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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Der Gedanke, den Dr. Schlenker aus¬
spricht, ein Oberhaus im Reiche zu schaffen
mit der einzigen Absicht, dein Gewerbe eine
staatsrechtliche Organisation gegen den Reichs¬
tag und der Regierung in dieser eine Stütze
zu bieten, ist noch nicht erörtert worden.
Aber auch auf ein solches Oberhaus treffen
die Bedenken zu, die Bismarck schon 1867
geäußert hat. Bismarck hat sich gerade über
diese Seite der Frage damals in folgender
Weise ausgesprochen: "Es ist mir an und
für sich nicht leicht, mir ein deutsches Ober¬
haus zu denken, das man einschicken könnte
zwischen dem Bundesrat, der, ich wiederhole
es, vollkommen unentbehrlich ist, als die¬
jenige Stelle, wo die Souveränität der
Einzelstaaten fortfährt, ihren Ausdruck zu
finden, das man also einschieben könnte
zwischen diesen Bundesrat und diesen Reichs¬
tag, ein Mittelglied, welches dem Reichstag
in seiner Bedeutung auf der sozialen Stufen¬
leiter einigermaßen überlegen wäre und dein
Bundesrate und dessen Vollmachtgebern hin¬
reichend nachstünde, um die Klassifikation zu
rechtfertigen. ... Der Bundesrat repräsen¬
tiert bis zu einem gewissen Grade ein Ober¬
haus, in welchen? Se. Majestät von Preußen
pnmus inter pares ist, und in welchem der¬
jenige Überrest des hohen deutschen Adels,
der seine Landeshoheit bewahrt hat, seinen
Platz findet. Dieses Oberhaus nun dadurch
zu vervollständigen, daß man ihm nichtsouve¬
räne Mitglieder beifügt, halte ich Prakisch für
Zu schwierig, um die Ausführung zu ver¬
suchen. Dieses souveräne Oberhaus aber in
seinen Bestandteilen außerhalb des Präsidiums
soweit herunterzudrücken, daß es einer Pairs-
kammer ähnlich würde, die von unten ver¬
vollständigt werden könnte, halte ich für un¬
möglich, und ich würde niemals wagen, das
einem Herrn gegenüber, wie der König von
Sachsen ist, auch nur anzudeuten----"

Man hat nicht selten gesagt, der Bundes¬
rat sei ein Neichsoberhaus. Das ist, worauf
schon der Mangel öffentlicher allgemeiner Ver¬
handlungen hinweist, nicht richtig. Laband
sagt: "Der Typus des Staatenbundes sei im
Bundesrat beibehalten, durch ihn werde das
förderative Element der Bundesverfassung ver¬
wirklicht. Daneben wurde aber der Bundes¬
rat mit staatlichem Charakter, einer souveränen

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Stellung über den Einzelstaaten u. a. aus¬
gestattet. Er erlangte damit die Stellung
eines Organes des Bundesstaates. Der
Bundesrat steht zu jeder Art von Parla¬
mentarischer Körperschaft in schroffsten Gegen¬
satz, denn die Mitglieder stimmen nicht nach
freier individueller Überzeugung, sondern nach
den ihnen erteilten Instruktionen und sind
ihrer Regierung verantwortlich für ihr Ver¬
halten im Bundesrat. Gleichwohl ist es
nicht ausgeschlossen, daß der Bundesrat tat¬
sächlich im Reiche in einzelnen Richtungen
ähnliche Dienste Wohl zu leisten vermag, wie
sie von einem Oberhause oder Staatenhause
geleistet werden können." Solche Dienste
leistet der Bundesrat tatsächlich. Es ist gar
nicht zu bestreiten, daß es zu einer starken
Verwicklung des Verwaltungsapparates im
Deutschen Reiche führen würde, wenn zwischen
Bundesrat und Reichstag noch ein Oberhaus
eingeschoben würde, von dem nicht erhofft
werden kann, daß es einem aus allgemeinen
Wahlen hervorgegangenen Reichstage die
Wage halten würde. Was oben Bismarck
von den Hemmungen der Staatsverwaltung
sagte, würde offenbar noch viel mehr von
einem Oberhause gelten, das geradezu mit
der Absicht gegründet würde, dem Reichstage
entgegenzutreten.

Über die Zusammensetzung eines solchen
Oberhauses spricht Dr. Schlenker nicht.
Aber diese Frage ist sehr wichtig. Nach
der Art der Ersten Kammer der Landtage
kann man ein Oberhaus im Reiche offenbar
nicht einrichten, denn im Reichsoberhause
verlangen selbstverständlich die Bundesstaaten
als solche eine Vertretung. Deren Wahl oder
Präsentation könnte man den Landtagen über¬
tragen. Wer sonst noch ein Präsentationsrecht
nach der Art erhalten sollte, wie es etwa im
Z 4 der Verordnung über die Bildung der
Ersten Kammer in Preußen vom 12. Oktober
1864 (Verband der rittergutsbesitzenden
Grafen in jeder Provinz, Verbände der be¬
sonders dazu begnadigten Geschlechter mit
ausgebreitetem Familienbesitz, Verbände des
alten und befestigten Grundbesitzes, Landes¬
universitäten, Städte) festgelegt ist, bleibt
ungewiß. Beim Reichsoberhause müßten Wohl
die großen Industrie- und Handelsverbände
zum Vorschlag berechtigt werden. Weiter

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Der Gedanke, den Dr. Schlenker aus¬
spricht, ein Oberhaus im Reiche zu schaffen
mit der einzigen Absicht, dein Gewerbe eine
staatsrechtliche Organisation gegen den Reichs¬
tag und der Regierung in dieser eine Stütze
zu bieten, ist noch nicht erörtert worden.
Aber auch auf ein solches Oberhaus treffen
die Bedenken zu, die Bismarck schon 1867
geäußert hat. Bismarck hat sich gerade über
diese Seite der Frage damals in folgender
Weise ausgesprochen: „Es ist mir an und
für sich nicht leicht, mir ein deutsches Ober¬
haus zu denken, das man einschicken könnte
zwischen dem Bundesrat, der, ich wiederhole
es, vollkommen unentbehrlich ist, als die¬
jenige Stelle, wo die Souveränität der
Einzelstaaten fortfährt, ihren Ausdruck zu
finden, das man also einschieben könnte
zwischen diesen Bundesrat und diesen Reichs¬
tag, ein Mittelglied, welches dem Reichstag
in seiner Bedeutung auf der sozialen Stufen¬
leiter einigermaßen überlegen wäre und dein
Bundesrate und dessen Vollmachtgebern hin¬
reichend nachstünde, um die Klassifikation zu
rechtfertigen. ... Der Bundesrat repräsen¬
tiert bis zu einem gewissen Grade ein Ober¬
haus, in welchen? Se. Majestät von Preußen
pnmus inter pares ist, und in welchem der¬
jenige Überrest des hohen deutschen Adels,
der seine Landeshoheit bewahrt hat, seinen
Platz findet. Dieses Oberhaus nun dadurch
zu vervollständigen, daß man ihm nichtsouve¬
räne Mitglieder beifügt, halte ich Prakisch für
Zu schwierig, um die Ausführung zu ver¬
suchen. Dieses souveräne Oberhaus aber in
seinen Bestandteilen außerhalb des Präsidiums
soweit herunterzudrücken, daß es einer Pairs-
kammer ähnlich würde, die von unten ver¬
vollständigt werden könnte, halte ich für un¬
möglich, und ich würde niemals wagen, das
einem Herrn gegenüber, wie der König von
Sachsen ist, auch nur anzudeuten----"

Man hat nicht selten gesagt, der Bundes¬
rat sei ein Neichsoberhaus. Das ist, worauf
schon der Mangel öffentlicher allgemeiner Ver¬
handlungen hinweist, nicht richtig. Laband
sagt: „Der Typus des Staatenbundes sei im
Bundesrat beibehalten, durch ihn werde das
förderative Element der Bundesverfassung ver¬
wirklicht. Daneben wurde aber der Bundes¬
rat mit staatlichem Charakter, einer souveränen

[Spaltenumbruch]

Stellung über den Einzelstaaten u. a. aus¬
gestattet. Er erlangte damit die Stellung
eines Organes des Bundesstaates. Der
Bundesrat steht zu jeder Art von Parla¬
mentarischer Körperschaft in schroffsten Gegen¬
satz, denn die Mitglieder stimmen nicht nach
freier individueller Überzeugung, sondern nach
den ihnen erteilten Instruktionen und sind
ihrer Regierung verantwortlich für ihr Ver¬
halten im Bundesrat. Gleichwohl ist es
nicht ausgeschlossen, daß der Bundesrat tat¬
sächlich im Reiche in einzelnen Richtungen
ähnliche Dienste Wohl zu leisten vermag, wie
sie von einem Oberhause oder Staatenhause
geleistet werden können." Solche Dienste
leistet der Bundesrat tatsächlich. Es ist gar
nicht zu bestreiten, daß es zu einer starken
Verwicklung des Verwaltungsapparates im
Deutschen Reiche führen würde, wenn zwischen
Bundesrat und Reichstag noch ein Oberhaus
eingeschoben würde, von dem nicht erhofft
werden kann, daß es einem aus allgemeinen
Wahlen hervorgegangenen Reichstage die
Wage halten würde. Was oben Bismarck
von den Hemmungen der Staatsverwaltung
sagte, würde offenbar noch viel mehr von
einem Oberhause gelten, das geradezu mit
der Absicht gegründet würde, dem Reichstage
entgegenzutreten.

Über die Zusammensetzung eines solchen
Oberhauses spricht Dr. Schlenker nicht.
Aber diese Frage ist sehr wichtig. Nach
der Art der Ersten Kammer der Landtage
kann man ein Oberhaus im Reiche offenbar
nicht einrichten, denn im Reichsoberhause
verlangen selbstverständlich die Bundesstaaten
als solche eine Vertretung. Deren Wahl oder
Präsentation könnte man den Landtagen über¬
tragen. Wer sonst noch ein Präsentationsrecht
nach der Art erhalten sollte, wie es etwa im
Z 4 der Verordnung über die Bildung der
Ersten Kammer in Preußen vom 12. Oktober
1864 (Verband der rittergutsbesitzenden
Grafen in jeder Provinz, Verbände der be¬
sonders dazu begnadigten Geschlechter mit
ausgebreitetem Familienbesitz, Verbände des
alten und befestigten Grundbesitzes, Landes¬
universitäten, Städte) festgelegt ist, bleibt
ungewiß. Beim Reichsoberhause müßten Wohl
die großen Industrie- und Handelsverbände
zum Vorschlag berechtigt werden. Weiter

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[0485] Maßgebliches und Unmaßgebliches Der Gedanke, den Dr. Schlenker aus¬ spricht, ein Oberhaus im Reiche zu schaffen mit der einzigen Absicht, dein Gewerbe eine staatsrechtliche Organisation gegen den Reichs¬ tag und der Regierung in dieser eine Stütze zu bieten, ist noch nicht erörtert worden. Aber auch auf ein solches Oberhaus treffen die Bedenken zu, die Bismarck schon 1867 geäußert hat. Bismarck hat sich gerade über diese Seite der Frage damals in folgender Weise ausgesprochen: „Es ist mir an und für sich nicht leicht, mir ein deutsches Ober¬ haus zu denken, das man einschicken könnte zwischen dem Bundesrat, der, ich wiederhole es, vollkommen unentbehrlich ist, als die¬ jenige Stelle, wo die Souveränität der Einzelstaaten fortfährt, ihren Ausdruck zu finden, das man also einschieben könnte zwischen diesen Bundesrat und diesen Reichs¬ tag, ein Mittelglied, welches dem Reichstag in seiner Bedeutung auf der sozialen Stufen¬ leiter einigermaßen überlegen wäre und dein Bundesrate und dessen Vollmachtgebern hin¬ reichend nachstünde, um die Klassifikation zu rechtfertigen. ... Der Bundesrat repräsen¬ tiert bis zu einem gewissen Grade ein Ober¬ haus, in welchen? Se. Majestät von Preußen pnmus inter pares ist, und in welchem der¬ jenige Überrest des hohen deutschen Adels, der seine Landeshoheit bewahrt hat, seinen Platz findet. Dieses Oberhaus nun dadurch zu vervollständigen, daß man ihm nichtsouve¬ räne Mitglieder beifügt, halte ich Prakisch für Zu schwierig, um die Ausführung zu ver¬ suchen. Dieses souveräne Oberhaus aber in seinen Bestandteilen außerhalb des Präsidiums soweit herunterzudrücken, daß es einer Pairs- kammer ähnlich würde, die von unten ver¬ vollständigt werden könnte, halte ich für un¬ möglich, und ich würde niemals wagen, das einem Herrn gegenüber, wie der König von Sachsen ist, auch nur anzudeuten----" Man hat nicht selten gesagt, der Bundes¬ rat sei ein Neichsoberhaus. Das ist, worauf schon der Mangel öffentlicher allgemeiner Ver¬ handlungen hinweist, nicht richtig. Laband sagt: „Der Typus des Staatenbundes sei im Bundesrat beibehalten, durch ihn werde das förderative Element der Bundesverfassung ver¬ wirklicht. Daneben wurde aber der Bundes¬ rat mit staatlichem Charakter, einer souveränen Stellung über den Einzelstaaten u. a. aus¬ gestattet. Er erlangte damit die Stellung eines Organes des Bundesstaates. Der Bundesrat steht zu jeder Art von Parla¬ mentarischer Körperschaft in schroffsten Gegen¬ satz, denn die Mitglieder stimmen nicht nach freier individueller Überzeugung, sondern nach den ihnen erteilten Instruktionen und sind ihrer Regierung verantwortlich für ihr Ver¬ halten im Bundesrat. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, daß der Bundesrat tat¬ sächlich im Reiche in einzelnen Richtungen ähnliche Dienste Wohl zu leisten vermag, wie sie von einem Oberhause oder Staatenhause geleistet werden können." Solche Dienste leistet der Bundesrat tatsächlich. Es ist gar nicht zu bestreiten, daß es zu einer starken Verwicklung des Verwaltungsapparates im Deutschen Reiche führen würde, wenn zwischen Bundesrat und Reichstag noch ein Oberhaus eingeschoben würde, von dem nicht erhofft werden kann, daß es einem aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Reichstage die Wage halten würde. Was oben Bismarck von den Hemmungen der Staatsverwaltung sagte, würde offenbar noch viel mehr von einem Oberhause gelten, das geradezu mit der Absicht gegründet würde, dem Reichstage entgegenzutreten. Über die Zusammensetzung eines solchen Oberhauses spricht Dr. Schlenker nicht. Aber diese Frage ist sehr wichtig. Nach der Art der Ersten Kammer der Landtage kann man ein Oberhaus im Reiche offenbar nicht einrichten, denn im Reichsoberhause verlangen selbstverständlich die Bundesstaaten als solche eine Vertretung. Deren Wahl oder Präsentation könnte man den Landtagen über¬ tragen. Wer sonst noch ein Präsentationsrecht nach der Art erhalten sollte, wie es etwa im Z 4 der Verordnung über die Bildung der Ersten Kammer in Preußen vom 12. Oktober 1864 (Verband der rittergutsbesitzenden Grafen in jeder Provinz, Verbände der be¬ sonders dazu begnadigten Geschlechter mit ausgebreitetem Familienbesitz, Verbände des alten und befestigten Grundbesitzes, Landes¬ universitäten, Städte) festgelegt ist, bleibt ungewiß. Beim Reichsoberhause müßten Wohl die großen Industrie- und Handelsverbände zum Vorschlag berechtigt werden. Weiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/485>, abgerufen am 29.12.2024.