Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Das preußische Grundteilgesotz Privatpersonen und Parzellierungsgescllschaften, denen die staatliche Autorisierung Begründet wird der neue Eingriff in die Gewerbefreiheit der Güter- Das preußische Grundteilgesotz Privatpersonen und Parzellierungsgescllschaften, denen die staatliche Autorisierung Begründet wird der neue Eingriff in die Gewerbefreiheit der Güter- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0542" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328008"/> <fw type="header" place="top"> Das preußische Grundteilgesotz</fw><lb/> <p xml:id="ID_2529" prev="#ID_2528"> Privatpersonen und Parzellierungsgescllschaften, denen die staatliche Autorisierung<lb/> fehlt, die Zerschlagung land- und forstwirtschaftlicher Besitzungen nicht ohne Ge¬<lb/> nehmigung des Regierungspräsidenten vornehmen oder vermitteln dürfen. Die<lb/> Genehmigung kann allerdings nur versagt werden, wenn die Zerschlagung oder<lb/> Abtrennung mit „einer den gemeinwirtschaftlichen Interessen entsprechenden<lb/> Grundbesitzverteilung und besonders mit den Zielen der staatlich geförderten<lb/> inneren Kolonisation nicht vereinbar ist" (Einspruchsrecht). Hierunter fallen<lb/> auch die Adjazentenkänfe der polnischen Parzellierungsbanken, die bisher so er¬<lb/> folgreich der preußisch - deutschen Kolonisationsarbeit Hindernisse in den Weg<lb/> gelegt haben. Ferner soll in den Provinzen, die für innere Kolonisation in<lb/> größerem Umfange in Betracht kommen, nämlich in Ost- und Westpreußen,<lb/> Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Hannover, dem Staat<lb/> bei land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen von mehr als 10 Hektar Größe<lb/> ein gesetzliches Vorkaufsrecht zustehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2530" next="#ID_2531"> Begründet wird der neue Eingriff in die Gewerbefreiheit der Güter-<lb/> schlüchter und in die Verfügungsfreiheit des Grundbesitzes mit der Über¬<lb/> spekulation auf dem Grundstücksmarkt, die in der Tat die in Hannover be¬<lb/> gonnene Kolonisation der Moore und Heiden lahmzulegen droht und das<lb/> Ansiedlungswerk in Posen und Westpreußen und nahezu erdrückenden Kosten<lb/> belastet. Den: letzteren konnte das Enteignungsgesetz auch nicht viel helfen;<lb/> wegen dessen Nichtanwendung sind dem Landwirtschaftsmiuister heute Vorwürfe<lb/> gemacht worden, sie lassen sich aber teilweise mit der unerhörten Preisverschiebung<lb/> erklären, die wir im Osten der preußischen Monarchie auf den: Gütermarkte<lb/> erlebt haben und die auch die größten Enthusiasten für die innere Kolonisation<lb/> stutzig machen mußten. Die Preishausse ist keineswegs allein durch die Zoll¬<lb/> politik und durch den Landhunger städtischer Amateure für Rittergüter herbei¬<lb/> geführt, sondern besonders durch das Zwischenhandelsgeschäft der gewerbs¬<lb/> mäßigen Güterteiler, in deren Interesse es liegt, möglichst viel und oft<lb/> umzusetzen und dafür zu sorgen, daß Angebot und Nachfrage auf dem Güter^-<lb/> marke auch über das natürliche Maß hinaus rege sei und der lebhafteste Besitz¬<lb/> wechsel herrsche. Ju Posen und Westpreußen sind von 1890 bis 1912 rund<lb/> dreiundzwanzigtausendachthundert private Grundstücksteilungen mit einer Teilungs¬<lb/> fläche von über 930000 Hektar gezählt worden. Es werden vielfach Leute zum<lb/> Aufgeben des Besitzes durch lebhaften Zuspruch der Parzellanten ermuntert<lb/> und in Tausch und Schiebung verwickelt, die vorher kaum daran gedacht haben;<lb/> anderseits wird demi parzellenhungrigen Publikum das aufgeteilte Land fo ver¬<lb/> lockend angepriesen, bis es die vom Güterteiler verlangten Preise zahlt. Diese<lb/> Preise bestimmen dann den Markt und nehmen einen Normalcharakter an,<lb/> bis Verkehrswert und Ertragswert nicht mehr im Einklang miteinander stehen.<lb/> Im Notfall wird das Kaufgeld gestundet und damit das Grundstück belastet;<lb/> es wird also überschüttet und muß bald wieder veräußert werden und behält die<lb/> vom Güterteiler gewünschte Beweglichkeit bei. In Bayern Hut man sich schon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0542]
Das preußische Grundteilgesotz
Privatpersonen und Parzellierungsgescllschaften, denen die staatliche Autorisierung
fehlt, die Zerschlagung land- und forstwirtschaftlicher Besitzungen nicht ohne Ge¬
nehmigung des Regierungspräsidenten vornehmen oder vermitteln dürfen. Die
Genehmigung kann allerdings nur versagt werden, wenn die Zerschlagung oder
Abtrennung mit „einer den gemeinwirtschaftlichen Interessen entsprechenden
Grundbesitzverteilung und besonders mit den Zielen der staatlich geförderten
inneren Kolonisation nicht vereinbar ist" (Einspruchsrecht). Hierunter fallen
auch die Adjazentenkänfe der polnischen Parzellierungsbanken, die bisher so er¬
folgreich der preußisch - deutschen Kolonisationsarbeit Hindernisse in den Weg
gelegt haben. Ferner soll in den Provinzen, die für innere Kolonisation in
größerem Umfange in Betracht kommen, nämlich in Ost- und Westpreußen,
Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Hannover, dem Staat
bei land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen von mehr als 10 Hektar Größe
ein gesetzliches Vorkaufsrecht zustehen.
Begründet wird der neue Eingriff in die Gewerbefreiheit der Güter-
schlüchter und in die Verfügungsfreiheit des Grundbesitzes mit der Über¬
spekulation auf dem Grundstücksmarkt, die in der Tat die in Hannover be¬
gonnene Kolonisation der Moore und Heiden lahmzulegen droht und das
Ansiedlungswerk in Posen und Westpreußen und nahezu erdrückenden Kosten
belastet. Den: letzteren konnte das Enteignungsgesetz auch nicht viel helfen;
wegen dessen Nichtanwendung sind dem Landwirtschaftsmiuister heute Vorwürfe
gemacht worden, sie lassen sich aber teilweise mit der unerhörten Preisverschiebung
erklären, die wir im Osten der preußischen Monarchie auf den: Gütermarkte
erlebt haben und die auch die größten Enthusiasten für die innere Kolonisation
stutzig machen mußten. Die Preishausse ist keineswegs allein durch die Zoll¬
politik und durch den Landhunger städtischer Amateure für Rittergüter herbei¬
geführt, sondern besonders durch das Zwischenhandelsgeschäft der gewerbs¬
mäßigen Güterteiler, in deren Interesse es liegt, möglichst viel und oft
umzusetzen und dafür zu sorgen, daß Angebot und Nachfrage auf dem Güter^-
marke auch über das natürliche Maß hinaus rege sei und der lebhafteste Besitz¬
wechsel herrsche. Ju Posen und Westpreußen sind von 1890 bis 1912 rund
dreiundzwanzigtausendachthundert private Grundstücksteilungen mit einer Teilungs¬
fläche von über 930000 Hektar gezählt worden. Es werden vielfach Leute zum
Aufgeben des Besitzes durch lebhaften Zuspruch der Parzellanten ermuntert
und in Tausch und Schiebung verwickelt, die vorher kaum daran gedacht haben;
anderseits wird demi parzellenhungrigen Publikum das aufgeteilte Land fo ver¬
lockend angepriesen, bis es die vom Güterteiler verlangten Preise zahlt. Diese
Preise bestimmen dann den Markt und nehmen einen Normalcharakter an,
bis Verkehrswert und Ertragswert nicht mehr im Einklang miteinander stehen.
Im Notfall wird das Kaufgeld gestundet und damit das Grundstück belastet;
es wird also überschüttet und muß bald wieder veräußert werden und behält die
vom Güterteiler gewünschte Beweglichkeit bei. In Bayern Hut man sich schon
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