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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

Auslassungen der englischen Presse über den Kruppprozeß, mit jenen über den
großen Armeekantinenprozeß gegen die Firma Lipton, in dem festgestellt wurde,
daß selbst ein englischer Offizier in der Stellung eines Regimentskommandeurs
bei uns jährlich 300 Pfd. Sterl. dafür bekam, daß er die Waren der Firma Lipton
bei den Kandiren einführte, so findet man hier größte Ruhe und Zurückhaltung,
dort Verallgemeinerungen, die unsere Armee in einem höchst bedenklichen Lichte
erscheinen lassen. Die Vorgänge in Zabern erscheinen, dank der deutschen Bericht¬
erstattung darüber, jetzt selbst nüchternen Engländern, die nicht alles ohne weiteres
glauben, was in den Zeitungen steht, als typisch für die Beziehungen zwischen
Heer und Volk in ganz Deutschland.

Mit meinen Darlegungen wollte ich auf zwei Quellen hinweisen, auf die
neben anderen Nachteilen auch die absprechende Berichterstattung des Auslandes
über unsere Armee zurückzuführen ist: die absichtliche Herabsetzung unserer
Militärorganisation als Mittel zur Bekämpfung des monarchisch-bürgerlichen
Staates und der Mangel eines Korrektivs hiergegen. Von außen kommt noch
ein drittes Moment zu unserem Schaden hinzu: die von verschiedenen Seiten
gemachten Versuche, den Dreibund zu sprengen, dessen eiserne Grundlage doch
die deutsche Armee ist. Diese zuletzt genannten Tendenzen werden naturgemäß
durch die oben angedeuteten Verhältnisse wirksam gefördert.

Die Frage ist, wie dem Übelstande abgeholfen werden könnte. Es gibt
kein Mittel dagegen, solange die Diskreditierung unserer Armee Mittel zur
Erreichung besonderer politischer Ziele bleibt! Wer die verfassungsmäßigen
Grundlagen unseres Vaterlandes umstürzen will, hat keine Veranlassung die
Armee, sein stärkstes Bollwerk, zu schonen. Dasselbe gilt von den äußeren
Feinden. Damit müssen wir uns abfinden. So ist auch der direkte Kampf
gegen das Übel ausgeschlossen. Keine Verschärfung der Preßgesetzgebung
würde nützen. Was bleibt, ist die Hebung des Verantwortungsgefühls bei den
die Presse bedienenden Faktoren: Militärmitarbeitern, Redakteuren und Ver¬
legern. Verantwortungsgefühl kann sich aber nur stärken auf der Basis gründ¬
licher Fachkenntnisse und großer Allgemeinbildung. Wer diese beiden zu heben
<s. Lleinow vermag, steigert ohne weiteres das Verantwortungsgefühl.


Glossen zum Urteil gegen den Grafen Mielczynski

Das Schwurgericht in Meseritz hat den Grafen Mielzcynski von der An¬
klage der vorsätzlichen Tötung seiner Frau und ihres Galans freigesprochen. In
vielen Kreisen ist diese Entscheidung mit beträchtlichem Kopfschütteln aufgenommen
worden. Aber es liegt mir fern, einen Urteilsspruch ohne genaue Aktenkenntnis zu
schelten. Ob die Geschworenen den Grafen freigesprochen haben, weil sie auf
dem alten Kavalierstandpunkte stehen, daß die durch Ehebruch verletzte Mannes¬
ehre nur mit Blut abgewaschen werden kann, und daß man sich in solchem
Falle über das Gesetz hinwegsetzen darf, oder ob ihr Wahrspruch nur dem


Reichsspiegel

Auslassungen der englischen Presse über den Kruppprozeß, mit jenen über den
großen Armeekantinenprozeß gegen die Firma Lipton, in dem festgestellt wurde,
daß selbst ein englischer Offizier in der Stellung eines Regimentskommandeurs
bei uns jährlich 300 Pfd. Sterl. dafür bekam, daß er die Waren der Firma Lipton
bei den Kandiren einführte, so findet man hier größte Ruhe und Zurückhaltung,
dort Verallgemeinerungen, die unsere Armee in einem höchst bedenklichen Lichte
erscheinen lassen. Die Vorgänge in Zabern erscheinen, dank der deutschen Bericht¬
erstattung darüber, jetzt selbst nüchternen Engländern, die nicht alles ohne weiteres
glauben, was in den Zeitungen steht, als typisch für die Beziehungen zwischen
Heer und Volk in ganz Deutschland.

Mit meinen Darlegungen wollte ich auf zwei Quellen hinweisen, auf die
neben anderen Nachteilen auch die absprechende Berichterstattung des Auslandes
über unsere Armee zurückzuführen ist: die absichtliche Herabsetzung unserer
Militärorganisation als Mittel zur Bekämpfung des monarchisch-bürgerlichen
Staates und der Mangel eines Korrektivs hiergegen. Von außen kommt noch
ein drittes Moment zu unserem Schaden hinzu: die von verschiedenen Seiten
gemachten Versuche, den Dreibund zu sprengen, dessen eiserne Grundlage doch
die deutsche Armee ist. Diese zuletzt genannten Tendenzen werden naturgemäß
durch die oben angedeuteten Verhältnisse wirksam gefördert.

Die Frage ist, wie dem Übelstande abgeholfen werden könnte. Es gibt
kein Mittel dagegen, solange die Diskreditierung unserer Armee Mittel zur
Erreichung besonderer politischer Ziele bleibt! Wer die verfassungsmäßigen
Grundlagen unseres Vaterlandes umstürzen will, hat keine Veranlassung die
Armee, sein stärkstes Bollwerk, zu schonen. Dasselbe gilt von den äußeren
Feinden. Damit müssen wir uns abfinden. So ist auch der direkte Kampf
gegen das Übel ausgeschlossen. Keine Verschärfung der Preßgesetzgebung
würde nützen. Was bleibt, ist die Hebung des Verantwortungsgefühls bei den
die Presse bedienenden Faktoren: Militärmitarbeitern, Redakteuren und Ver¬
legern. Verantwortungsgefühl kann sich aber nur stärken auf der Basis gründ¬
licher Fachkenntnisse und großer Allgemeinbildung. Wer diese beiden zu heben
<s. Lleinow vermag, steigert ohne weiteres das Verantwortungsgefühl.


Glossen zum Urteil gegen den Grafen Mielczynski

Das Schwurgericht in Meseritz hat den Grafen Mielzcynski von der An¬
klage der vorsätzlichen Tötung seiner Frau und ihres Galans freigesprochen. In
vielen Kreisen ist diese Entscheidung mit beträchtlichem Kopfschütteln aufgenommen
worden. Aber es liegt mir fern, einen Urteilsspruch ohne genaue Aktenkenntnis zu
schelten. Ob die Geschworenen den Grafen freigesprochen haben, weil sie auf
dem alten Kavalierstandpunkte stehen, daß die durch Ehebruch verletzte Mannes¬
ehre nur mit Blut abgewaschen werden kann, und daß man sich in solchem
Falle über das Gesetz hinwegsetzen darf, oder ob ihr Wahrspruch nur dem


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[0434] Reichsspiegel Auslassungen der englischen Presse über den Kruppprozeß, mit jenen über den großen Armeekantinenprozeß gegen die Firma Lipton, in dem festgestellt wurde, daß selbst ein englischer Offizier in der Stellung eines Regimentskommandeurs bei uns jährlich 300 Pfd. Sterl. dafür bekam, daß er die Waren der Firma Lipton bei den Kandiren einführte, so findet man hier größte Ruhe und Zurückhaltung, dort Verallgemeinerungen, die unsere Armee in einem höchst bedenklichen Lichte erscheinen lassen. Die Vorgänge in Zabern erscheinen, dank der deutschen Bericht¬ erstattung darüber, jetzt selbst nüchternen Engländern, die nicht alles ohne weiteres glauben, was in den Zeitungen steht, als typisch für die Beziehungen zwischen Heer und Volk in ganz Deutschland. Mit meinen Darlegungen wollte ich auf zwei Quellen hinweisen, auf die neben anderen Nachteilen auch die absprechende Berichterstattung des Auslandes über unsere Armee zurückzuführen ist: die absichtliche Herabsetzung unserer Militärorganisation als Mittel zur Bekämpfung des monarchisch-bürgerlichen Staates und der Mangel eines Korrektivs hiergegen. Von außen kommt noch ein drittes Moment zu unserem Schaden hinzu: die von verschiedenen Seiten gemachten Versuche, den Dreibund zu sprengen, dessen eiserne Grundlage doch die deutsche Armee ist. Diese zuletzt genannten Tendenzen werden naturgemäß durch die oben angedeuteten Verhältnisse wirksam gefördert. Die Frage ist, wie dem Übelstande abgeholfen werden könnte. Es gibt kein Mittel dagegen, solange die Diskreditierung unserer Armee Mittel zur Erreichung besonderer politischer Ziele bleibt! Wer die verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Vaterlandes umstürzen will, hat keine Veranlassung die Armee, sein stärkstes Bollwerk, zu schonen. Dasselbe gilt von den äußeren Feinden. Damit müssen wir uns abfinden. So ist auch der direkte Kampf gegen das Übel ausgeschlossen. Keine Verschärfung der Preßgesetzgebung würde nützen. Was bleibt, ist die Hebung des Verantwortungsgefühls bei den die Presse bedienenden Faktoren: Militärmitarbeitern, Redakteuren und Ver¬ legern. Verantwortungsgefühl kann sich aber nur stärken auf der Basis gründ¬ licher Fachkenntnisse und großer Allgemeinbildung. Wer diese beiden zu heben <s. Lleinow vermag, steigert ohne weiteres das Verantwortungsgefühl. Glossen zum Urteil gegen den Grafen Mielczynski Das Schwurgericht in Meseritz hat den Grafen Mielzcynski von der An¬ klage der vorsätzlichen Tötung seiner Frau und ihres Galans freigesprochen. In vielen Kreisen ist diese Entscheidung mit beträchtlichem Kopfschütteln aufgenommen worden. Aber es liegt mir fern, einen Urteilsspruch ohne genaue Aktenkenntnis zu schelten. Ob die Geschworenen den Grafen freigesprochen haben, weil sie auf dem alten Kavalierstandpunkte stehen, daß die durch Ehebruch verletzte Mannes¬ ehre nur mit Blut abgewaschen werden kann, und daß man sich in solchem Falle über das Gesetz hinwegsetzen darf, oder ob ihr Wahrspruch nur dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/434>, abgerufen am 04.01.2025.