Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] ist die Frage aufzuwerfen, ob der Kaiser ein Ich Will indessen auf diese Einzelheiten Sprache sprachlicher Stil und bildende Kunst. sich deutlich aus einem Vergleiche zwischen Der Stil der althochdeutscher Periode wie inter und wie reine Vom fünfzehnten bis zum siebzehnten Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] ist die Frage aufzuwerfen, ob der Kaiser ein Ich Will indessen auf diese Einzelheiten Sprache sprachlicher Stil und bildende Kunst. sich deutlich aus einem Vergleiche zwischen Der Stil der althochdeutscher Periode wie inter und wie reine Vom fünfzehnten bis zum siebzehnten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327952"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2283" prev="#ID_2282"> ist die Frage aufzuwerfen, ob der Kaiser ein<lb/> Berufungsrecht ins Oberhaus des Reiches<lb/> erhalten soll oder erhalten kann u. a, in.<lb/> Wenn man den Bundesstaaten ebenfalls Ver¬<lb/> treter im Reichsoberhause bewilligte, so läge<lb/> die Sache so, daß in derselben Sache für<lb/> den Bundesstaat die Bundesratsvertreter als<lb/> Staatsvertreter, die Oberhausvertreter aber<lb/> als Personen raten und taten, wodurch allein<lb/> schon mancherlei Schwierigkeiten entstehen<lb/> können.</p> <p xml:id="ID_2284"> Ich Will indessen auf diese Einzelheiten<lb/> nicht zu sehr eingehen, da ich den Grund¬<lb/> gedanken nicht für praktisch halte. Vor<lb/> allem aber wäre es doch vermessen, zu<lb/> glauben, daß der Reichstag einer Verfassungs¬<lb/> änderung zustimmen werde, die die aus¬<lb/> gesprochene Absicht hat, ihm die errungene<lb/> Macht wieder ganz oder teilweise zu ent¬<lb/> reißen. Wir haben zwar keine parlamen¬<lb/> tarische Regierung, aber der parlamentarische<lb/> Einfluß im Reiche ist ganz überraschend und<lb/> gewaltig gewachsen. Das läßt sich das Par¬<lb/> lament nicht so schnell wieder nehmen. Hier<lb/> liegen die Dinge offenbar ganz ähnlich wie<lb/> bei der Änderung des Reichstagswahlrechts,<lb/> für die es nur zwei Wege gibt, entweder den<lb/> Staatsstreich, oder die Erkenntnis und der<lb/> Wille in den linken Parteien des Reichstags<lb/> einschließlich des Zentrums, daß das Wahl¬<lb/> recht geändert werden niuß. Beides ist nicht<lb/><note type="byline"> Gelo Brandt</note> sehr wahrscheinlich. </p> </div> <div n="2"> <head> Sprache</head> <p xml:id="ID_2285" next="#ID_2286"> sprachlicher Stil und bildende Kunst.<lb/> Die Individualisten in der Stillehre fordern,<lb/> daß jeder Mensch seinen eigenen Stil habe,<lb/> und daß auch das Kind so schreiben lerne,<lb/> wie es spricht. Sie stützen sich dabei auf das<lb/> Buffonsche Wort, daß der Stil der Mensch<lb/> sei. Und doch treffen Forderung und Zitat<lb/> nicht völlig das Richtige. Der Stil ist nicht<lb/> lediglich Eigentum des Individuums, er ist<lb/> vielmehr eine Synthese aus Persönlichen und<lb/> Allgemeinen, er ist zugleich Besitz des ein¬<lb/> zelnen wie des ganzen Volkes. Deshalb<lb/> entwickelt sich die sprachliche Form der Dar¬<lb/> stellung nicht nur parallel der Anlage der<lb/> Einzelmenschen, sondern ebenso entsprechend<lb/> den Kulturepochen der ganzen Nation, wie</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2286" prev="#ID_2285"> sich deutlich aus einem Vergleiche zwischen<lb/> dem sprachlichen Stile und der bildenden<lb/> Kunst in den einzelnen Zeitabschnitten der<lb/> deutschen Kultur ergibt.</p> <p xml:id="ID_2287"> Der Stil der althochdeutscher Periode<lb/> weist hauptsächlich Verbindungen von Haupt¬<lb/> sätzen auf, die nur selten von Nebensätzen<lb/> einfachster Art unterbrochen werden. Die<lb/> Ausdrücke sind knapp und schlicht, so daß dem<lb/> Ganzen jener wuchtige, schwere Charakter eigen<lb/> ist, den wir zu gleicher Zeit (neuntes bis<lb/> zwölftes Jahrhundert) bei den romanischen<lb/> Denkmälern der bildenden Kunst finden. —<lb/> Vom dreizehnten Jahrhundert ab vollzieht<lb/> sich in Architektur und Plastik ein gewaltiger<lb/> Umschwung durch das Eindringen der Gotik<lb/> mit ihrer zierlichen Filigranarbeit: auch der<lb/> Stil der mittelhochdeutschen Literatur, beson¬<lb/> ders der höfischen, ist mehr fein und gefeilt,<lb/> als massig und schwer. Der Satzbau ist<lb/> lebhafter abgestuft, und aus die Wahl des<lb/> Ausdrucks lassen sich allgemein jene Lob¬<lb/> sprüche anwenden, die Gottfried von Stra߬<lb/> burg dem Stile Hartmanns spendet:</p> <quote> wie inter und wie reine<lb/> sin KristäMniu woerteltn<lb/> sint und iemer müezen s?n.</quote> <p xml:id="ID_2288" next="#ID_2289"> Vom fünfzehnten bis zum siebzehnten<lb/> Jahrhundert herrscht die Renaissance: klar<lb/> und übersichtlich, beeinflußt von der Kunst<lb/> des Altertums, treten die Formen und ihre<lb/> Gliederung heraus, und die Fassade des Bau¬<lb/> werks deutet schon auf sein Inneres. Nicht<lb/> anders ist es mit dem sprachlichen Stile dieser<lb/> Zeit: Luther hat sich eine Schriftsprache ge¬<lb/> schaffen, um seine Gedanken klar und deutlich<lb/> zum Ausdruck bringen zu können; daher ist<lb/> diese Sprache frei und kräftig, durchtränkt<lb/> vom Geiste des Altertums und doch neu und<lb/> eigenartig. — Dann kommt seit dem sieb¬<lb/> zehnten Jahrhundert der Rückschlag: das<lb/> Barock im Stile der Kunst wie der Literatur.<lb/> Könnte Lübkes Charakteristik dieser Zeit nicht<lb/> ebensogut auf die Werke der sogenannten<lb/> Zweiten Schlesischen Schule, den „Schwulst",<lb/> angewendet werden: „Fortan sollte jedes<lb/> plastische Werk unter allen Umständen leb¬<lb/> haft, ja leidenschaftlich bewegt sein; sollte den<lb/> Ausdruck innerer Erregung durch Gebärde,<lb/> Haltung und Stellung zum gewaltsamen</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
ist die Frage aufzuwerfen, ob der Kaiser ein
Berufungsrecht ins Oberhaus des Reiches
erhalten soll oder erhalten kann u. a, in.
Wenn man den Bundesstaaten ebenfalls Ver¬
treter im Reichsoberhause bewilligte, so läge
die Sache so, daß in derselben Sache für
den Bundesstaat die Bundesratsvertreter als
Staatsvertreter, die Oberhausvertreter aber
als Personen raten und taten, wodurch allein
schon mancherlei Schwierigkeiten entstehen
können.
Ich Will indessen auf diese Einzelheiten
nicht zu sehr eingehen, da ich den Grund¬
gedanken nicht für praktisch halte. Vor
allem aber wäre es doch vermessen, zu
glauben, daß der Reichstag einer Verfassungs¬
änderung zustimmen werde, die die aus¬
gesprochene Absicht hat, ihm die errungene
Macht wieder ganz oder teilweise zu ent¬
reißen. Wir haben zwar keine parlamen¬
tarische Regierung, aber der parlamentarische
Einfluß im Reiche ist ganz überraschend und
gewaltig gewachsen. Das läßt sich das Par¬
lament nicht so schnell wieder nehmen. Hier
liegen die Dinge offenbar ganz ähnlich wie
bei der Änderung des Reichstagswahlrechts,
für die es nur zwei Wege gibt, entweder den
Staatsstreich, oder die Erkenntnis und der
Wille in den linken Parteien des Reichstags
einschließlich des Zentrums, daß das Wahl¬
recht geändert werden niuß. Beides ist nicht
Gelo Brandt sehr wahrscheinlich.
Sprache sprachlicher Stil und bildende Kunst.
Die Individualisten in der Stillehre fordern,
daß jeder Mensch seinen eigenen Stil habe,
und daß auch das Kind so schreiben lerne,
wie es spricht. Sie stützen sich dabei auf das
Buffonsche Wort, daß der Stil der Mensch
sei. Und doch treffen Forderung und Zitat
nicht völlig das Richtige. Der Stil ist nicht
lediglich Eigentum des Individuums, er ist
vielmehr eine Synthese aus Persönlichen und
Allgemeinen, er ist zugleich Besitz des ein¬
zelnen wie des ganzen Volkes. Deshalb
entwickelt sich die sprachliche Form der Dar¬
stellung nicht nur parallel der Anlage der
Einzelmenschen, sondern ebenso entsprechend
den Kulturepochen der ganzen Nation, wie
sich deutlich aus einem Vergleiche zwischen
dem sprachlichen Stile und der bildenden
Kunst in den einzelnen Zeitabschnitten der
deutschen Kultur ergibt.
Der Stil der althochdeutscher Periode
weist hauptsächlich Verbindungen von Haupt¬
sätzen auf, die nur selten von Nebensätzen
einfachster Art unterbrochen werden. Die
Ausdrücke sind knapp und schlicht, so daß dem
Ganzen jener wuchtige, schwere Charakter eigen
ist, den wir zu gleicher Zeit (neuntes bis
zwölftes Jahrhundert) bei den romanischen
Denkmälern der bildenden Kunst finden. —
Vom dreizehnten Jahrhundert ab vollzieht
sich in Architektur und Plastik ein gewaltiger
Umschwung durch das Eindringen der Gotik
mit ihrer zierlichen Filigranarbeit: auch der
Stil der mittelhochdeutschen Literatur, beson¬
ders der höfischen, ist mehr fein und gefeilt,
als massig und schwer. Der Satzbau ist
lebhafter abgestuft, und aus die Wahl des
Ausdrucks lassen sich allgemein jene Lob¬
sprüche anwenden, die Gottfried von Stra߬
burg dem Stile Hartmanns spendet:
wie inter und wie reine
sin KristäMniu woerteltn
sint und iemer müezen s?n. Vom fünfzehnten bis zum siebzehnten
Jahrhundert herrscht die Renaissance: klar
und übersichtlich, beeinflußt von der Kunst
des Altertums, treten die Formen und ihre
Gliederung heraus, und die Fassade des Bau¬
werks deutet schon auf sein Inneres. Nicht
anders ist es mit dem sprachlichen Stile dieser
Zeit: Luther hat sich eine Schriftsprache ge¬
schaffen, um seine Gedanken klar und deutlich
zum Ausdruck bringen zu können; daher ist
diese Sprache frei und kräftig, durchtränkt
vom Geiste des Altertums und doch neu und
eigenartig. — Dann kommt seit dem sieb¬
zehnten Jahrhundert der Rückschlag: das
Barock im Stile der Kunst wie der Literatur.
Könnte Lübkes Charakteristik dieser Zeit nicht
ebensogut auf die Werke der sogenannten
Zweiten Schlesischen Schule, den „Schwulst",
angewendet werden: „Fortan sollte jedes
plastische Werk unter allen Umständen leb¬
haft, ja leidenschaftlich bewegt sein; sollte den
Ausdruck innerer Erregung durch Gebärde,
Haltung und Stellung zum gewaltsamen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |