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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Das preußische Grundtcilgesetz

des Gesetzes herausgearbeitet werden, damit wir aus den Schwankungen der
Polenpolitik endlich zu festeren Zielen der Staatspraxis kommen.

Die Vorlage sieht sodann ein Rücktrittsrecht zum Schutz derjenigen
Käufer vor, welche mit einem Güterhändler als Verkäufer oder Käufer zu tun
hatten. Innerhalb einer Woche nach Abschluß des Vertrages oder wenn sie
den Vertrag nicht selbst abgeschlossen haben, innerhalb einer Woche nach dem
Zeitpunkt, in dem sie von dem Abschluß Kenntnis erhalten haben, dürfen sie
von den: Vertrage zurücktreten. Der Staat soll noch in letzter Stunde Um¬
gehungen des Gesetzes vorbeugen können. Damit für Arbeiterstellen Grund¬
stücksteile vom hypothekarisch belasteten Boden leichter abgetrennt werden können,
soll die Erteilung des Uuschädlichkeitszeugnisses allgemein erleichtert werden.
Ferner will der Gesetzgeber deu Arbeiter- und Handmerkerstellen zu größerer
Lebenskraft verhelfen, indem bei solchen Stellen der Nentenbcmkkredit bis
zu neun Zehntel des Taxwertes ausgedehnt werden soll. Die kleineren Leute können
dann ihr Bargeld für besseres Inventar und Vieh verwenden. Um wiederum den
Rentenbanken und Generalkommissionen mehr Bewegungsfreiheit in der Unter¬
stützung kapitalschwacher Ansiedlungen zu gewähren, soll für neuen Zwischenkredit
für die Nentengüter eine Summe von 75 Millionen Mark bereitgestellt werden.

Das ist das Wesentliche der neuen Vorschläge, über die noch einiges
Kritische zu sagen ist. Zunächst hat der organisierte Grundbesitz das Bedenken
geltend gemacht, daß die neuen Vorschriften einen staatssozialistischen Charakter
haben und den Grundbesitz entwerten würden, daß auch der reelle Güterhandel,
der schließlich doch nicht zu entbehren ist, Schaden leiden müsse, daß dem Land¬
wirt bei Verkäufen, die zur Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz nötig seien,
viel zu viel Schwierigkeiten, Zeitverschwedung und amtlicher Verkehr in den
Weg gelegt würden usw. Die größere Bodenständigkeit, die man erzielen wolle,
sei ein Schlagwort, die Beweglichkeit erkläre sich aus natürlichen Gründen und
Gesetzen des wirtschaftlichen Lebens, und im übrigen ständen bodenreformerische
und kommunistische Absichten im Hintergrunde. In der Tat scheiden sich hier
die Wege, um schwer wieder zusammenzustoßen. Die Staatseinmischung nähert
sich hier dem Höhepunkt der Entwicklungsmöglichkeit, sie ist vorangetrieben
worden einmal von der Polengefahr und von dem Zwange des Staates, in
Westpreußen und Posen auch unter Verzicht auf privatwirtschaftliche Interessen
zu germanisieren, und zum anderen durch agrarpolitische Forderungen, die bei
allen großen Nationen die Landaufteilung unter staatlicher Anregung und
Leitung und die Ansiedlung von Bauern als die wesentlichste Aufgabe der Zeit
hinstellen. Das ist als im Staatsinteresse liegend anerkannt, das den Privatinteressen
vorgehen muß. Jedenfalls läßt sich diese Bewegung bei uns ebensowenig aufhalten
wie bei anderen Völkern. Es ist aber doch zu befürworten, daß nicht alle Güter¬
verkäufer als Schmarotzerexistenzen betrachtet und behandelt, d. h. ausgeschaltet
werden. Der Staat und die bevorrechtigten Parzellierungsgesellschaften können
die vorhandenen Bedürfnisse nicht allein befriedigen, die Gttterteilung ist in einem


Das preußische Grundtcilgesetz

des Gesetzes herausgearbeitet werden, damit wir aus den Schwankungen der
Polenpolitik endlich zu festeren Zielen der Staatspraxis kommen.

Die Vorlage sieht sodann ein Rücktrittsrecht zum Schutz derjenigen
Käufer vor, welche mit einem Güterhändler als Verkäufer oder Käufer zu tun
hatten. Innerhalb einer Woche nach Abschluß des Vertrages oder wenn sie
den Vertrag nicht selbst abgeschlossen haben, innerhalb einer Woche nach dem
Zeitpunkt, in dem sie von dem Abschluß Kenntnis erhalten haben, dürfen sie
von den: Vertrage zurücktreten. Der Staat soll noch in letzter Stunde Um¬
gehungen des Gesetzes vorbeugen können. Damit für Arbeiterstellen Grund¬
stücksteile vom hypothekarisch belasteten Boden leichter abgetrennt werden können,
soll die Erteilung des Uuschädlichkeitszeugnisses allgemein erleichtert werden.
Ferner will der Gesetzgeber deu Arbeiter- und Handmerkerstellen zu größerer
Lebenskraft verhelfen, indem bei solchen Stellen der Nentenbcmkkredit bis
zu neun Zehntel des Taxwertes ausgedehnt werden soll. Die kleineren Leute können
dann ihr Bargeld für besseres Inventar und Vieh verwenden. Um wiederum den
Rentenbanken und Generalkommissionen mehr Bewegungsfreiheit in der Unter¬
stützung kapitalschwacher Ansiedlungen zu gewähren, soll für neuen Zwischenkredit
für die Nentengüter eine Summe von 75 Millionen Mark bereitgestellt werden.

Das ist das Wesentliche der neuen Vorschläge, über die noch einiges
Kritische zu sagen ist. Zunächst hat der organisierte Grundbesitz das Bedenken
geltend gemacht, daß die neuen Vorschriften einen staatssozialistischen Charakter
haben und den Grundbesitz entwerten würden, daß auch der reelle Güterhandel,
der schließlich doch nicht zu entbehren ist, Schaden leiden müsse, daß dem Land¬
wirt bei Verkäufen, die zur Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz nötig seien,
viel zu viel Schwierigkeiten, Zeitverschwedung und amtlicher Verkehr in den
Weg gelegt würden usw. Die größere Bodenständigkeit, die man erzielen wolle,
sei ein Schlagwort, die Beweglichkeit erkläre sich aus natürlichen Gründen und
Gesetzen des wirtschaftlichen Lebens, und im übrigen ständen bodenreformerische
und kommunistische Absichten im Hintergrunde. In der Tat scheiden sich hier
die Wege, um schwer wieder zusammenzustoßen. Die Staatseinmischung nähert
sich hier dem Höhepunkt der Entwicklungsmöglichkeit, sie ist vorangetrieben
worden einmal von der Polengefahr und von dem Zwange des Staates, in
Westpreußen und Posen auch unter Verzicht auf privatwirtschaftliche Interessen
zu germanisieren, und zum anderen durch agrarpolitische Forderungen, die bei
allen großen Nationen die Landaufteilung unter staatlicher Anregung und
Leitung und die Ansiedlung von Bauern als die wesentlichste Aufgabe der Zeit
hinstellen. Das ist als im Staatsinteresse liegend anerkannt, das den Privatinteressen
vorgehen muß. Jedenfalls läßt sich diese Bewegung bei uns ebensowenig aufhalten
wie bei anderen Völkern. Es ist aber doch zu befürworten, daß nicht alle Güter¬
verkäufer als Schmarotzerexistenzen betrachtet und behandelt, d. h. ausgeschaltet
werden. Der Staat und die bevorrechtigten Parzellierungsgesellschaften können
die vorhandenen Bedürfnisse nicht allein befriedigen, die Gttterteilung ist in einem


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[0545] Das preußische Grundtcilgesetz des Gesetzes herausgearbeitet werden, damit wir aus den Schwankungen der Polenpolitik endlich zu festeren Zielen der Staatspraxis kommen. Die Vorlage sieht sodann ein Rücktrittsrecht zum Schutz derjenigen Käufer vor, welche mit einem Güterhändler als Verkäufer oder Käufer zu tun hatten. Innerhalb einer Woche nach Abschluß des Vertrages oder wenn sie den Vertrag nicht selbst abgeschlossen haben, innerhalb einer Woche nach dem Zeitpunkt, in dem sie von dem Abschluß Kenntnis erhalten haben, dürfen sie von den: Vertrage zurücktreten. Der Staat soll noch in letzter Stunde Um¬ gehungen des Gesetzes vorbeugen können. Damit für Arbeiterstellen Grund¬ stücksteile vom hypothekarisch belasteten Boden leichter abgetrennt werden können, soll die Erteilung des Uuschädlichkeitszeugnisses allgemein erleichtert werden. Ferner will der Gesetzgeber deu Arbeiter- und Handmerkerstellen zu größerer Lebenskraft verhelfen, indem bei solchen Stellen der Nentenbcmkkredit bis zu neun Zehntel des Taxwertes ausgedehnt werden soll. Die kleineren Leute können dann ihr Bargeld für besseres Inventar und Vieh verwenden. Um wiederum den Rentenbanken und Generalkommissionen mehr Bewegungsfreiheit in der Unter¬ stützung kapitalschwacher Ansiedlungen zu gewähren, soll für neuen Zwischenkredit für die Nentengüter eine Summe von 75 Millionen Mark bereitgestellt werden. Das ist das Wesentliche der neuen Vorschläge, über die noch einiges Kritische zu sagen ist. Zunächst hat der organisierte Grundbesitz das Bedenken geltend gemacht, daß die neuen Vorschriften einen staatssozialistischen Charakter haben und den Grundbesitz entwerten würden, daß auch der reelle Güterhandel, der schließlich doch nicht zu entbehren ist, Schaden leiden müsse, daß dem Land¬ wirt bei Verkäufen, die zur Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz nötig seien, viel zu viel Schwierigkeiten, Zeitverschwedung und amtlicher Verkehr in den Weg gelegt würden usw. Die größere Bodenständigkeit, die man erzielen wolle, sei ein Schlagwort, die Beweglichkeit erkläre sich aus natürlichen Gründen und Gesetzen des wirtschaftlichen Lebens, und im übrigen ständen bodenreformerische und kommunistische Absichten im Hintergrunde. In der Tat scheiden sich hier die Wege, um schwer wieder zusammenzustoßen. Die Staatseinmischung nähert sich hier dem Höhepunkt der Entwicklungsmöglichkeit, sie ist vorangetrieben worden einmal von der Polengefahr und von dem Zwange des Staates, in Westpreußen und Posen auch unter Verzicht auf privatwirtschaftliche Interessen zu germanisieren, und zum anderen durch agrarpolitische Forderungen, die bei allen großen Nationen die Landaufteilung unter staatlicher Anregung und Leitung und die Ansiedlung von Bauern als die wesentlichste Aufgabe der Zeit hinstellen. Das ist als im Staatsinteresse liegend anerkannt, das den Privatinteressen vorgehen muß. Jedenfalls läßt sich diese Bewegung bei uns ebensowenig aufhalten wie bei anderen Völkern. Es ist aber doch zu befürworten, daß nicht alle Güter¬ verkäufer als Schmarotzerexistenzen betrachtet und behandelt, d. h. ausgeschaltet werden. Der Staat und die bevorrechtigten Parzellierungsgesellschaften können die vorhandenen Bedürfnisse nicht allein befriedigen, die Gttterteilung ist in einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/545>, abgerufen am 04.01.2025.