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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

In Manen lagen noch mehr Verwundete und am anderen Morgen war
der Feldscher schon dorthin aufgebrochen, während Heilwig ungeduldig ihres
Vaters harrte, der sich ins Kloster begeben hatte, wohin auch der Herzog von
Lothringen gekommen war. Gab es dort einen Kriegsrat, oder was hatten
die Herren vor? Ungeduldig stand die Jungfrau neben ihrem aufgeschirrten
Pferde, das einer der Knechte des Herzogs hielt. Er hieß Peter und hatte
ein schlaues, lustiges Gesicht. Der Herzog hatte ihn diesmal nicht mit in die
Bataille genommen, und er schien nicht ungehalten darüber zu sein.

"Man kriegt ja nicht gerade was ab, wenn man dicht hinter seine Gnaden
reitet!" vertraute er Heilwig an, "aber der gnädige Herr ist bloß nicht auf
einer Stelle zu halten, und dann kriegt man 'nen Hieb, hast du nicht gesehen!"

Und er zeigte eine mächtige Schmarre, die über seinen Hals lief.

"Ich wünschte, der Herr Vater käme!" sagte Heilwig ungeduldig, und Peter
wischte sich die Stumpfnase.

"Der gnädige Herzog von Lothringen ist angekommen, mit dem gibt es
immer so viel zu reden, der läßt die Herren nicht los. Sein einer Pferde¬
knecht ist aus Pinneberg in Holstein. Der sagt, seine Gnaden will vom Abt
hier noch mehr Geld haben, wegen der Verteidigung des Klosters. Und seine
Hochwürden will nichts mehr geben, hat schon ordentlich ausgespuckt."

"Ich will reiten!" rief Heilwig ärgerlich.

"Ein Ende kann ich schon mit!" meinte Peter. "Ich soll ja hier bei
den Pferden bleiben, aber die haben keinen Hafer mehr. Da muß ich doch mal
nachsehen, wo ich welchen kriegen kann. Und sonst auch -- wenn die Leute
hier wollen, daß wir sie vor den Feinden schützen, müssen sie uns gute Sachen
zu essen geben!"

Er hob Heilwig in den Sattel, holte sein eigenes Pferd, dem er eine An¬
zahl leerer Säcke über die Kruppe legte und zeigte einen Weg, der bergab führte.

"Reitet nur voran, Fräulein, ich bin hinter Euch, und meine Büchse ist
geladen!"

Langsam ging es auf steinigem Weg in ein Dorf, das ausgestorben schien.
An einem ummauerten Hof stand ein Pferd angebunden und wieherte, als es
die Reiter kommen sah. Peter stieg ab und nahm das Tier an den Zügel.

"Ein sehr ordentliches Tier!" sagte er wohlwollend. "Ich habe gerade
schon gedacht, wir müßten ein paar frische Gäule haben! Will das Fräulein das
Tier an die Hand nehmen, ich sehe im Stall nach, ob ich nicht gleich Hafer finde!"

Aber Heilwig wurde böse.

"Du sollst hier nicht rauben, Peter! Laß das Pferd wo es war und
komm mit mir! Du mußt mich nun nach Manen bringen!"

Peter stand unschlüssig.

"Fräulein, wozu kämpfen wir hier für die Papisten, wenn wir uns nichts
von ihnen nehmen sollen? Ich muß Hafer haben und das Pferd kommt mir
auch zu paß!"


Grenzboten I 1914 33
Die Hexe von Mayen

In Manen lagen noch mehr Verwundete und am anderen Morgen war
der Feldscher schon dorthin aufgebrochen, während Heilwig ungeduldig ihres
Vaters harrte, der sich ins Kloster begeben hatte, wohin auch der Herzog von
Lothringen gekommen war. Gab es dort einen Kriegsrat, oder was hatten
die Herren vor? Ungeduldig stand die Jungfrau neben ihrem aufgeschirrten
Pferde, das einer der Knechte des Herzogs hielt. Er hieß Peter und hatte
ein schlaues, lustiges Gesicht. Der Herzog hatte ihn diesmal nicht mit in die
Bataille genommen, und er schien nicht ungehalten darüber zu sein.

„Man kriegt ja nicht gerade was ab, wenn man dicht hinter seine Gnaden
reitet!" vertraute er Heilwig an, „aber der gnädige Herr ist bloß nicht auf
einer Stelle zu halten, und dann kriegt man 'nen Hieb, hast du nicht gesehen!"

Und er zeigte eine mächtige Schmarre, die über seinen Hals lief.

„Ich wünschte, der Herr Vater käme!" sagte Heilwig ungeduldig, und Peter
wischte sich die Stumpfnase.

„Der gnädige Herzog von Lothringen ist angekommen, mit dem gibt es
immer so viel zu reden, der läßt die Herren nicht los. Sein einer Pferde¬
knecht ist aus Pinneberg in Holstein. Der sagt, seine Gnaden will vom Abt
hier noch mehr Geld haben, wegen der Verteidigung des Klosters. Und seine
Hochwürden will nichts mehr geben, hat schon ordentlich ausgespuckt."

„Ich will reiten!" rief Heilwig ärgerlich.

„Ein Ende kann ich schon mit!" meinte Peter. „Ich soll ja hier bei
den Pferden bleiben, aber die haben keinen Hafer mehr. Da muß ich doch mal
nachsehen, wo ich welchen kriegen kann. Und sonst auch — wenn die Leute
hier wollen, daß wir sie vor den Feinden schützen, müssen sie uns gute Sachen
zu essen geben!"

Er hob Heilwig in den Sattel, holte sein eigenes Pferd, dem er eine An¬
zahl leerer Säcke über die Kruppe legte und zeigte einen Weg, der bergab führte.

„Reitet nur voran, Fräulein, ich bin hinter Euch, und meine Büchse ist
geladen!"

Langsam ging es auf steinigem Weg in ein Dorf, das ausgestorben schien.
An einem ummauerten Hof stand ein Pferd angebunden und wieherte, als es
die Reiter kommen sah. Peter stieg ab und nahm das Tier an den Zügel.

„Ein sehr ordentliches Tier!" sagte er wohlwollend. „Ich habe gerade
schon gedacht, wir müßten ein paar frische Gäule haben! Will das Fräulein das
Tier an die Hand nehmen, ich sehe im Stall nach, ob ich nicht gleich Hafer finde!"

Aber Heilwig wurde böse.

„Du sollst hier nicht rauben, Peter! Laß das Pferd wo es war und
komm mit mir! Du mußt mich nun nach Manen bringen!"

Peter stand unschlüssig.

„Fräulein, wozu kämpfen wir hier für die Papisten, wenn wir uns nichts
von ihnen nehmen sollen? Ich muß Hafer haben und das Pferd kommt mir
auch zu paß!"


Grenzboten I 1914 33
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[0525] Die Hexe von Mayen In Manen lagen noch mehr Verwundete und am anderen Morgen war der Feldscher schon dorthin aufgebrochen, während Heilwig ungeduldig ihres Vaters harrte, der sich ins Kloster begeben hatte, wohin auch der Herzog von Lothringen gekommen war. Gab es dort einen Kriegsrat, oder was hatten die Herren vor? Ungeduldig stand die Jungfrau neben ihrem aufgeschirrten Pferde, das einer der Knechte des Herzogs hielt. Er hieß Peter und hatte ein schlaues, lustiges Gesicht. Der Herzog hatte ihn diesmal nicht mit in die Bataille genommen, und er schien nicht ungehalten darüber zu sein. „Man kriegt ja nicht gerade was ab, wenn man dicht hinter seine Gnaden reitet!" vertraute er Heilwig an, „aber der gnädige Herr ist bloß nicht auf einer Stelle zu halten, und dann kriegt man 'nen Hieb, hast du nicht gesehen!" Und er zeigte eine mächtige Schmarre, die über seinen Hals lief. „Ich wünschte, der Herr Vater käme!" sagte Heilwig ungeduldig, und Peter wischte sich die Stumpfnase. „Der gnädige Herzog von Lothringen ist angekommen, mit dem gibt es immer so viel zu reden, der läßt die Herren nicht los. Sein einer Pferde¬ knecht ist aus Pinneberg in Holstein. Der sagt, seine Gnaden will vom Abt hier noch mehr Geld haben, wegen der Verteidigung des Klosters. Und seine Hochwürden will nichts mehr geben, hat schon ordentlich ausgespuckt." „Ich will reiten!" rief Heilwig ärgerlich. „Ein Ende kann ich schon mit!" meinte Peter. „Ich soll ja hier bei den Pferden bleiben, aber die haben keinen Hafer mehr. Da muß ich doch mal nachsehen, wo ich welchen kriegen kann. Und sonst auch — wenn die Leute hier wollen, daß wir sie vor den Feinden schützen, müssen sie uns gute Sachen zu essen geben!" Er hob Heilwig in den Sattel, holte sein eigenes Pferd, dem er eine An¬ zahl leerer Säcke über die Kruppe legte und zeigte einen Weg, der bergab führte. „Reitet nur voran, Fräulein, ich bin hinter Euch, und meine Büchse ist geladen!" Langsam ging es auf steinigem Weg in ein Dorf, das ausgestorben schien. An einem ummauerten Hof stand ein Pferd angebunden und wieherte, als es die Reiter kommen sah. Peter stieg ab und nahm das Tier an den Zügel. „Ein sehr ordentliches Tier!" sagte er wohlwollend. „Ich habe gerade schon gedacht, wir müßten ein paar frische Gäule haben! Will das Fräulein das Tier an die Hand nehmen, ich sehe im Stall nach, ob ich nicht gleich Hafer finde!" Aber Heilwig wurde böse. „Du sollst hier nicht rauben, Peter! Laß das Pferd wo es war und komm mit mir! Du mußt mich nun nach Manen bringen!" Peter stand unschlüssig. „Fräulein, wozu kämpfen wir hier für die Papisten, wenn wir uns nichts von ihnen nehmen sollen? Ich muß Hafer haben und das Pferd kommt mir auch zu paß!" Grenzboten I 1914 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/525>, abgerufen am 04.01.2025.