Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Gin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie hatten, sich wiederum vereinten und dem in Amt und Burg Crailsheim herr¬ Die Hoffnung lag für die drei Reichsstädte nahe, daß die Stadt Crailsheim Im Munde der Reichsstädter sollte diese Bezeichnung die Crailsheimer *) Vgl, Gmeli", Gesch. Württembergs, Bd. 3, S, 327.
Gin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie hatten, sich wiederum vereinten und dem in Amt und Burg Crailsheim herr¬ Die Hoffnung lag für die drei Reichsstädte nahe, daß die Stadt Crailsheim Im Munde der Reichsstädter sollte diese Bezeichnung die Crailsheimer *) Vgl, Gmeli», Gesch. Württembergs, Bd. 3, S, 327.
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Gin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie
hatten, sich wiederum vereinten und dem in Amt und Burg Crailsheim herr¬
schenden Grafen von Hohenlohe die Fehde ansagten*).
Die Hoffnung lag für die drei Reichsstädte nahe, daß die Stadt Crailsheim
gemeinsame Sache mit ihnen machen werde. Statt dessen trat, als handle es
sich für die Crailsheimer darum, unter dem Zeichen des Hornes zu kämpfen,
die Stadt der Hohenlohe auf feiten der hohenloheschen Ritterschaft und schloß
den Reichsstädten die Tore. So kam es zur Belagerung Crailsheims vom
Herbst 1379 bis zum 17. Februar 1330. Am letztgenannten Tage, dem fünften
vor Fastnacht, zogen die Belagerer unverrichteter Sache ab: Crailsheim ward
gerettet — wie die spätere Sage berichtet — „durch die List seiner Bürger¬
meisterin". Es wird nämlich erzählt, die Bürgermeisterin, „eine dicke Persön¬
lichkeit", sei, als die Lebensmittel ausgingen und man sich schon mit dem
Gedanken der Übergabe trug, auf die Mauer gestiegen und habe von da aus
den Feinden ihre Wohlbeleibtheit offen gezeigt. Das habe die Belagerer stutzig
gemacht, so daß sie an der Möglichkeit verzweifelten, die Stadt auszuhungern.
Im Ärger darüber hätten sie sich zum Abzüge entschlossen und den Siegern
zugerufen; „Ihr Horaffeu".
Im Munde der Reichsstädter sollte diese Bezeichnung die Crailsheimer
möglichst verletzen, und sie tat das auch. Den Crailsheimer» wurde ins Gesicht ge¬
schleudert, und zwar in gesteigertem Sinne des Wortes, daß sie Affen seien, Erzaffen,
Asien höchster Potenz. Was „Horaffen" wirklich waren, nämlich „offene
Hörner" wußte man wahrscheinlich 1380 in Crailsheim und Umgegend so wenig
wie heute. Das Gebäck „Hornaffe" oder „Horaff" war und ist noch jetzt in
den drei Reichsstädten nicht zu finden. Ob sie wußten, daß angesehene Crails¬
heimer Familien den Namen Hornaffer trugen, steht dahin. Feierte man aber
in Crailsheim üblicherweise zu Fastnacht ein Hornaffenfest, so ist das den
Nachbarstädten vielleicht bekannt gewesen. Jedenfalls hörten sie bei Aufgabe
der Belagerung von der Existenz des Hornaffengebäcks in Crailsheim. Denn:
„Alles überließ sich damals am 17. Februar" — so berichtet die im
Jahre 1839 erschienene „romantische Erzählung" der Belagerung — „der aus¬
gelassensten Freude", und diese Freude kam eben durch besonders reichliches
Backen und Vertilgen von Hornaffen mit zum Ausdruck. Gerade der allgemeine
Taumel und Jubel der Crailsheimer gereichte ihren Feinden zum Ärger. Er
fiel mit dem Fastnachtsfeste zusammen. Dazu erfanden nicht etwa die Crails¬
heimer über Nacht vom 17. zum 18. Februar ein Gebäck, das sie Hornaffen
nannten und als neue Erfindung von Haus zu Haus backten. Die Hornaffen
waren längst ihr Fastnachtsgebäck, wie die Hornaffer ihre Hornaffenbäcker. In
Erfurt fand sich das ähnlich, während anderwärts, wie in Schlesien, wir das
Hornaffenfest auf den Martinstag gelegt sahen. Für Regensburg setzte ein
Bürger ein Jahrzehnt vor der Belagerung Crailsheims (1370) eine „ewige
*) Vgl, Gmeli», Gesch. Württembergs, Bd. 3, S, 327.
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