sie nicht vom Enteignungsrecht Gebrauch
machen, das bei dem hohen Preisstand überaus kostspielig war, so mußte sie
nehmen, was eben angeboten wurde und das war leider Gottes hauptsächlich
deutsches Land, während polnisches zurückgehalten wurde oder einen anderen
Weg nahm. Bis Ende 1903 hat die Ansiedlungskommission 313 657 Hektar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/543>, abgerufen am 01.01.2025.